So funktioniert die Polygon-Anleihe der Innsbrucker Solar-Firma GreenRock Energy
Der deutsche Konzern Siemens hat mit einer digitalen Anleihe in Höhe von 60 Millionen Euro auf der Polygon-Blockchaim vor kurzem für Furore – zumindest in der Krypto-Welt – gesorgt. Doch was Siemens kann, kann auch eine Innsbrucker Firma namens GreenRock Energy. Denn auch diese hat jetzt eine digitale Anleihe als Token auf die Polygon-Blockchain gebracht und will damit bis zu 25 Millionen Euro einnehmen. Basis des von der deutschen Finanzaufsicht Bafin bewilligten Projekts ist auch in dem Fall das neue Gesetz für elektronische Wertpapiere (eWpG) in Deutschland. Verkauft wird der Token in Österreich, Deutschland und Italien.
Die Innsbrucker Firma ist dabei Teil der GreenRock Energy Gruppe (GRE), zu der auch die GreenRock Energy AG mit Hauptsitz in Berlin gehört. Insgesamt sei man in sieben europäischen Ländern tätig, 50 Mitarbeiter:innen sollen sich um Projektentwicklung, Bau und Betrieb von Photovoltaik-Anlagen kümmern. Das Unternehmen schließt mit Flächen- oder Dachbesitzer:innen Verträge zur Flächennutzung für 20 Jahre, die bekommen im Gegenzug 20 Jahre Strom mit „Bestpreisgarantie“. GreenRock Energy wurde 2016 gegründet, ist v.a. in Deutschland und Österreich mit PV-Dachanlagen vertreten, und hat Freiflächenanlagen in Italien, Polen, Ungarn, Bulgarien und demnächst Griechenland stehen. Bis 2030 will GRE mindestens 10 GWp installierte Photovoltaik-Leistung vorweisen können. Insgesamt wurden bisher PV-Anlagen mit mehr als einem Gigawatt Peak-Leistung aufgebaut.
Token-Anleihe als Alternative zum Bankkredit
Die Blockchain-Anleihe führe man nun als Alternative zu einem Bankkredit durch, so könne man schneller an Geld für den Ausbau kommen. Und das geht so: GreenRock Energy, das zu einem durchaus verwirrenden Firmengeflecht dazugehört, verkauft den neuen GREBII-Token, der auf Polygon läuft. Die Erlöse aus dem Verkauf sollen dann in den Erwerb von Projektgesellschaften und Photovoltaik-Anlagen sowie die Finanzierung von Projektentwicklungen fließen. Über den „GRE BOND two“ können maximal 25.000 Token je 1.000 Euro ausgegeben werden. Klappt der Plan, kann das Unternehmen bis zu 21,74 Mio. Euro in seine künftigen Solar-Projekte in Deutschland, Österreich und Italien investieren – denn durch die Emission wird mit Kosten von bis zu 3,26 Mio. Euro (v.a. Vertriebsprovisionen) gerechnet.
Unternehmer Martin Kofler, der die Unternehmensgruppe mit aufgebaut hat, will mehr Kapital einsammeln, um weiter in Solarenergie zu investieren. Die Anleihe als Token auf der Polygon-Blockchain sei gewählt worden, damit auch kleine Anleger:innen ab 1.000 Euro einfach online investieren können, während bei klassischen Anleihen oft eher institutionelle Investor:innen zum Zug kommen würden. Wer die Token kauft, kann sie entweder von Partner Tangany verwahren lassen, oder an eine eigene, Polygon-taugliche Wallet senden lassen. Was nicht geht: Die gekauften Token können derzeit (und auch nicht in absehbarer Zeit) auf Exchanges gehandelt werden – sind also nicht wirklich liquide. Kündigen kann man erst wieder zum 31. Dezember 2026.
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Krypto-Wertpapiere versprechen hohe Zinsen
Was bekommen die Token-Käufer:innen da konkret? Laut dem von der Bafin gebilligten EU-Wachstumsprospekt handelt es sich bei den GREBII-Token um qualifiziert nachrangige Schuldverschreibungen nach deutschem Recht, die eben in Form der neuen Krypto-Wertpapiere ausgegeben werden. Wer sie kauft, dem wird ein fester Zinssatz von 7,5 % p.a. (Basiszins) und zusätzlich ein variabler Zinsbetrag, der aus 5% des EBITDA (Jahresüberschuss der Emittentin vor Steuern, Zinsen, usw.) besteht. Je nachdem, wie viele Token man hat, bekommt man einen Anteil des EBITDAs. Umgesetzt wurde das Token-Projekt mit dem technischer Dienstleister TokenForge sowie der Münchener Tangany GmbH als Krypto-Verwahrstelle und Wertpapierregisterführer.
