„Müssen uns warm anziehen“: Founder und Investoren über den Triumph von Donald Trump (Update)
Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, aber die EU-Kommissionspräsidentin
Trumps Politik wird massive Auswirkungen auf Migration, Handel, Ukrainekrieg, Nahostkonflikt, Chinapolitik, Energiestrategien, Tech-Regulierung und auch auf Kryptowährungen haben, die Trump zu einem seiner Wahlkampfpunkte auserkoren hat. Dementsprechend wird die US-Wahl diesseits wie jenseits des Atlantiks genauestens beobachtet. So kommentieren bekannte Gründer:innen und Investor:innen den Ausgang der US-Wahl:
Anna Iarotska, CEO Robo Wunderkind
„Aus österreichischer Perspektive kann das Ergebnis der US-Wahl schwer zu begreifen sein. Obwohl die US-Wirtschaft auf dem Papier stark dasteht, kommen diese Gewinne nicht bei allen an. Während sich die Tech-Community größtenteils wohlfühlt – auch angesichts der jüngsten Entlassungen – haben viele Menschen in den USA mit Inflation, unerschwinglichem Wohnraum und schlecht bezahlten Jobs zu kämpfen. Die Lebenshaltungskosten sind hoch, und anders als in Österreich gibt es ein begrenztes soziales Sicherheitsnetz, um Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen. Diese wachsende Frustration könnte einige dazu bewegen, auf einen „Wild-Card“-Kandidaten wie Trump zu setzen, der tiefgreifende Veränderungen verspricht. Ob er diese tatsächlich liefern wird, bleibt ungewiss.
Besonders bemerkenswert – und riskant ist, dass eine Partei nun die Möglichkeit hat, sowohl den Senat als auch möglicherweise das Repräsentantenhaus zu kontrollieren. Das verleiht ihr beispiellose Macht, um grundlegende Änderungen ohne wesentlichen Widerstand durchzusetzen, was zu bedeutenden politischen und Governance-technischen Veränderungen führen könnte.
Außerdem beunruhigt mich zunehmend der Einfluss von Elon Musk. Obwohl ich seine Innovationskraft respektiere und glaube, dass ihm die Zukunft der Menschheit wirklich am Herzen liegt, ist es erschreckend, dass eine einzelne Person möglicherweise einen so großen Einfluss auf ein Land haben könnte, das wir oft als „Führer der freien Welt“ betrachten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist Trumps Außenpolitik, die sich als äußerst unberechenbar erwiesen hat. Europa könnte sich auf unerwartete Veränderungen einstellen müssen, aber hoffentlich auch die Chance sehen, seine eigene regionale Stabilität und Führungsrolle zu stärken. Was das für mein Heimatland, die Ukraine, bedeuten wird, ist höchst ungewiss. Hinzu kommt die Frage der sozialen Politik, wie etwa das Recht auf Abtreibung, sowie ein Supreme Court, der auf absehbare Zeit konservativ ausgerichtet ist.
Dennoch möchte ich optimistisch bleiben. Die USA haben eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Neuerfindung, und ich spüre ein echtes Verlangen nach positivem Wandel unter den Menschen dort. Ich hoffe, dass wir in vier Jahren ein erneuertes Engagement sehen werden, eine Zukunft zu schaffen, die für alle funktioniert.“
Magdalena Mader, Mitgründerin von ELEAH Care
„Die Politik von Donald Trump hat Frauen in den USA spürbar zurückgeworfen: Mit seinem Angriff auf das Recht auf Abtreibung und seiner frauenfeindlichen Rhetorik, wie etwa dem berüchtigten „Grab them by the pussy“-Ausspruch, hat er nicht nur eine respektlose Haltung gegenüber Frauen normalisiert, sondern auch konkrete, nachteilige Folgen für ihre Rechte und ihre wirtschaftliche Teilhabe ausgelöst.
