Interview

„Software als Dienstleistung ist zollfrei, Denken ist zollfrei“

Esther Freitag und Stefan Fink von KPMG erklären die Auswirkungen der Zölle auf die Softwarebranche © KPMG
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Das Wort “Zölle” ist dieser Tage in aller Munde. Die aggressive Zollpolitik der Trump-Regierung hat weitreichende Folgen für verschiedene Industrien – von der Produktion physischer Güter bis hin zu digitalen Dienstleistungen. Während Zölle traditionell mit der Handelsware in Verbindung gebracht werden, sind die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Software-Branche oft weniger offensichtlich, aber nicht minder bedeutend. Wie diese Auswirkungen aussehen und sich in Zukunft entwickeln könnten, haben wir mit dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG besprochen.

„Software als Dienstleistung ist zollfrei, Denken ist zollfrei“

Die Software-Industrie der USA ist weltweit von großer Bedeutung. Tech-Vorreiter wie Microsoft, Google und Co. gehören zu den größten Unternehmen der Welt und exportieren ihre Hardware und Software auf die ganze Welt. Besonders Europa ist ein wichtiger Abnehmer für diese Konzerne. Gleichzeitig importieren diese Firmen für ihre Produktion auch viele Komponenten aus dem Ausland. Demnach ist es wichtig, zu wissen, wie sich die Zölle der US-Regierung auf diese Branche auswirken.

Esther Freitag, Partnerin bei KPMG und Expertin im Bereich Indirect Tax, gibt zu bedenken, dass Software als Dienstleistung nicht direkt von den Zöllen betroffen ist. “Software als Dienstleistung ist zollfrei, Denken ist zollfrei”, so Freitag. Zölle könnten nur dann anfallen, wenn eine physische Ware über Landesgrenzen bewegt wird. Bei Software ist das nicht der Fall, sehr wohl aber bei der Hardware. “Wenn die Datenträger, auf denen sich die Software befindet, physisch in ein anderes Land bewegt werden, dann können Zölle anfallen.”

US-Exporte sind oft Downloads und Dienstleistungen

Zur Erklärung: Die Zölle der US-Regierung sind Abgaben für alle Waren, die US-Unternehmen in die USA importieren. Diese zusätzlichen Kosten können die Preise für die Produkte für Endkund:innen in den USA erhöhen. Dennoch stellt Donald Trump diese Zölle in der Öffentlichkeit immer wieder als ein Instrument dar, das mehr Fairness für die USA bringen wird.

Stefan Fink, Chief Economist bei KPMG Österreich, erklärt die Dynamik in der US-Softwareindustrie, die nicht ganz mit Trumps Sichtweise übereinstimmt. “Trump sieht Unfairness in Hinsicht auf das Handelsdefizit der USA. Ein Handelsdefizit entsteht, wenn die Güter-Importe eines Landes seine Exporte übersteigen. Das betrifft aber nur Produkte, die man physisch berühren kann. In der Softwarebranche sind das beispielsweise Datenträger. US-Konzerne importieren hier tatsächlich viele Waren, wie zum Beispiel Chips. Nicht berücksichtigt werden in der Handelsbilanz jedoch Dienstleistungen, die Unternehmen anbieten. Wenn man bedenkt, wie viele Downloads deren Apps und Services regelmäßig in der EU erreichen, wird klar, dass diese Konzerne in diesem Bereich wesentlich mehr Service-Exporte als Importe generieren. Diese erzeugen auch hohe Gewinne. Die US-Zollpolitik wirkt jedoch nicht direkt auf diese Exporte”, erläutert Fink.

Zölle betreffen Softwarebranche eher indirekt

Demnach befindet sich die Software-Branche im Zollkrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt in einer sehr besonderen Position. Die Produkte dieser Branche, nämlich die Software selbst, können nicht direkt von den Zöllen betroffen sein. Jedoch gibt es sehr wohl indirekte Auswirkungen auf den Sektor, wie Esther Freitag und Stefan Fink zu bedenken geben.

“Softwareunternehmen müssen sich die Frage stellen, ob ihre Produkte wirklich zollrelevant sind. Auch wenn sie nur mit nicht physischen Downloads Gewinne machen, kann die Hardware immer noch von den Zöllen betroffen sein. Das könnte auf lange Sicht die Vorgehensweise von Konzernen beeinflussen. Sie müssen sich überlegen, ob sie die Zollabgaben beeinflussen können, indem sie beispielsweise neue Anbieter für Hardware finden. Viele Importe kommen besonders im Chip-Bereich aus China, ein Land, das die US-Regierung derzeit besonders stark mit Einfuhrzöllen belastet. Hier könnte es von Vorteil sein, zum Beispiel Lieferwege zu analysieren und neu zu strukturieren”, meint Freitag.

Massive Unsicherheit durch „erratische Zollpolitik“

Stefan Fink erklärt, dass sich durch die „erratische Zollpolitik“ der USA die Unsicherheit massiv erhöht, auch im Software-Sektor. Das hat zur Folge, dass viele Konzerne möglicherweise mit größerer Vorsicht bei Investitionen vorgehen könnten, während sich die Nachfrage seitens der Verbraucher:innen wohl verringern würde. “Die Kommunikation der Trump-Regierung wird wohl auch in Zukunft unberechenbar bleiben, was bedeutet, dass auch die Unsicherheit bleibt. Indirekt wird das sehr reale Auswirkungen auf die Softwarebranche haben.”

Ein weiteres Problem kann sich ergeben, wenn die EU zu Gegenmaßnahmen gegen die USA greift. Denn neben Gegenzöllen hat die EU auch noch die Möglichkeit, US-Softwareanbieter auf anderen Wegen stärker zu besteuern. Das würde jedoch auch die Preise für Software in die Höhe treiben. “Sollte die EU US-Softwarekonzerne höher besteuern, verdienen diese dadurch weniger, was höchstwahrscheinlich dazu führen würde, dass Kund:innen mehr zahlen”, so Fink.

Reindustrialisierung der USA „verkennt die ökonomischen Realitäten“

In den USA hat sich die Unsicherheit bereits auf die Verbraucher:innen ausgewirkt, hier sei laut aktuellen Analysen ein Einbruch beim Konsum und beim Vertrauen zu beobachten. In der EU dagegen zeigen sich diese Effekte derzeit noch nicht. Auch sind die Preise für Software bislang noch nicht signifikant gestiegen, weil die Konzerne in der Branche derzeit noch optimistisch sind, was ihr zukünftiges Wachstum angeht.

Die Zollpolitik der US-Regierung kann zusammenfassend zwar durchaus einen Effekt auf die Softwarebranche haben. Auch wenn sich der Handelsstreit in Zukunft nicht weiter verschärft, bleibt die Unsicherheit bestehen. Die Vision von Donald Trump, die Produktion wieder komplett in die USA zu bringen, ist in diesem Bereich auf jeden Fall sehr unrealistisch, sagt Stefan Fink. “Eine Reindustrialisierung der USA verkennt die ökonomischen Realitäten. Es wird immer wieder davon gesprochen, ob es möglich ist, ein iPhone komplett im Inland herzustellen. Das würde die Preise aber so in die Höhe treiben, dass es keinen Sinn machen würde. Der Reinheitsgedanke, mit dem die US-Regierung spielt, ist äußerst unrealistisch, denn er hätte eine gewaltige Wohlstandsminderung zur Folge”, resümiert Fink.

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