Blockchain Basics

Smart Contracts – Das Ende der Bürokratie?

Wer schafft das bessere Regelwerk für ICOs? © flickr.com_CC BY 2.0_Christian Schnettelker
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Wir wollen abseits der Goldgräberstimmung um die Kryptowährungen auf die Hintergründe der Zukunftstechnologie Blockchain eingehen. In dieser neuen Reihe erklären wir die Basics: Was sind die Unterschiede zwischen den beiden größten Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum? Welche Auswirkungen wird die Blockchain auf den Arbeitsmarkt haben? Wie funktioniert die Blockchain im Alltag? Heute der vierte Teil: Smart Contracts – Das Ende der Bürokratie?

Jeder kennt sie. Von Kindesbeinen an sind sie uns in Fleisch und Blut übergegangen. Die Rede ist von Smart Contracts. Stimmt nicht? Doch, stimmt. Denn wer die klugen Verträge für eine Erfindung des Informationszeitalters hält, liegt tatsächlich falsch. Sie heißen heute nur anders. Weil immer alles komplizierter klingen muss heutzutage. Internationaler. Aber es gibt sie schon lange. In ihrer niedersten Form hingen sie über Generationen an jeder zweiten Häuserecke: Zigarettenautomaten. Geld rein, Zigaretten raus. Eine simple wenn-/dann-Beziehung. Wenn man Geld in den Automaten steckt, dann kann man Zigaretten ziehen. Leistung und Gegenleistung. Was den Vertrag so smart macht, ist der Verzicht auf einen Mittelsmann, in diesem Fall den Kioskverkäufer. Apropos Geld: Um dieses am EC-Automaten zu ziehen, schließt man im Grunde einen Smart Contract für Fortgeschrittene. Wenn PIN-Code und Kontostand in Ordnung sind, dann spuckt der Automat Geld aus. 2x wenn führt zu 1x dann.

Blockchainbasierte Smart Contracts sparen Geld

Doch natürlich ist unsere Welt in den letzten Jahrzehnten weit komplexer geworden und die Smart Contracts der heutigen Zeit stehen gerade erst am Anfang ihrer Entwicklung. Aber sie werden kommen, da sie unsere Gesellschaft verändern, das Leben vereinfachen. Da sie Geld sparen. Denn Smart Contracts beruhen auf der technischen Basis der Blockchain, was sie durch die dezentrale Speicherung unfälschbar und unbestechlich macht. Und damit günstig. Denn die Einhaltung eines Vertrages wird quasi automatisiert on-the-fly überprüft. Theoretisch ist so weder eine Kontrollinstanz noch ein Notar mehr nötig, um diesen Vertrag zu schließen. Unternehmen investieren inzwischen Milliardenbeträge in die Entwicklung von Verträgen, nach deren Abschluss sich niemand mehr um die Abwicklung kümmern muss. Diese Aufgabe übernimmt dann der Vertrags-Code.

Zahlreiche Anwendungsfälle sind denkbar

Diese wenn-/dann-Bedingungen lassen sich auf nahezu jeden Bereich unseres täglichen Lebens adaptieren. Eines der bislang bekanntesten Anwendungsfälle ist sicherlich die smarte KFZ-Versicherung. Smart insofern, als dass sich die Höhe der Versicherung dem eigenen Fahrverhalten anpasst. Eine Anpassung des Beitrags an die eigene Fahrweise ist im Vertrag fest einprogrammiert. Die im Auto verbaute Blackbox könnte das Fahrverhalten tracken und den Versicherungsbeitrag entsprechend anpassen. Umsichtige Fahrer müssten so weniger bezahlen als waghalsige Draufgänger.

Ein Stück Künstler, bitte

Und auch die Musikindustrie könnte von Smart Contracts profitieren, denn mit dem Schreiben eines Songs bis zum schlussendlichen Verkauf entsteht gleich eine ganze Reihe an Anteilseignern, die vom Verkauf des Songs profitieren möchten. Der Songschreiber selbst, Plattenfirmen, Vermarkter etc. Die Umstellung auf Smart Contracts würde die Bezahlmodalitäten transparent aufzuschlüsseln und Einahmen automatisiert zu den korrekten Anteilen an alle Beteiligten auszahlen. Denkt man diese Idee weiter, so wäre es sogar möglich, Fans direkt am Erfolg ihres Künstlers zu beteiligen. So wie Investoren sich über den Kauf einer Aktie einen Teil einer Firma sichern, könnten auch Fans einen Teil ihres Lieblingskünstlers erwerben. Mit dem Erfolg des Künstlers steigt auch sein Wert.

