Firmenkultur

Sexismus und Belästigung: „Bro Culture“ auch in der österreichischen Startup-Szene ein Problem

Resist Bro Culture! © Trending Topics
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“Sexfalle Start-up” – so titelte die Bild am Sonntag am vergangenen Wochenende. Unterzeile: “Doppelt so viele Übergriffe wie in traditionellen Unternehmen. 25 Prozent der Täter sind Frauen.” Basis des Berichts ist eine Studie des Marktforschungsunternehmens Innofact aus Düsseldorf. Sie befragten im Auftrag des Axel Springer Verlags, zu dem Bild am Sonntag gehört, in zwei unterschiedlichen Panels 1.200 Frauen. 1.000 von ihnen arbeiten in traditionellen Unternehmen, 200 in Startups. Das Ergebnis: Die Zahl der Belästigungen ist der Befragung zufolge in Startups doppelt so hoch wie in traditionellen Unternehmen.

“Über die Hälfte der Frauen (54 Prozent), die in Startups arbeiten, erinnern sich daran, in den vergangenen 12 Monaten Ziel anzüglicher Kommentare und Witze gewesen zu sein. Ein Drittel erlebte unerwünschte Berührungen, 27 Prozent unerwünschte Berührungen und Umarmungen”, heißt es in der Studie. Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups, kündigte bereits an, die Studie zum Anlass zu nehmen, um Problemlösungen zu erarbeiten.

Unter den Gründern in Deutschland und Österreich sind Frauen deutlich in der Minderheit. Dem European Startup Monitor 2016 zufolge sind nur 7,1 Prozent der österreichischen Gründer weiblich, 2015 waren es noch 15,5 Prozent. In Deutschland sind der Studie zufolge 14,8 Prozent der Gründer Frauen.

“Bro Culture” beschreibt die Verhaltensweise einer homogenen Gruppe Männer, die ähnliche Wertvorstellungen teilen. In der Tech-Industrie etablierte sich “brogrammer” als Synonym für die einsamen Horden in den eigenen Reihen.

Ausschluss aus sektor5

Ist die “Bro Culture”, die fallweise in Sexismus und Belästigungen ausartet, auch in Österreich ein Problem? “In der österreichischen Szene sind mir viele Fälle bekannt. Das geht von sexistischen Witzen bis hin zu Grapschen. Anders als in Berlin, wo Leute wegen Shitstorms wirklich stigmatisiert werden, werden in Österreich diese Fälle schnell wieder vergessen”, sagt Florien Drees, Leiterin des Wiener Startup-Hubs sektor5.

Ihr zufolge wäre schon einmal ein Gründer wegen unangemessenem Verhalten aus den Räumlichkeiten des Coworking Space ausgeschlossen worden, ein anderer sei von einer Stammtisch-Veranstaltung verwiesen worden. Zudem wären Grapschen, übereifrige Umarmungen und sexistische Witze in der Szene nicht selten – oft dann, wenn der Überhang an Männern auf Alkohol treffe. Über die Vorfälle beschweren sich laut Drees allerdings nur selten die betroffenen Frauen selbst, sondern vielmehr Männer, die solche Situationen beobachten.

Startup-Szene für außenstehende Frauen „abschreckend“

„Auch wenn die Studie nur bedingt repräsentativ ist, sind das Besorgnis erregende Zahlen. Ich war bisher noch mit keinen vergleichbaren Fällen in Österreich konfrontiert”, sagt Markus Raunig, Geschäftsführer von AustrianStartups. “Aber als Community sollten wir auch internationale Fälle wie Uber zum Anlass nehmen, um kritisch zu hinterfragen, ob wir alles dafür tun, dass sich eine solche Unternehmenskultur bei uns erst gar nicht entwickelt.“

„Die Startup-Szene wirkt für außenstehende Frauen ziemlich abschreckend“, sagt Lisa-Marie Fassl, die sich in der Initiative Female Founders für Frauenthemen in der Gründerszene engagiert. „Diese Männersprache mit Altherren-Witzen und Schulterklopfen. Für viele Founder und Investoren ist nicht klar, welche Aussagen in Ordnung sind und welche schon eine Anzüglichkeit bedeuten. Ich denke, da passiert viel unterbewusst. Auch wenn Frauen ins Team kommen, können sich Dynamik und Gesprächskultur oft ins Negative ändern.”

In Österreich gelten anzügliche Witze, Bemerkungen über Figur oder sexuelles Verhalten im Privatleben, eindeutige Äußerungen, unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht, Telefongespräche, E-Mails oder SMS-Nachrichten mit sexuellen Anspielungen, Versprechen von beruflichen Vorteilen bei sexuellem Entgegenkommen oder zufällige/gezielte körperliche Berührungen als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Mehr Infos unter www.help.gv.at

Fassl spricht sich gegen eine Kultur des Schweigens aus. “Dieses Thema ist für Frauen unangenehm, weil die Szene so klein ist. Wir bieten an, dass sich Betroffene gerne bei uns melden können. Wir vertreten die Anliegen der Frauen innerhalb der Szene und da gehört dieser Punkt natürlich mit dazu”, sagt Fassl. In der Austrian Angels Investors Association (aaia), wo Fassl als Geschäftsführerin tätig ist, wird bald in einem “Code of Conduct” auf den korrekten Umgangston in Wort und Schrift hingewiesen.  

Konsequenzen im Silicon Valley

Die “giftige Atmosphäre” der Bro Culture beschäftigt zur Zeit auch das Silicon Valley. Laut einer Umfrage von „Elephant in the Valley“ sind 87 Prozent der 220 befragten Frauen aus der Bay Area Opfer sexueller Belästigung ihrer männlichen Kollegen geworden. 40 Prozent trauten sich aus Angst um ihre Karriere nicht, die erlebten Situationen ihren Vorgesetzten zu schildern.

Die bekanntesten Fälle: Uber-Gründer Travis Kalanick musste sich nebst anderen Vorwürfen auch aufgrund von Beschwerden über sexueller Belästigung und Sexismus in seiner Firma vom CEO-Posten zurückziehen. Mit ein Grund für den Skandal um eine von Männern dominierten, aggressiven Firmenkultur war der Blog-Post der ehemaligen Mitarbeiterin Susan Folwer. Das wertvollste Startup der Welt feuerte schließlich 20 Mitarbeiter wegen Sexismus und Diskriminierung.

Ein weiterer Fall, der ernste Folgen hatte: Sechs Gründerinnen warfen dem Investor Justin Caldeck von Binary Capital sexuelle Belästigung vor. Caldeck hat nach einer öffentlichen Entschuldigung seine Firma offiziell verlassen, drei weitere Partner stiegen ebenfalls aus. Das Closing des neuen Fonds in der Höhe von rund 75 Millionen Dollar musste im Zuge des Skandals verschoben werden.

Ähnlich erging es dem Github-Gründer Tom Preston-Werner. Er musste 2015  abdanken, nachdem gegen ihn wegen sexueller Belästigung ermittelt wurde. Ein Jahr zuvor verklagte die ehemalige Tinder-VP of Marketing Whitney Wolfe die Dating-App,weil ihr Chef sie mehrmals übelst beschimpfte. Sie erkämpfte sich 800.000 Euro und gründete danach erfolgreich die Dating-Plattform Bumble, die es nur Frauen erlaubt, die Unterhaltung mit den Männern zu starten.

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