In Europa genießen wir einen hohen Standard in Bezug auf Frauenrechte und Menschenrechte. Gerade jetzt, in einer Zeit wachsender populistischer Bewegungen, dürfen wir uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen. Fortschritte sind nie selbstverständlich. Es liegt an uns, die Chancengleichheit zu schützen und weiter auszubauen – damit Europa ein Ort bleibt, an dem Gleichstellung nicht nur ein Ideal, sondern gelebte Realität ist. Wir haben die Möglichkeit, als Vorbild für eine gerechtere, inklusive Welt voranzugehen und positive Veränderungen zu inspirieren.“
Nika Mizerski, Gründerin von Techstory
Markus Wagner, Gründer von i5invest
„Die Technologiebranche ist politisch sehr pragmatisch. Egal wie die Wahl ausgegangen wäre, hätte sie sich arrangiert und den Gewinner/die Gewinnerin akzeptiert und unterstützt. Das war auch immer schon so bei den letzten Wahlen. Die wichtigsten wirtschaftlichen Themen für die Technologiebranche sind sicherlich der Konflikt rund um Taiwan und China – weil es extreme Auswirkungen auf die internationale Halbleiterindustrie und Fertigungsindustrie hat. Mit weiteren Handelsbeschränkungen und der Verlagerung von Produktionsstätten ist zu rechnen. Und natürlich Israel, fakt seiner wichtigen Position als Technologiezentrum. Alle Augen werden sich auf die zukünftigen Schritte in diesen Regionen richten.“
Maximilian Hörantner, Mitgründer von SwiftSolar
„Dieser Wahlausgang ist auf jeden Fall ein Zeichen dafür, dass zu viele Menschen in den USA sehr unzufrieden mit ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation sind. Obwohl die USA wohl eine der besten wirtschaftlichen Umschwünge nach der Pandemie gemeistert hat, hat die Inflation und das generelle Aussterben von gut bezahlten Produktionsjobs im Rust Belt zu immenser Frustration geführt. Wie in vielen anderen Ländern wurde hier ganz klar gegen den Status quo gewählt.
Für die amerikanische Tech-Branche generell sehe ich anhand des großen Binnenmarktes, des founder Pragmatismus und der zu erwartenden liberalen Regelungen nicht all zu große Gefahren oder Veränderungen – abgesehen davon, dass durch die groß angekündigte Abschottung das Thema “America First” mit Investment-Philosophien wie ”American Dynamism“ wahrscheinlich um einiges stärker werden wird.
Für die ClimateTech-Branche ist das ein wenig komplizierter: Keiner weiß, wie es zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act (IRA) weitergehen wird, der sehr gute Incentives für diese Branche gebracht hat. Bekanntlich ist Trump kein großer Freund von Klimawandel-Bekämpfung und so werden wahrscheinlich die staatlichen Hilfen in Forschung aber auch Skalierung reduziert. Auf der anderen Seite bedeutet “America First” auch, dass durch hohe Einfuhr Zölle die Startup-Hardware-Branche eine Chance hat, per Produktion innerhalb der USA mit günstigeren Produktionsstandorten mithalten zu können. Für unser Klima sind das trotzdem schlechte und traurige Nachrichten. Aber als Europäer im Herzen wünsche auch ich mir, dass dieser Wahlausgang als Weckruf wahrgenommen wird und zu Selbstbewusstsein und Aufstreben führt.“
Lucanus Polagnoli, CEO von Calm/Storm Ventures
„Die USA wird sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich mehr auf sich selbst und ihre eigenen Interessen konzentrieren. Das bedeutet, dass wir in Europa noch schneller und intensiver zusammen arbeiten müssen. Wir müssen zum Beispiel endlich einen Single Capital Market schaffen, so wie im Draghi-Report beschrieben. Gleichzeitig sollten wir unsere Stärken stärken. Wir haben die besten Talente und sollten alles dafür tun, dass die besten Köpfe nicht alle in die USA gehen, die besten Unternehmen nicht nur von den USA finanziert werden. Insgesamt sehe ich das eher als Chance für uns und die Zukunft positiv, wenn wir es schaffen als Europa zu denken und zu handeln und nicht jeder für sich nur bis zum eigenen Gartenzaun.“
Andreas Schwarzenbrunner, Speedinvest
„Wir müssen uns warm anziehen, vor allem in traditionellen exportorientierten Industrien in Europa und vor allem Deutschland und Österreich, wenn Trump auch nur die Hälfte von dem umsetzt was er gesagt hat. Für Europa heißt das vor allem auch, dass es jetzt keine Entschuldigungen mehr gibt für einen eigenen starken Binnenmarkt, eine gemeinsame Kapitalmarktunion und auch mehr Investments in Innovation, Technologie und wieder Wachstum!“
Philipp Schröder, CEO von 1Komma5°
Trump bedeutez für die deutsche Startup-Szene und die Wirtschaft vor allem eines: Deutschland muss viel eigennütziger, nationale und europäische Champions entwickeln; eigene wirtschaftliche Interessen kompromissloser und konsequent verfolgen; von Erneuerbaren Energien, unser Energieunabhängigkeit bis KI.
