„Österreich ist doch selbst noch ein Start-up.“
Sie ist die Grande Dame der österreichischen Start-up Szene. Selma Prodanovic, im Jahr 1991 aus Bosnien nach Wien gezogen, mischt seit der Gründung ihrer Firma Brainswork im Jahr 2005 die österreichische Hauptstadt mit Tatkraft, Kreativität und Freude am Unternehmertum auf.
Als „Business Angelina“ hat sie bereits über 400 Unternehmen als Mentor, Coach oder Investor begleitet. Ihre jüngsten Projekte sind die Agentur Startaparat, die Angebote speziell für Start-ups anbieten will und bei der Prodanovic im Beirat sitzt, und ihr Engagement bei der Initiative 1millionstartups, die es sich zur Aufgabe gemacht hat Entrepeneurship auf der ganzen Welt zu fördern und zu unterstützen.
Ein Gespräch mit einer Unternehmerin, deren Leidenschaft es ist immer wieder neu anzufangen.
Startaparat – eine Agentur für Start-ups
„Die meisten Gründer denken was Kommunikation betrifft nicht strategisch oder langfristig.“
Trending Topics: Frau Prodanovic, warum braucht es eine Agentur wie Startaparat und was ist Ihre Motivation, dieses Projekt aktiv zu unterstützen?
Selma Prodanovic: Nun ich denke, dass das Thema effiziente Kommunikation extrem spannend und wichtig für Start-ups ist. Große Agenturen sind es meist gewöhnt mit großen Budgets große Kampagnen durchzuführen. Das entspricht jedoch ganz und gar nicht dem, was Start-ups brauchen. Deshalb wollen wir mit Startaparat maßgeschneidertes Pakete mit Branding, effizienter Kommunikation und Sales-Strategie anbieten – sozusagen ein Start-up für Start-ups.
TT: In welchem Bereich sehen Sie konkret den größten Bedarf?
Prodanovic: Man hat oft das Gefühl, die Jungen von heute kennen sich eh aus mit Themen wie Social Media oder moderner Kommunikation. Das ist punktuell auch durchaus der Fall, aber die meisten Gründer denken in diesem Bereich nicht strategisch oder langfristig und sind sich auch kaum bewusst, dass eine durchdachte Corporate Identity zentral für den Erfolg eines Unternehmens ist. Da fehlen oft die Basics.
TT: Werden sich Jungunternehmen solche Services überhaupt leisten können und wollen?
Prodanovic: Davon bin ich überzeugt, denn sowohl wie wir die Start-ups aussuchen, die wir beraten, als auch die Zahlungsmodelle sind genau darauf zugeschnitten. Wenn wir mit einem Unternehmen zusammenarbeiten, müssen wir zuerst selbst von der Idee und dem Team überzeugt sein. Im nächsten Schritt gehen wir dann Bezahlungsmodelle durch, vom Zeichnen von Beteiligungskapital zu Teilzahlung und Ratenzahlung durch, um der spezifischen Situation des Start-ups gerecht zu werden. Natürlich ist das auch für uns ein Lernprozess, aber wir sind bereit dazu zu lernen.
Start-up Stadt Wien
„Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Als Start-up Nation ist Österreich selbst noch ein Start-up.“
TT: Startaparat wurde hier gegründet, die meisten Ihrer anderen Aktivitäten gehen auch von Wien aus. Was hat sich in den letzten Jahren in der Stadt getan und was braucht es, um weiter voranzukommen?
Prodanovic: Seit 2009 hatten wir in Wien eine fantastische Entwicklung, wir sind aber auch mit erheblichem Rückstand gestartet. Die Aufholjagd der letzten sieben Jahre war beeindruckend, aber es braucht noch sehr viel, um zu Start-up Metropolen wie London oder Berlin aufzuschließen. Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Als Start-up Nation ist Österreich selbst noch ein Start-up.
TT: Wo sind die Defizite momentan noch am größten?
