Silana: Wiener Startup mit Näh-Roboter holt 1,5 Mio. Euro – vor allem in den USA
Warum fragt man sich, wurde das eigentlich nicht schon längst erfunden? Denn wenn Anton Wohlgemuth (CTO), Michael Mayr (COO) und Michael Hofmannrichter (CEO) vom Wiener Startup Silana über ihren Näh-Roboter erzählen, dann ergibt vieles Sinn: Zurückholen der Textilproduktion nach Europa und die USA, Vermeidung von prekären Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern, Recycling von Stoffen, neue Geschäftsmodelle, und dann auch noch schneller als der Mensch – für Silana sprechen viele Punkte. Dachten sich auch der DeepTech-Investor SOSV aus den USA, der Oberösterreichische Hightech-Fonds und prominente Business Angels, als sie 1,5 Mio. Euro in das Mitte 2022 gegründete Startup investierten.
Michael Hofmannrichter spricht im großen Interview mit Trending Topics zu Funktionsweise und Potenzial des Näh-Roboters, über Nearshoring der Textilindustrie und darüber, warum die Technologie noch geheim gehalten werden muss.
Trending Topics: Ihr habt ein Labor in Wien, wo dieser Nähroboter entsteht. Es gibt noch keine Bilder davon, aber kannst du uns mal in Worten erklären, wie schaut so ein Nähroboter aus?
Michael Hoffmanrichter: Um kurz auszuholen, weil viele von euch werden es vermutlich gar nicht wissen, aber aktuell werden wirklich 100 Prozent aller Kleidungsstücke per Hand hergestellt. Und das hat eben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass man immer weiter abgewandert ist, also Richtung Südostasien und heute sogar Richtung Afrika. Und wir möchten das Ganze wieder nearshoren. Wir haben dafür eben diesen ersten, vollautomatisierten Ansatz entwickelt, um Kleidung automatisch herzustellen. Wir starten mit einer T-Shirt-Produktion bereits im kommenden Jahr bei den ersten Kunden.
Es gibt Roboter ohne Ende da draußen, Staubsauger-Roboter, auch Tesla hat einen humanoiden Roboter. Wie schaut euer denn aus? Wie kann man sich das vorstellen?
Man kann es sich im Endeffekt als eine Linie vorstellen, ungefähr drei Meter mal drei Meter groß, ein zentrales Steering-Instrument, und hier wird wirklich jeder einzelne Nähschritt vollkommen automatisiert vorgenommen. Es ist also kein humanoider Roboter, der jetzt einen Nähschritt macht, sondern eine zentrale Linie, die jeden Schritt übernimmt.
Werden da im Sekundentakt die T-Shirts ausgespuckt?
Im Sekundentakt ist das Ganze noch nicht abzuarbeiten. Mit Handarbeit benötigt es doch noch acht bis neun Minuten in einer optimierten Produktion. Da werden wir mit den Erstmaschinen bereits in kürzeren Taktzeiten arbeiten, um das Ganze eben in Österreich, Deutschland, Europa und auch in den USA zu ermöglichen.
Die Nähmaschine, wie wir sie kennen, ist ja schon jahrhundertealt, sie wurde Ende 18., Anfang 19. Jahrhundert erfunden. Eigentlich würde man denken, dass der Nähroboter eh schon mal erfunden wurde. Warum ist das bis dato noch nicht passiert? Warum müsst ihr das jetzt machen?
Da gibt es ein paar Gründe dafür. Einerseits ökonomisch, andererseits auch aus technologischer Perspektive. Um mit zweiteren zu starten: Robotics und AI sind aktuell einfach Riesenthemen. Und damit sinken auch die Preise und es steigen die Möglichkeiten, die man mit der Technologie hat. Es hat uns technologisch reingespielt vor vier Jahren, wie wir damit gestartet haben mit Silana, um im Endeffekt Textilien, die sehr flexibel sind, heutzutage auch handhaben zu können mit unserer Technologie. Die ökonomische Perspektive: Handarbeit ist halt super günstig gewesen und die großen Brands wurden auch nicht dafür verantwortlich gemacht, wenn mal etwas schief geht. Heute mit der CS3D (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, Anm.) in der EU, und ähnlichen Initiativen in den USA, die Unternehmen für ihre Nachhaltigkeits-Claims verantwortlich machen, tut sich in der Richtung einiges.
