Snapchat: Augmented Reality statt VR-Metaverse
Das Metaverse ist für das Social Web eines der derzeit wichtigsten Zukunftskonzepte. Allen voran steht dabei Facebook/Meta seit dem Rebranding im Oktober. Der Fokus beim Metaverse-Hype liegt dabei vor allem auf der Virtual Reality (VR). Doch auch Augmented Reality (AR), bei der digitale Anwendungen als Erweiterung der bestehenden Realität fungieren, bietet viele wichtige Möglichkeiten für das Metaverse. Ein großer Player im Bereich AR ist die Social Platform Snapchat, die sich ganz auf diese Anwendungen fokussiert. Wir haben mit Götz Trillhaas, Country Manager für die DACH-Region bei Snapchat-Betreiber Snap Inc., über AR, die Zukunft der Social Platform und die des Metaverse gesprochen.
Deutliches Wachstum in Corona-Pandemie
Snapchat ist im Bereich der sozialen Apps kein solcher Gigant wie Meta, der trotz leichten Verlusten im vierten Quartal 2021 immer noch fast zwei Milliarden tägliche User:innen hatte. Snapchat kann dagegen global „nur“ etwa 319 Millionen tägliche Nutzer:innen verzeichnen. Vor allem seit Beginn der Corona-Zeit konnte die Plattform jedoch deutlich aufholen. „Wir sind in der Pandemie fast jedes Quartal gewachsen“, erklärt Trillhaas. Vor allem bei Jüngeren komme die App immer noch ausgezeichnet an. Aus der Generation Z, also bei Menschen im Alter zwischen 13 und 24 Jahren, seien in Deutschland und einigen anderen Ländern immer noch 90 Prozent bei Snapchat.
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Dieses Wachstum begründet sich vor allem aus den AR-Anwendungen von Snapchat. Bekannt sind die „Lenses“, also die Effekte, die die App auf der Smartphone-Kamera auf die Realität überträgt. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Möglichkeit, unterhaltsame Bilder zu machen und sie mit anderen zu teilen. Es gibt bereits eine Reihe von praktischen Use Cases dafür, besonders beim Shopping. Hier lässt Snapchat User:innen beispielsweise Kleidungsstücke und Make-up digital anprobieren. Dadurch sollen Nutzer:innen, wo immer sie gerade sind, ein virtuelles Geschäft betreten können. Vergangenes Jahr hat Snap außerdem das Berliner Startup Fit Analytics gekauft, dessen KI-Software Kleidungsgrößen von Kund:innen berechnet.
„Arbeiten an Metaverse-ähnlichen Funktionen“
Snapchat ist also im Bereich AR bereits sehr erfahren. Doch wie steht die Plattform dem Metaverse gegenüber? „Wir sehen es als viel spannender, unsere bestehende Realität zu erweitern, als eine neue, digitale Welt aufzubauen. Nutzer:innen sollen in dem Leben, in dem sie sich bereits befinden, Zugang zu neuen Möglichkeiten und Informationen erhalten. AR ist hier unsere Schlüsseltechnologie. Zwar nennen wir es nicht direkt Metaverse, jedoch arbeiten wir an Funktionen, die dem Konzept sehr ähnlich sind. Dazu gehört die Möglichkeit, ortsunabhängig in einem digitalen Raum zusammenzuarbeiten“, so Trillhaas.
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Eine solche Kooperationsmöglichkeit hat Snap im vergangenen Jahr gemeinsam mit Lego entwickelt. Hier soll es zwei User:innen möglich sein, dasselbe schwebende Lego-Modell auf einem Tisch über ihr Smartphone-Display zu sehen. Sie können gemeinsam Teile hinzufügen, Effekte erzeugen oder Animationen auslösen. Auch soll es mit künftigen Anwendungen möglich sein, gemeinsam in einen Shop zu gehen und beispielsweise eine Schaufensterpuppe anzukleiden.
AR boomt – und das oft unbemerkt
Ebenfalls arbeitet Snap gerade an Verbesserungen bei bestehenden Anwendungen. Dazu gehört das Erkennen von Oberflächen und deren Begrenzungen, aber auch das 3D-Modellieren von Gebäuden. Für letztere Funktion hat Snap weltweit schon mehr als 30 „Landmarker“ gebaut, also Gebäude, die die App komplett erkennen und dann in einer Lens manipulieren kann. Dazu gehört unter anderem der Big Ben in London. Wichtig für Snapchat sind auch die etwa 200.000 unabhängigen Developer, die weltweit mit dem Toolkit Lens Studio ihre eigenen Funktionen bauen und diese dann in die App hochladen. Sie sollen mit einem neuen Feature, das Lidar-Sensoren verwendet, bald selbst Objekte und Gebäude in 3D modellieren und eigene Landmarker bauen können.
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Während Virtual Reality durch die Erfordernis einer eigenen Brille eine gewisse technische und finanzielle Hemmschwelle hat, ist für AR im Grunde nur ein Smartphone und eine App nötig. Bis 2025 erwartet Götz Trillhaas, dass 75 Prozent der Smartphone-User:innen weltweit schon AR-Anwendungsfälle nutzen. „Sie tun das oft, ohne es wirklich zu wissen. AR lässt sich intuitiv in unser Leben integrieren.“ Ein wichtiges Element für AR werden in Zukunft aber auch AR-Brillen sein. Snapchat bietet mit den sogenannten „Spectacles“ hier ein eigenes Produkt, das die US-Firma in Zukunft noch weiterentwickeln will.
Snapchat kein Metaverse-Konkurrent von Facebook
Die Social Platform steht also nicht in direkter Konkurrenz zu Meta, was das Metaverse oder virtuelle Welten an sich angeht. Vielmehr sieht sich das Unternehmen als Innovationsführer in der Sparte AR. Ob nun AR oder VR die große Zukunftstechnologie für die ortsunabhängige soziale Interaktion und Zusammenarbeit ist, wird sich zeigen. Doch Snapchat hat hier bereits seinen Fokus gefunden.