Wir müssen jetzt über Nacht erwachsen werden, uns von unser “Harmoniesucht” emanzipieren, so schnell es geht. Nicht nur wegen Trump, sondern schlicht weil niemand außer uns, unsere Interessen vertreten wird! China nicht. Indien nicht und Russland erst recht nicht.“
Peter Windischhofer, Mitgründer von refurbed
„Wir können zum globalen Marktführer in nachhaltiger Technologie und grünen Unternehmen werden. Wir haben in den letzten Jahrzehnten die meisten Megatrends verpasst und liegen hinter den USA und China in den Bereichen KI, E-Fahrzeuge und Big Tech zurück. Die USA werden uns auf unserem Weg zur grünen Transformation nicht folgen und kehren zu „Drill, Baby, Drill“ zurück.
Auch wenn das schlecht für unseren Planeten ist, bietet es der europäischen Wirtschaft eine enorme Chance, die Führung in diesem Bereich zu übernehmen. Grüne Technologien werden über viele Jahrzehnte hinweg benötigt werden, unabhängig davon, wer die nächsten vier Jahre im Weißen Haus sitzt. Der Klimawandel wird nicht dadurch gestoppt, dass man ihn leugnet. Er wird nur gestoppt, wenn wir unsere Energiequellen und unser Konsumverhalten ändern.
Früher oder später werden alle Länder (und ihre ignoranten Führer) das erkennen. Mit Trump als Präsident könnte es etwas länger dauern, aber es wird auch in den USA geschehen. Dann wird Europa in der Lage sein, die Technologie, das Know-how und die Unternehmen bereitzustellen, um die globale grüne Transformation voranzutreiben. Wir werden endlich der globale Führer in einer Mega-Industrie sein. Also danke, Amerika, dass ihr uns dieses Zeitfenster öffnet. Wir werden es gerne nutzen.“
Jakob Reiter, Mitgründer von Mimirio
„Da Trump kurz davor steht, die Wahl zu gewinnen, sehen wir einer massiven Reduzierung der US-Regulierungsbeschränkungen entgegen, um Hyper-Wachstum zu fördern und die Interessen der großen Tech-Konzerne zu unterstützen. Sein Hauptziel ist und war es immer, die technologische Dominanz der USA zu stärken. Das bedeutet, dass Europas Unternehmen jetzt erwachsen werden müssen. Wir müssen unsere eigene Unabhängigkeit und digitale Souveränität von der US-Technologie entwickeln, sonst riskieren wir, in den Abgrund und die Instabilität eines zweiten Trump-Mandats hineingezogen zu werden.“
Eric Demuth, CEO von Bitpanda
„Dass Bitcoin ein neues Allzeithoch erreicht hat, ist ein klares Zeichen für die anhaltende Veränderung und Weiterentwicklung innerhalb der Finanzwirtschaft. Dies ist bereits das zweite All-Time-High in diesem Jahr und wir könnten in den kommenden Jahren weitere sehen. Der Preis wird von einer sich beschleunigten Adoption von Kryptowährungen – und insbesondere Bitcoin – sowohl im Retail als auch im institutionellen Bereich getrieben. Durch zunehmende Regulierung und Nachfrage nach Kryptowährungen fließt vermehrt Kapital von den etablierten Kapitalmärkten in diese Anlageklasse.