Prodanovic: Das nächste Level betrifft vor allem die Verfügbarkeit von Beteiligungskapital, Wagniskapital und die Möglichkeit von IPOs. Während wir bei der ersten Stufe der Finanzierung von Start-ups schon sehr stark sind, fehlen uns für den nächsten Wachstumsschritt bisher sowohl Erfahrung als auch die notwendige Infrastruktur.
TT: Was kann man tun um diesen Zustand zu verbessern?
Prodanovic: Ein wesentlicher Fokus der AAIA (Austrian Angel Investors Association, Anm.) ist es, privates Kapital in Österreich zu mobilisieren. Viele erfolgreiche Geschäftsleute in ihren 50ern und 60ern verfügen über wertvolle unternehmerische Erfahrung und Kapital, bei jungen IT-Unternehmern nach ihrem ersten großen Exit ist es ähnlich. Diesen Gruppen wollen wir zeigen, wie viel Spaß es machen kann, sich bei anderen Start-ups konstruktiv einzubringen.
TT: Viele traditionelle Unternehmer könnten von der Schnelllebigkeit der Start-up Szene abgeschreckt sein. Wie kann man diese überzeugen, ihre Zeit und ihr Geld in Jungunternehmen zu investieren?
Prodanovic: Indem man sie einlädt, sich mit anderen Business Angels auszutauschen und sich deren Portfolio-Strategien anzuschauen, sowie gerade am Anfang auf Co-Finanzierungen mit erfahrenen Investoren setzt. Die AAIA ist genau für diesen Austausch da. Darüber hinaus wollen wir Interessierte aber vor allem ermutigen, nicht nur Investoren – die hauptsächlich dem Prinzip „cash in, cash out“ folgen – zu sein, sondern Business Angels. Diese bringen neben dem Finanzkapital auch ihr soziales Kapital in Form von Netzwerken und ihr human capital durch ihre Erfahrung und ihr Knowhow ein. Jungunternehmen mit solchen Begleitern sind nachweislich weit erfolgreicher in ihrer Entwicklung.
Die Zukunft gehört einer Million Start-ups
„Wenn man es hier geschafft hat, kann man es überall schaffen!“
TT: Was treibt Sie persönlich an, sich so intensiv mit Start-ups zu beschäftigen?
Prodanovic: Ich bin begeisterte Entrepeneurin. Wenn ich ein Problem sehe, möchte ich eine Lösung finden und arbeite aktiv daran sie umzusetzen. Strategien zu entwickeln, neuen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen und junge Unternehmer zu unterstützen ist meine große Leidenschaft. Ich verstehe Entrepeneurship übrigens ganzheitlich, also auch ein Mitarbeiter, ein Beamter oder ein Politiker kann in seinem Bereich Schaffenskraft und Veränderungswillen zeigen und damit innovative Ideen vorantreiben. Davon brauchen wir viel mehr!
TT: Sie haben die Initiative 1millionstartups initiiert, die global aktiv ist. Was erhoffen Sie sich von dieser Initiative?
Prodanovic: Das Potential in so vielen Regionen ist riesig, nicht nur im aufstrebenden Asien oder in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Mittel- und Südosteuropa. Wir erleben gerade Afrikas „discovering momentum“ – immer mehr Leute dort und rund um die Welt sehen, dass Unternehmertum funktioniert und bilden eine globale Gemeinschaft von Entrepeneurs. Was alle eint, ist ihre lösungsorientierte, flexible Denkweise. Die Initiative 1millionstartups soll dabei als globaler Inkubator dienen, der inspiriert, Wissen und Erfahrung bereitstellt und schließlich weltweit 100 Millionen Euro in Start-ups investiert.
TT: Kann so ein ambitioniertes Projekt funktionieren?
Prodanovic: Absolut! Wir müssen uns nur anschauen, was in den letzten 7 Jahren in Wien entstanden ist. Wenn man es hier geschafft hat, kann man es überall schaffen!
Am Freitag erscheint die Langfassung des Interviews in der Printausgabe des Horizont.