SeaClear: Wenn Roboter den Meeresboden von Müll befreien
Müll in unseren Weltmeeren ist ein riesiges Problem. Bereits gefährdete Schildkröten verwechseln schwimmende Teilchen mit Futter und Fische verfangen sich in Geisternetzen. Mittlerweile hört man immer wieder von Projekten, welche gegen das Maritime Littering vorgehen wollen. Eines der bekanntesten, wenn auch nicht frei von Kritik, ist The Ocean Cleanup. Bereits 2013 startete die Organisation mit einer Machbarkeitsstudie und in diesem Jahr gaben diese bekannt, insgesamt 28.659 Kilogramm Plastik aus dem Meer gesammelt zu haben, wir berichteten.
Dieses Projekt konzentriert sich wie viele andere auch jedoch nur auf den Müll an der Wasseroberfläche. Laut der Technischen Universität München (TUM) läge der größte Teil, der über 20 Tonnen Plastikmüll, jedoch auf dem Meeresgrund. Dies sei eine gewaltige Bedrohung für dort lebende Pflanzen und Tiere sowie das ökologische Gleichgewicht der Meere. Deshalb hat sich nun ein Team der TUM mit acht europäischen Partner-Instituten im Projekt SeaClear zusammengetan und entwickelt ein Robotersystem, das auch Unterwasser Müll einsammeln kann.
Vier Roboter als Müll-Finde & Transport-System
Bisher ist das Reinigen der Gewässer, bei welchem häufig Taucher:innen eingesetzt werden, aufwendig, teuer und oft auch gefährlich. Aus diesem Grund testen die Forschenden nun eine Methode, ganz ohne Menschen im Wasser.
Das dafür verwendete System setzt sich aus vier einzelnen Roboter-Komponenten zusammen: Ein autonom fahrendes Roboter-Boot führt einen ersten Scan des Meeresbodens durch und lokalisiert dabei größere Müllansammlungen. Dann wird ein Beobachtungs-Roboter ins Wasser gelassen, der den Müll in der Tiefe aufspürt und gleichzeitig weitere Informationen wie Nahaufnahmen des Meeresbodens an die Rechner liefert. Bei klarem Wasser und guten Sichtverhältnissen sorgt zusätzlich eine Drohne aus der Luft dafür, dass weiterer Müll im Wasser erkannt wird. Mit Hilfe all dieser Informationen wird eine virtuelle Karte erzeugt. Ein Sammel-Roboter fährt dann bestimmte Punkte an der Karte ab und sammelt den Müll auf. Dabei werden größere Teile mit Hilfe eines Greifers in einem Korb, der mit dem Schiff verbunden ist, abtransportiert.
System zu 90% erfolgreich
Erste Versuche mit dem Prototyp wurden im Oktober 2021 im kroatischen Dubrovnik durchgeführt. Im Mai 2022 soll es weitere Versuche im Hamburger Hafen geben. Wenn das SeaClear-System einmal voll einsatzfähig ist, soll es laut den Forschenden Unterwasserabfälle mit einer prognostizierten Quote von 80% klassifizieren und zu 90% erfolgreich einsammeln. Das sei vergleichbar mit dem Erfolg beim Einsatz von Taucher:innen.
Doch bevor es soweit ist, müssen noch einige Probleme bewältigt werden. Besonders die Strömung macht den Robotern zu schaffen. „Autonome Roboter für den Einsatz Unterwasser zu entwickeln stellt eine ganz besondere Herausforderung“ so Stefan Sosnowski, Technischer Leiter des SeaClear-Projekts am Lehrstuhl für Informationstechnische Regelung an der TUM. Denn anders als an Land herrschen im Wasser ganz besondere Bedingungen. „Sobald ein Stück Müll identifiziert und geortet wurde, muss sich der Roboter zunächst in dessen Nähe bewegen. Dabei kann er mitunter auf starke Strömungen treffen, gegen die er sich durchsetzen muss. Das richtig auszusteuern, ist Aufgabe der TUM im SeaClear-Projekt.“
Dafür verwendet das Team Methoden des maschinellen Lernens. Eine Künstliche Intelligenz (KI) berechnet und lernt, wann und unter welchen Bedingungen sich der Roboter auf eine bestimmte Weise bewegt. So können genaue Vorhersagen über sein Verhalten getroffen werden.
“Verschlucken sich”: Mikroplastik wird Bestandteil von Korallen
Kritiker:innen bezweifeln Sinnhaftigkeit
Solche Bemühungen geben Grund zur Hoffnung. Es scheint, als wäre das von Menschen verursachte Müllproblem doch noch irgendwie händelbar. Doch Kritiker:innen befürchten, dass dies längst zu spät ist. Denn einen Großteil der Kunststoffabfälle hat die Strömung schon so zersetzt, dass nur noch Mikroplastik übrig bleibt, das mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist. Ob das System diese Plastikpartikel erwischt, ist fraglich.