Sébastien Aldegué: „Autofahrer fahren nicht mehr als 40 Kilometer am Tag“
Die Wende hin zur E-Mobilität hängt von einem entscheidenden Faktor ab: Einem starken und breiten Ladenetz für E-Autos. Ein wichtiger Player auf diesem Gebiet ist Electra aus Frankreich. Anfang dieses Jahres hat Electra mehr als 300 Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde eingesammelt. Wir haben mit Sébastien Aldegué, dem Country Manager Austria von Electra, über den Markt der E-Ladestellen gesprochen.
Was ist das Konzept hinter Electra?
Sébastien Aldegué: Electra wurde 2021 in Frankreich gegründet. Und obwohl wir noch jung sind, haben wir bereits ein sehr hohes Wachstum kennenlernen dürfen und sind jetzt bereits in acht europäischen Ländern tätig. Wir sind Betreiber von Ladestationen. Das heißt, wir installieren und betreiben Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge. Wir sind vor allem in Ballungszentren und an Autobahnen unterwegs. Auch in Österreich sind wir bereits gestartet.
Was ist besonders an den Ladepunkten von Electra und wo platzieren Sie diese?
Wir sind immer auf der Suche nach gut gelegenen Standorten. Wir wollen flächendeckend in ganz Europa sein und sind auf der Suche nach Partnern wie Hotels, Supermarktketten, Restaurants, öffentlichen Parkplätzen. Wichtig ist, dass es Parkplätze gibt, die leicht und rund um die Uhr zugänglich sind für unsere Kund:innen.
Es gibt zwei Aspekte, die Electra von der Konkurrenz abheben. Einerseits sind wir wirklich ein Pure-Player. Das heißt, wir haben uns komplett auf das Schnellladen konzentriert. Unsere Ladestationen haben ungefähr 300-400 kW Ladestärke und daher können wir uns auch wirklich konzentrieren, schnell reagieren und uns auch spezialisieren. Soll heißen, wir machen wirklich nur eine Sache, aber diese machen wir wirklich gut. Andererseits entwickeln wir unsere Software selbst. Das ermöglicht es uns einerseits, sehr nah an den Kundenwünschen zu sein.
Andererseits können wir so auch unsere Ladestationen effektiv monitoren. Das heißt, wir überwachen unser Ladenetz proaktiv und reagieren prompt, sollte eine Ladestation nicht funktionieren. Das machen wir entweder remote von unserem Headquarter in Paris aus, oder aber wir schicken einen Installationspartner vor Ort.
Wie nutzen die Kund:innen eben diese Software? Ist das eine einfache App?
Genau, wir haben eine eigene Kunden-App entwickelt, rund 40 Prozent unserer Elektro-Ladevorgänge passieren derzeit durch diese Anwendung. Mit ihr können Kund:innen die Ladestation vorher reservieren. Nur mit Reservierung kann die Ladestation genutzt werden.
Es ist auch möglich, mit der App den Ladevorgang zu starten oder zu bezahlen. Unsere Partner, das heißt Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und so weiter, können auch ihre Dienste auf unserer App bewerben. Eine sehr wichtige Funktion ist auch das sogenannte Auto-Charge. Bestandskund:innen können damit einfach zur Ladestation fahren und die Station erkennt automatisch das Fahrzeug. Das heißt, der Ladevorgang kann automatisch starten.
Zu den Ladestationen: Ein Ladehub bietet in der Regel zwei bis drei Ladestationen und eine Ladestation hat zwei Ladepunkte. Unsere Ladehubs in Österreich haben im Grunde vier bis sechs Ladepunkte.
Wie sieht das Preismodell von Electra aus? Wie berechnen Sie beim Laden die Preise?
Wir rechnen nur nach Kilowattstunden. Die Preise können je Land unterschiedlich sein, sie hängen unter anderem mit den Energiekosten zusammen. Aber wir achten sehr stark auf Fairness für unsere Kund:innen. Sie bezahlen nur den Strom, den sie vor Ort geladen haben. Es gibt keinen Minutentarif. Mit dem Preis wollen wir immer ungefähr unter dem Marktdurchschnitt sein.
Wie schnell ist der Ladevorgang bei Ihnen im Durchschnitt?
Wir spezifizieren uns ausschließlich auf das Ultraschnellladen. Je nach Fahrzeug kann ein Ladevorgang zwischen 15 und 20 Minuten dauern.