Mit Polygon hat sich GreenRock Energy eine Layer-2-Lösung für Ethereum ausgesucht, die wie berichtet derzeit sehr angesagt ist. Polygon punktet bei immer mehr Unternehmen mit schnelleren, günstigeren Transaktionen, wobei die Token aber trotzdem im Ethereum-Ökosystem funktionieren. Neben Siemens setzen etwa auch Starbucks, Instagram, JPMorgan oder Stripe in verschiedenen Projekten (oft für NFTs) auf Polygon.
So weit, so technisch. Aber in was für ein Unternehmen investiert man da nun sein Geld? Der Prospekt muss das für Interessierte offenlegen, und da tun sich einige interessante Dinge auf. Denn die GreenRock Energy Austria GmbH, die die Polygon-Token verkauft, ist keine eigenständige Firma, sondern gehört zu einem durchaus komplexen Firmengeflecht der beiden italienischen Unternehmer Paolo Buttiglione und Martin Kofler, das sich von Berlin über München und Innsbruck bis Italien zieht. Die österreichische Tochter ist nur ein Rädchen im größeren Getriebe. Kofler zufolge wurde die Österreich-Tochter aus Marketing-Gründen gewählt, man könne so behaupten, die erste ausländische Token-Anleihe nach deutschem eWpG umgesetzt zu haben.
Das Firmenkonstrukt sieht jedenfalls so aus:
Viele Risiken auf einmal
Auf diese Verflechtung wird im Prospekt auch hingewiesen, und zwar so: „Martin Kofler, der alleinige Geschäftsführer der Emittentin, ist zugleich Geschäftsführer verschiedener Gruppengesellschaften und Vorstand sowie über die GreenRock Capital GmbH Mitgesellschafter des alleinigen Aktionärs der GreenRock Energy AG, welche wiederum alleinige Gesellschafterin der Emittentin ist. Durch ihre Stellung als alleinige Aktionärin ist die GreenRock Capital GmbH befähigt, den Aufsichtsrat zu bestellen und die Hauptversammlung zu dominieren. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand der GreenRock Energy AG und über diesen den Geschäftsführern der Tochter- und Schwesterunternehmen und somit auch der Emittentin nachteilige Weisungen erteilen.“
Dazu kommen noch eine Reihe anderer Punkte, die potenzielle Investor:innen in den Token berücksichtigen sollten. So wird angeführt, dass das 2020 gegründete Unternehmen eben noch sehr jung sei und auf keine eigenen Erfahrungen im Geschäft mit der Errichtung von PV-Anlagen zurückgreifen kann. Auch der Fachkräftemangel wird thematisiert, plus das Risiko, dass die GREBII-Token möglicherweise nicht veräußert werden können, „weil aufgrund fehlender rechtlicher Rahmenbedingungen in Europa bisher keine Zulassung zu einem geregelten Markt für den Handel von GREBII-Token beantragt werden kann“ – die Token also nicht liquide sind.
Token-Geld zuerst für Rückzahlung eines Darlehens
Außerdem gibt es Nettofinanzverbindlichkeiten (langfristige Verbindlichkeiten plus kurzfristige Schulden abzüglich Barmittel) von 417.657,39 Euro, und dann noch auch noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Emittentin von der Mutterfirma GreenRock Energy AG, die den laufenden Betrieb durch Gesellschafterdarlehen in Form eines Darlehens in Höhe von 600.000 Euro finanziert. „Das Darlehen wird nach der Zinsstaffelmethode mit einem Zinssatz von 8% p.a. verzinst und wird bis zum 30. Juni 2023 aus den Mitteln des Private Placements zurückgezahlt“, heißt es im Prospekt. Oder im Klartext: Das Geld aus Token-Investments wird erst einmal dazu verwendet, um das Darlehen der Innsbrucker Firma an ihre Mutter zu bezahlen. Das Darlehen wurde laut Kofler verwendet, um das Projekt der digitalen Anleihe zu ermöglichen und die Projektkosten (ca. 2 Jahre Arbeit) zu stemmen.
Zwar hat die Bafin in Deutschland grünes Licht gegeben, Stolperstein könnte aber die österreichische FMA werden. Laut Prospekt besteht das Risiko, dass die GreenRock Energy gar kein operatives Geschäft betreibt. Dann besteht die Gefahr, dass die FMA den von GREBII-Token verbietet oder die Rücknahme oder Auszahlung anordnet. Sollte die FMA dann auch noch eine Verwaltungsstrafe (bis zu 100.000 Euro) verhängen, kann es auch sein, dass die Token-Käufer:innen nicht oder nicht vollständig auszahlen kann.
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