Bis dato war es für Kleidungshersteller einfach so billig und auch straffrei, in Südostasien unter schlimmen Bedingungen, oft mit Kinderarbeit zu produzieren?
Da muss man differenzieren zwischen den Produzenten und den Brands. H&M etwa betreibt keine eigene Produktion, sondern bezieht von Lieferanten, die wiederum Sublieferanten haben. Das ist eine super komplexe Lieferkette in der Bekleidungsindustrie. Das heißt, da einen 100 Prozent transparenten Überblick zu haben, ist immens schwierig und damit war es für die Brands auch gar nicht immer möglich, da komplett in die Tiefe zu gehen. Es war halt auch leider nicht immer von Interesse, das zu tun, weil dann deckt man halt auch, ja, fahrlässige Arbeitsbedingungen auf. Man deckt Kinderarbeit auf und es ist schwierig, damit umzugehen.
Das heißt, diese großen Brands sind vielleicht irgendwann einmal eure Kunden, also wenn H&M, um bei dem Beispiel zu bleiben, sich dafür entscheidet, die Produktion zurück nach Europa zu holen, dann könnten sie das mit euren Nährobotern machen?
Ja, absolut. Wir fokussieren uns aber eher auf die Produzenten selbst. Unsere Kunden sind quasi die Tier-One-Produzenten von den großen Brands. Mit diesen arbeiten wir zusammen, weil die haben richtig Innovationskraft, die wollen Veränderung, die wollen auch Nearshoring betreiben und dafür bietet Silana die Möglichkeit. Wir kooperieren gar nicht direkt mit den Brands.
Euer Roboter muss so günstig produzieren können, um die Billiglohn-Arbeiterinnen in Südostasien unterbieten zu können?
Wir sehen aktuell wirklich diesen Trend zu einer nachhaltigen, aber auch On-Demand-Produktion. Das heißt, diese ersten wirklich tollen Unternehmen, die teilweise noch in Europa, teils in der USA produzieren, haben die Bereitschaft, etwas teurere Preise zu bezahlen, stückbezogen aufs T-Shirt zum Beispiel. Wir müssen jetzt gar nicht unmittelbar in die Konkurrenz mit Vietnam und Bangladesch treten. Wir fokussieren uns wirklich aktuell noch auf die bestehenden Produzenten in Europa und der USA.
Wie wird der Endkonsument das mitbekommen? Könnte das auch ein Gütesiegel sein? Produced by Silana Robots im Unterschied zu Kinderarbeit und Co.?
Natürlich, es kann auf jeden Fall ein starker Marketing-Wert sein, diese regionale Produktion zu promoten und dass wir hier wirklich der Enabler sein können und dürfen, das macht uns natürlich sehr stolz und dafür kämpfen wir tagtäglich mit Silana. Wir haben uns das Ziel gesetzt, eine Milliarde Kleidungsstücke pro Jahr regional produzieren zu können. Wir wollen in Wirklichkeit eine On-Demand-Produktion massentauglich machen und damit zum Beispiel die Überproduktion, die heutzutage 30 Prozent beträgt, gänzlich abschaffen und damit die Textilindustrie wieder nachhaltiger machen.
Ein Kleidungsstück wird erst genäht, wenn ich es zum Beispiel in einem Online-Shop bestelle, ist das dann auch denkbar?