Welche E-Autos sind mit den Elektro-Ladepunkten kompatibel?
Wir haben das Glück gehabt, dass sich vor Kurzem die Ladestationshersteller und die E-Auto-Hersteller in Europa auf einen einheitlichen Ladestecker geeinigt haben, das Combined Charging System (CCS). Alle E-Autos, die in Europa auf den Markt kommen, haben einen CCS-Stecker und alle Ladestationen, die auf den Markt in Europa kommen, haben ein CCS-Ladekabel. Das heißt, alle Marken, die es in Europa gibt, sind mit unseren Elektro-Ladestationen kompatibel.
Wie weit ist das Ladenetz von Electra heute verbreitet?
Unser Hauptmarkt ist natürlich der Heimatmarkt Frankreich, dicht gefolgt von den Benelux-Ländern. Daneben sind wir in Spanien, Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv. Bis Ende 2024 werden wir 450 Standorte in ganz Europa haben. Unser Ziel ist es, bald 1.000 Standorte zu betreiben.
Es gibt in Europa aber noch viele andere Anbieter von E-Ladepunkten. Wie sieht der Wettbewerb in diesem Bereich aus und wie gehen Sie dabei vor?
Wir gehen hier strategisch und gewählt vor. Wir wollen nicht die Nummer 1 sein mit den meisten Ladepunkten in Europa. Ich glaube, das würde aus Kundensicht nicht viel Sinn machen, denn für verschiedene Standorte gibt es unterschiedliche Arten von Ladepunkten, die sich am besten eignen, während wir uns nur auf eine Art konzentrieren.
Unser Ziel ist es nicht, die meisten Ladepunkte zu haben, sondern die meisten Ladevorgänge auf unseren Ladestationen durchzuführen.
Ein dichtes Ladenetz ist für die Durchsetzung der E-Mobilität unerlässlich, aber wie dicht muss es denn eigentlich sein? Wie lange sollte es idealerweise dauern, bis man zum nächsten Ladepunkt kommt?
E-Autos haben in der Regel eine Reichweite von 300 bis 400 Kilometern. Der übliche Autofahrer in Österreich fährt nicht mehr als 40 Kilometer am Tag. Ziel ist es, glaube ich, alle 60 Kilometer eine Schnellladestation zu haben. Unser Ziel ist es, dass ein normaler Elektrofahrer problemlos seine üblichen Urlaubsreisen oder seine täglichen Fahrten mit unserem Netzwerk abdecken kann.
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Wenn das entsprechende Ladenetz da ist, läuft Ihr Sektor dann nicht Gefahr, übersättigt zu werden?
Natürlich wird es vielleicht in ein paar Jahren eine gewisse Konsolidierung geben. Das ist auch üblich bei solchen stark wachsenden Märkten. Doch wir sind noch weit weg von einer Übersättigung.
Eine große Herausforderung der E-Mobilität sind die in letzter Zeit stark gestiegenen Strompreise. Wie reagiert Electra auf diese Entwicklung und wie sind am Ende die Endkund:innen betroffen?
Wir haben eine eigene Energieabteilung in Frankreich gegründet, die auf den jeweiligen europäischen Märkten, auf denen wir tätig sind, auch Energieverträge abwickelt, durch die wir Sicherheit haben, dass wir solche großen Schwankungen überleben und den Strompreis für Kund:innen so stabil wie möglich halten können. Natürlich haben wir mit der Ukraine-Krise Schwankungen mehr gespürt. Aber sollte keine neue, unerwartete Krise ausbrechen, sollte der Preis im Gleichgewicht bleiben.
Electra scheint viel Vertrauen in den österreichischen Markt zu haben. Ist Österreich ein guter Markt für Elektromobilität und E-Ladenetze?
Ja, wir merken, dass die Österreicher:innen sehr umweltbewusst sind. Der Energiemix in Österreich ist einer der besten in Europa in Bezug auf Green Energy. Die E-Mobilität nimmt auch massiv zu und es wird weiterhin in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert, auch durch Förderungen. Der Markt steht noch am Anfang und kann sehr groß werden, gleichzeitig unterstützt der Staat das Wachstum. Deshalb war es auch sehr wichtig für Elektra, so schnell wie möglich in Österreich aktiv zu werden.
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