Natürlich hat der Ausgang der US-Wahl einen erheblichen Einfluss auf das Erreichen des All-Time-Highs gehabt. Mit Donald J. Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten werden wir einen stärkeren regulatorischen Rahmen für den Kryptomarkt sehen, was ein positiver Schritt ist. Die kommende republikanische Regierung wird wahrscheinlich einen offeneren und liberaleren Regulierungsansatz umsetzen als der Rahmen, den eine demokratische Regierung möglicherweise geschaffen hätte.“
Daniel Lang, MangoMint
„In der Tech-Szene war die Wahl, abgesehen von ein paar prominenten Stimmen auf X, praktisch kein Thema. Im Unterschied zu 2020 wurden politische Diskussionen weitgehend vermieden. Ich glaube das hat viel damit zu tun wie sich die Marktsituation für Mitarbeiter in den letzten 2-3 Jahren verändert hat. Heute werden Themen wie Politik kaum mehr in den Unternehmen toleriert. Das war vor 4 Jahren noch anders. Aus privaten Gesprächen mit Gründern und Investoren hier in den USA ist bei mir ein ähnliches Bild entstanden wie man das jetzt in den Ergebnissen auch sieht. Insofern bin ich nicht überrascht.“
Hansi Hansmann, Investor
„Wenn man dem Wahlausgang irgendwas Positives abgewinnen möchte, dann vielleicht die Chance für Europa, selbständig und erwachsen zu werden. Von den USA wird in jeder Beziehung weniger kommen, wir können uns auf den guten US-Onkel nicht mehr verlassen. Der Wettbewerb wird härter werden, aber die Innovationskraft in Europa, vor allem gebündelt und gut finanziert, hat da große Chancen – möglicherweise ist das aber nur Wunschdenken.“
Benedict Rehbein, Mitgründer von eCovery
„Freude hier, Chaos dort: Der Bitcoin schießt nach oben, die Umweltschützer halten sich die Augen zu, die Wirtschaft freut sich auf Lockerungen jeglicher Regeln, die Frauenbewegung trauert um die historische Chance. Alles schwankt – und wird sich ab heute ziemlich verändern.
Aber: Das gibt uns hierzulande auch eine Chance. Wir können uns nicht (mehr) vollumfänglich auf den Partner USA verlassen, weder wirtschaftlich, noch politisch. Wir müssen uns kümmern und uns emanzipieren, jetzt noch viel mehr als vorher. Wir brauchen die europäische Idee und wir brauchen eine Ampelregierung, die jetzt nicht mehr streitet, sondern umsetzt. Was wir nicht brauchen ist Gejammer und Gestreite, sondern im Gegenteil einen Fokus auf unsere eigenen Ziele und Stärken – die haben wir nämlich.“
Gerhard Kürner, CEO von 506.ai
„Mit dem Wahlsieg von Trump wird sich die Last der EU-Regulierungen, allen voran die DSGVO und der kommende AI EU Act, von einer bürokratischen Belastung zu einem dauerhaften Wettbewerbsnachteil entwickeln. Wir sehen ja schon vor Trump, dass eines der besten AI-Modelle wie Lama 3.x nicht mehr in der EU eingesetzt werden darf, das geht weiter über Apples iOS AI Services und ständig neue Themen. Mit Trump ist eine weitere Deregulierung zu erwarten und der Nachteil für uns Europäer wird noch schmerzhafter. Hinzu kommt, dass die Wachstumsmärkte nicht in Europa liegen und der Binnenmarkt alleine nicht ausreichen wird.“
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