Das ist absolut denkbar, es geht uns wirklich genau darum. Also vielleicht ganz kurz wiederum aus dem Nähkästchen geplaudert, für so ein T-Shirt braucht es aktuell in der Produktion rund sechs Monate an Vorlaufzeit. Teils planen die Brands ein Jahr im Vorhinein die Mengen ein, die sie sourcen werden und wenn man das Ganze zurück nach Europa, zurück in die USA verlagert, dann kann man das Ganze in maximal wenigen Wochen regional handhaben.
Da tun sich ganz neue Möglichkeiten wie Personalisierung auf. Jeder hätte am liebsten das maßgeschneiderte T-Shirt. Ist das auch dann damit möglich?
Das ist ursprünglich die Herkunft von Silana. Wir wollten ursprünglich den Designprozess demokratisieren, also jedem Individuum die Möglichkeit geben, hier einzusteigen, konnten es aber aufgrund dieser langen Vorlaufzeit nicht bewerkstelligen. Aus dieser Überlegung hinaus ist eigentlich Silana vor knapp dreieinhalb Jahren entstanden, um eine regionale Produktion wieder möglich zu machen. Das war der einfache Hintergedanke, als Anton, Michi und ich Silana gegründet haben.
Es ist auch eines eurer Ziele, das Problem der prekären Arbeitsbedingungen zu lindern. Wenn die Roboter die Arbeit übernehmen, was bleibt dann den Menschen über, die dort ja teilweise abhängig sind von diesen Jobs?
Wir fokussieren uns ja ganz stark auf die Produktion, die bereits heute in Europa und den USA stattfindet. Die haben Riesenprobleme, dass sie die qualifizierten Arbeitskräfte für diesen Bereich heute finden. Und selbst in China, das ja vor noch wenigen Jahren als Textilhochburg bezeichnet wurde, ist es heute extrem schwierig, Textilfabriken hochzuziehen. Einerseits aus Kostengründen, aber andererseits auch, weil mit dem steigenden Wohlstand niemand mehr die Arbeit machen wollte. Es ist halt sehr, sehr repetitive Arbeit, in gebückter Haltung und sehr schwierig. Langfristig kann das Ganze ein Thema werden und da diskutieren wir heute schon mit diversen Experten, Expertinnen aus dem Bereich, um da frühzeitig Schritte zu setzen, um Bangladesch, Vietnam auch zu unterstützen.
Wie ist euer Startup derzeit aufgestellt?
Wir sind aktuell zu siebt, mit ganz starkem Fokus natürlich auf die Technologie. Jetzt wird auch gerade das Team noch stark aufgestockt im Zuge der letzten Finanzierungsrund. Wir sind super happy, dass wir gerade eine 1,5 Millionen Euro Pre-Seed-Runde rein aus Eigenkapitalgebern zusammenstellen durften. Der Hauptbestandteil kam us den USA mit SOSV, einem der größten Hardware-VCs weltweit, einer US-Milliardärsfamilie, aber auch unter österreichischer Beteiligung vom oberösterreichischen Hightech-Fonds. Außerdem sind super starke Angels dazugekommen, etwa die waterdrop-Gründer Martin und Henry Murray und der Sequoia Scout und ex-CGO von N26 Alexander Weber.
Wir haben ja auch schon die ersten Kunden in den USA, das Headquarter ist aber weiterhin in Österreich und wir sind sehr dankbar, auch hier sein zu dürfen. Aber ich muss einfach sagen: Das Thema DeepTech, Produktion, Automatisierung, Robotics ist in Europa offensichtlich noch mit etwas Zurückhaltung betrachtet worden, während in den USA direkt hineingestartet wurde.
Was sind jetzt die nächsten Schritte? Was macht man mit diesen 1,5 Millionen und vor allem, ganz spannende Frage: Wann kann man das erste Mal diesen Nähroboter auch in der Öffentlichkeit sehen?