Die Angst vor den eigenen Plagiaten

Nicht wirklich überraschend ist eine Geschäftsidee zum Thema Smart Contracts aus China. jd.com, der zweitgrößte E-Commerce-Anbieter Chinas, ermöglicht seinen Kunden, sich Gewissheit über die Herkunft ihrer Einkäufe zu verschaffen. Das Unternehmen spielt dabei mit der Angst der Chinesen vor den eigenen Plagiaten. Am Beispiel eines Steaks lässt sich nun, dank Smart Contract und aufgeschalteter Smartphone-App, die Vita des Kälbchens bis zu dessen Schlachtung nachvollziehen. Dabei informiert die App mit dem klangvollen Namen „Die wunderbare Reise des Rindfleischs“ nicht nur über Gewicht und Haltbarkeitsdatum des Steaks, sondern gibt auch Einblicke in das Leben des Spenders. Dazu zählen Wohnort, Alter, Gewicht sowie die Art der Ernährung und sogar der Name des Tierarztes, der die Kuh zu Lebzeiten betreute.

Sicherheit geht vor

Für viele Anwendungen stehen vor allem Sicherheit und Transparenz von Smart Contracts im Vordergrund. Bedenkt man, dass Jahr für Jahr Hunderte Millionen US-Dollar an Spendengeldern in Entwicklungsländer fließen, wird das Problem der Hilfsorganisationen klar. Sie müssen Vertrauen schaffen, um an diese Spendengelder zu gelangen. Um sämtliche Transaktionen transparent vorhalten zu können, experimentiert UNICEF derzeit mit Ethereum Smart Contracts. So soll zukünftig jede noch so kleine Transaktion inklusive der an ihr beteiligten Personen öffentlich einsehbar und kritisierbar sein. Auch das über Jahrhunderte genutzte Grundbuch, welches die Besitzverhältnisse von Immobilien regelt, könnte bald Geschichte sein. Gleich mehrere Nationen planen derzeit, die alten Karteikarten zukünftig gegen die neue Blockchain zu tauschen. Besitzverhältnisse könnten so per Smart Contract überschrieben und unfälschbar hinterlegt werden. Weitere denkbare Anwendungsfälle sind Wahlen, die durch die Blockchain vor Wahlbetrug geschützt werden. Grundsätzlich sind Smart Contracts immer an der Stelle sinnvoll, wo Vertragsabschlüsse schnell und ohne Drittinstanzen vereinbart werden können oder sollen. Die Romantiker unter uns wird es insofern freuen, dass in der Wüste Nevadas auch bereits Eheverträge in die Blockchain geschrieben werden können.

Die rechtliche Lage

Doch so praktisch sie auch seien mögen: Die Begrifflichkeit des Smart Contract, des „klugen Vertrags“ liefert noch lange keine Rechtssicherheit. Im Gegenteil gilt es bei der Anwendung die rechtlichen Herausforderungen zu meistern, die die neue Technologie mit sich bringt. Denn was Anhänger der Technologie frohlocken lässt, nämlich einzig mit Programmcode Rechtswirkung entfalten zu können, treibt Juristen die Sorgenfalten ins Gesicht. Denn die Ideologie hinter Smart Contracts steht im Konflikt mit der Gesetzeslage in Österreich. Genauso wenig wie ein schriftlicher Vertrag, kann auch ein Smart Contract die vom Gesetzgeber auferlegten Grenzen nicht überschreiten.

 

Zum Autor: Patrick Rosenberger ist Inhaber einer Agentur für digitale Medien in Münster. Auf das Thema Blockchain stieß Patrick während seiner Tätigkeit als freier Redakteur für Hamburger Verlage. Seitdem ist er fasziniert von den technischen Möglichkeiten der Blockchain und Bitcoin als dem vielleicht größten sozioökonomischen Experiment des Informationszeitalters. Auf cryco.info beschäftigt sich Rosenberger mit der Geschichte der Blockchain und hinterfragt Bitcoin als zukunftsträchtige Alternative zu Euro & Co. Aktuell arbeitet Rosenberger an einem Sachbuch zum Thema. 

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