Gastbeitrag

Sharing is caring?! Über den fragwürdigen Umgang mit Kinderfotos im Web

Würden Erwachsene machen, was mit Kindern gemacht wird? © Delia Baum
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Katharina Hochwarter arbeitet als Medientrainerin zum Thema Digitale Kompetenz in Schulen und in der Erwachsenenbildung und als Sozialarbeiterin in der Kinder- und Jugendmedienarbeit. In ihrer Magisterarbeit an der Universität Wien untersuchte sie die Auswirkungen von Sharenting in Hinblick auf die (digitale) Beziehung zwischen Eltern und Kindern. In diesem Gastbeitrag beschreibt Hochwarter, was mit Kinderfotos im Web passiert.

Milliarden von Kinderfotos werden mittlerweile weltweit in sozialen Netzwerken geteilt und das sogenannte Sharenting – oder auch Over-Sharenting (Begriffskombination aus „Sharing & Parenting“) nimmt dabei jährlich international weiter zu. Rund 500 Fotos sind von einem fünfjährigen Kind mittlerweile durchschnittlich online – das Teilen aktueller Fotos und Videos von Kindern im Internet stellt Eltern vor neue Probleme und Herausforderungen. Alleine in Österreich werden jährlich 37 Millionen Kinderfotos im Netz von Eltern geteilt.

Dabei entstehen viele Fragen zu Risiken im Hinblick auf den Datenschutz der Kinder, zu digitalen Kinderrechten und zu Aspekten des Urheberrechts. Die „Digitale Geburt“ von Kindern beginnt damit oftmals schon im Mutterleib – mit dem Teilen der Ultraschallfotos durch die Eltern in unterschiedlichen Kanälen wie Facebook oder Instagram. In weiterer Folge teilen Digital Parents die Bilder ihrer Kinder in Gruppen, Messenger, Stories und in privaten Profilen in den sozialen Medien. Durch die zunehmende Mediatisierung des häuslichen und auch des institutionellen Umfelds (in Kindergärten, Schulen) ergeben sich damit Fragen, die den Kinder- und Jugendschutz im digitalen Raum und auch im Umfeld der Kinder durch die geteilten Fotos betreffen.

First (digital) Footsteps

In einer Zeit, in der alles online und digital ist, beginnt unsere Identität längst schon vor den ersten Schritten. Selbst ungeborene Kinder sind bereits online, ohne dass sie etwas tun können: Ultraschallfotos werden geteilt und es gibt bereits Tools (ähnlich wie eine Smartwatch), durch die man Daten vom Kind (Herzschlag) schon vor der Geburt in sozialen Netzwerken teilen kann. Auch der (digitale) Werbemarkt weiß oft schon alleine durch das Kaufverhalten, dass eine Frau schwanger ist.

Manchmal noch bevor es die Frau selbst weiß. Leaver und Highfield fanden heraus, dass rund 14.000 Hashtags jährlich zu dem Hashtag #ultrasound (Ultraschall) auf Instagram mit Fotos aus dem Mutterleib verfügbar sind, diese Bilder der Schwangerschaft sind auch zum Teil über Schwangerschaft-Apps direkt mit sozialen Medien verknüpft und können so direkt geteilt werden.

„Say Instagram, Baby!”

Bei zwei Drittel aller Fotos auf Kinderporno-Seiten vermuten DatenschützerInnen mittlerweile bereits den Ursprung der Kinderfotos in sozialen Netzwerken. Eine Entwicklung, die die Frage aufwirft: Was haben Fotos von Kindern überhaupt auf sozialen Netzwerken zu suchen – besonders, wenn Kinder nicht über ihre Präsenz selbst bestimmen können?

Denn das Phänomen Sharenting kann später zu Konflikten führen, besonders wenn Kinder nicht damit einverstanden sind. Wie eine österreichische Studie von Saferinternet.at zeigt, beschweren sich 17 Prozent der Kinder, dass ein Elternteil oder ein anderer Erwachsener in ihrem Umfeld „digitale bzw. internetfähige Geräte zu oft nutzt“.

Internationale Studien belegen, dass es durchaus unterschiedliche Perspektiven über die Herausforderungen im Umgang mit Kinderfotos gibt. Während die Rechtslage in Frankreich hohe Geldstrafen für geteilte Kinderbilder auf Facebook vorsieht, wenn Kinder mit den geposteten Fotos nicht einverstanden sind, sind in den USA mittlerweile auch Kindergärten via Video-Apps mit den Eltern verbunden. Der Nachwuchs kann damit von Eltern tagsüber aus der Ferne beobachtet werden.

Zwischen „Mompreneurs“ und dem digitalen Familienalbum

© Delia Baum
© Delia Baum

Das Teilen von Kinderbildern ist mittlerweile schon weit mehr als eine Entwicklung, die private Familienalben in den digitalen Raum trägt. Bloggende Eltern bezeichnen sich oftmals selbst als Mompreneurs – oder Daddypreneus – und sehen hinter dem Teilen der Kinderfotos ein neues Geschäftsmodell. Sie machen damit mit den Werbebildern, Stories und Videos ihrer Kinder Umsatz.

Auch hier ist neben der Kennzeichnung von Werbung noch keine Regelung vorhanden, die ähnlich wie im kommerziellen Werbemarkt klare Vorgaben zu Intensität und Umgang mit Kinderfotos vorsieht. Wenn Kinder von Mompreneuers allerdings nicht geteilt werden (wollen), kommen bei Eltern-BloggerInnen und InfluencerInnen allerdings des öfteren auch Kinder-Models zum Einsatz, die über Agenturen gebucht werden und somit den „Instalife“-Familientisch auch für UserInnen und KooperationspartnerInnen authentisch zeigen sollen.

Das Phänomen Sharenting wirft damit einige Fragen auf: Wo und wann beginnt die Meinungsfreiheit und die Entscheidungsfreiheit der Eltern und Erwachsenen? Wo beginnt die Privatsphäre der Kinder? Sollten Kinder nicht auch – im Sinne der Mediendemokratie – Teil des Internets sein? Sollte man nicht das Recht haben neue innovative Familienmodelle authentisch online zu zeigen? Wie kann ein sicherer Umgang mit Kinderbildern – oder digitale Informationen über Kinder aussehen – welche Möglichkeiten gibt es dabei?

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