Die 1,5 Millionen laufen wirklich rein in die Technologie. Wir haben auch schon ein starkes Patentportfolio aufgebaut, das kostet natürlich auch eine Stange Geld, aber aktuell bringen wir das Team auf 12 bis 13 Personen, bunt durchmischt zwischen Software und Hardware, um im kommenden Jahr bereits die ersten Maschinen auszuliefern. Da gibt es zum Beispiel den österreichischen Partner Löffler, der eine der letzten Produktionen in Österreich betreiben. Da sind wir super stolz drauf, auch österreichische Partner an Bord zu haben. Aber wir haben auch schon mehrere Maschinen im europäischen Umland und auch in der USA verkauft und sprechen bereits mit den ganz großen Produzenten weltweit, um Silana langfristig skalieren zu können.
Man weiß ja, Hardware-Startups habe es oft doppelt so schwer wie Software-Startups. Man braucht oft mehr Geld, es sind längere Entwicklungszeiten. Was sind da so die großen Schritte, die ihr setzen müsst, um wirklich skalieren zu können?
Also ich glaube, wir sind in diesem Bereich wirklich ein Ausnahmefall. Wir konnten sehr, sehr früh einen funktionierenden Prototypen aufstellen. Das heißt, wir können bereits unseren Kunden, unseren Investoren die Maschine präsentieren, und jetzt geht es im Endeffekt nur noch darum, die Taktzeiten etwas zu verkürzen, die Reliability etwas zu erhöhen, um das Ganze eben marktfertig zu machen. Ein paar Anpassungen für die einzelnen Kunden und das Ganze dann standardisiert auf den Markt zu bringen. Das sind so die Schritte, die man setzen muss. Spezifische Einsichten zur Technologie darf es jetzt leider in der aktuellen Phase noch nicht geben.
Zum Geschäftsmodell: Verkauft ihr diese Maschinen dann per Stück an die Partner oder denkt ihr über neuere Geschäftsmodelle nach? Es gibt ja auch Pay-Per-Use-Modelle.
Darüber haben wir uns natürlich generell große Gedanken gemacht. So viel darf ich verraten: Wir haben die ersten Maschinen vorverkauft, auch vertraglich zugesichert und auch mit den ersten Anzahlungen. Langfristig wird das Ganze eher Pay-Per-Use werden. Silana nimmt eine Fee pro produziertem T-Shirt.
Es werden neue Stoffe spannender, die alternativ zu herkömmlichen Stoffen eingesetzt werden. Es gibt etwa Schuhe aus Pilzleder Sind das auch Themen, die euch interessieren?
Absolut. Das liegt ja ganz, ganz nah bei meinem Herzen. Dadurch, dass ich ja doch längere Zeit für und mit der Lenzing gearbeitet habe, ist uns die Inklusion neuer und nachhaltiger Materialien unglaublich wichtig. Also Viskose kann zum Beispiel mit unseren Maschinen definitiv langfristig verarbeitet werden. Um da vielleicht noch ein bisschen mehr Einblick zu geben, warum uns das Thema zusätzlich wichtig ist, ist im Endeffekt der Ressourcenverbrauch. Textil-Recycling ist keine gängige Technologie, und das ist ein unglaubliches ökologisches Problem. Für uns geht es in erster Linie um Ressourcen-Vermeidung und in zweiter Linie um die Inklusion, um langfristig diese zweit CO2-stärkste Industrie weltweit ein Stück weit nachhaltiger zu machen.
Recycling von alten Stoffen ist auch ein wichtiger Teil eures Konzepts?
Es ist im Design der Maschine mitgedacht, das Ganze in der Lieferkette mitzuverfolgen und damit auch Daten den zukünftigen Recyclern zugänglich zu machen, wenn sie Produkte von Silana zum Recycling bekommen.
Das Interview gibt es auch im Trending Topics-Podcast zum Anhören:
Silana: Die Neuerfindung der Nähmaschine – mit CEO Michael Hofmannrichter