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Solarfenster: Wenn aus Glasfenstern kleine Solarkraftwerke werden

Die Michigan State University hat 2021 Solarfenster erhalten ©Ubiquitous Energy
Die Michigan State University hat 2021 Solarfenster erhalten ©Ubiquitous Energy
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Solarenergie lässt sich schon längst nicht mehr nur durch Photovoltaikanlagen auf Häuserdächern oder in Solarparks generieren. Je mehr Nationen sich für eine Energiewende einsetzten, desto mehr Möglichkeiten für die Generierung Erneuerbarer Energien werden auch erforscht. In Barcelona beispielsweise wurde im Frühjahr 2021 Spaniens erster Solar-Bodenbelag zunächst als Pilotprojekt in einem Park verlegt. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Projekte, wobei in Frankreich die Eröffnung einer Solar-Straße bereits gescheitert ist.

Mitte Juli 2021 wurde in Maartensdijk in der Provinz Utrecht der bis dato längste Solar-Radweg der Welt eröffnet. Das Sonnenlicht wird dabei durch Sonnenkollektoren aufgefangen, welche sich unter dem Weg befinden. Möglich macht das, nach Angaben der Projektleitung, eine spezielle lichtdurchlässige Kunststoff-Oberfläche. Den ersten Prognosen zufolge, soll der Weg genügend Strom produzieren, um die Stromversorgung von 40 Haushalten zu garantieren. Darüber hinaus wird die aufgefangene Energie genutzt, um den Radweg zu beleuchten und im Winter eis- und schneefrei zu halten, so die Projektverantwortlichen.

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Aber nicht nur als Dach- oder Bodenbelag lassen sich die Solarmodule auch alternativ verlegen. Andere Forschungsansätze haben auch ganz andere Möglichkeiten im Blick. Insbesondere Solarzellen, welche komplett durchsichtig sind und damit einen quasi unsichtbaren Einsatz auf Fenstern ermöglichen, könnten für moderne Hochhäuser mit Glasfassaden tatsächlich ein Game Changer sein.

Ein Unternehmen, welches bereits seit Jahren an diesem möglichen Gamechanger arbeitet, ist beispielsweise das amerikanische Startup Ubiquitous Energy. Seit der Gründung 2011 setzen diese sich bereits mit der Entwicklung der Solarfenstertechnologie auseinander und entwickeln ihre patentierte, transparente Photovoltaik-Glasbeschichtung. Durch transparente Soalarpaneele, welche wie gewöhnliche Fenster aussehen, sollen so mit Hilfe von Halbleitermaterialien Licht in Elektrizität umwandeln, während zum anderen die Eigenschaften eines Fensters, wie das ungetrübte hinausblicken, nicht beeinträchtigt werden.

Um komplett durchsichtig zu sein, müssen alle Lichtwellen durchgelassen werden, die das menschliche Auge wahrnehmen kann. Absorbiert werden daher nur die Lichtwellen, welche das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann, etwa Infrarot oder Ultraviolet. Der aufgefangene Strom wird über in den Fensterrahmen eingebaute Leitungen weitergeleitet und kann dann in das Gebäude eingespeist werden, um eine Vielzahl von Produkten mit Strom zu versorgen oder die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes zu erhöhen.

Durchsichtige Solarzellen könnten Fenster in kleine Kraftwerke verwandeln

Die Anfänge des Unternehmens liegen im universitären Bereich. So wurde Ubiquitous Energy 2011 von einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Michigan State University (MSU) gegründet. Ein CO-Founder ist der Wissenschaftler Richard Lunt von der MSU. Die MSU selbst in nun auch einer der Projektstandorte, an welchen diese speziellen Fenster-Solarpanelle erstmalig zum Einsatz kommen. So wurden im August 2021 einige der transparenten Solarpaneele auf dem Campus der Universität installiert. 100 Quadratmeter transparentes Solarglas, welche über dem Eingangsbereich des biomedizinische und physikalische Wissenschaftsgebäude installiert wurden, sollen nun genug Strom erzeugen, um die Beleuchtung im Atrium zu betreiben, so die Universität in einer Aussendung.

Im September 2021 lieferte Ubiquitous Energy außerdem den eigenen Angaben nach die Komponenten für die Installation von Japans ersten transparenten Solarfenstern und auch im amerikanischen Colorado wurden Anfang September 2021 in einem Bürogebäude im Zuge eines Pilotprojektes die kleinen Solarkraftwerk installiert.

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Bisher sind die Einbauten größtenteils Teil von Pilot-Projekten. Ein Ersatz für andere Erneuerbare Kraftwerke sind die Fenster-Solarpaneele aber wohl auch in der Zukunft nicht. Denn grundsätzlich sind natürlich Solarkraftwerke, welche das komplette Lichtspektrum absorbieren deutlich effizienter. Das sehen auch die Beteiligten des Startups so. Ihr Produkt soll eher eine Ergänzung zu anderen Erneuerbaren Kraftwerken darstellen. Gegenüber dem Magazin „Fast Company“ gab der Mitbegründer und Chief Technology Officer, Miles Barr an, dass die Solarfenster etwa ein Drittel weniger Energie einfangen, da sie nur das Licht absorbieren, welches für das menschliche Auge nicht sichtbar ist.

Nachdem aber gerade in Industriestaaten viele Häuser mit großen Fensterfronten ausgestattet sind, prognostizieren die Amerikaner:innen ihrem Produkt trotzdem eine große Wirkung. So schätzt das Unternehmen, dass, wenn jährlich weltweit 20 Milliarden Quadratmeter Glas verbaut werden, und wenn das gesamte Glas zur Stromerzeugung genutzt werden würde, könnten die globalen Emissionen um 10 Prozent gesenkt werden.

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Auch wenn sich die Prognosen erstmal bewahrheiten müssen, konnte das Unternehmen bereits einige Investor:innen überzeugen. Wie sie jüngst Anfang Januar 2022 bekannt gaben, konnten sie Ende letzten Jahres eine Serie-B-Finanzierungsrunde in Höhe von 30 Millionen US-Dollar abschließen. Die Erhöhung wurde durch die Beteiligung neuer und bestehender Investoren, darunter Andersen Corporation, ENEOS, Safar Partners, Hostplus, Red Cedar Ventures und Riverhorse Investments, angeführt, so das Startup. Diese hätten somit einschließlich dieser Serie-B-Runde bisher bereits insgesamt 70 Millionen US-Dollar an Finanzmitteln aufgebracht, so Ubiquitous Energy, die sich so in ihrer Arbeit bestätigt sehen.

Inwiefern sich die Solarfenster durchsetzen werden, wird sich erst zeigen müssen. Ein entscheidender Punkt dafür ist zum einen der Wirkungsgrad der Solarpaneele sein und natürlich der Preis. Im Falle des US-amerikanischen Unternehmens Ubiquitous Energy geben diese im Gespräch mit „Fast Company“ an, davon auszugehen, dass die Fenster im Zuge der Produktionserweiterung etwa 30 Prozent teurer sein werden als herkömmliche Fenster.

Somit braucht es eine gewisse Bereitschaft diesen höheren Preis zu bezahlen. Ausgleichen könnte sich das durch eine höhere Energieeffizienz der Gebäude. Denn grundsätzlich ist in diesem Bereich noch viel Luft nach oben. Laut dem Ende 2020 veröffentlichten Bericht des UN-Umweltprogramms „2020 Global Status Report for Buildings and Construction – Towards a zero-emissions, efficient and resilient buildings and construction sector“ machte der Bau- und Gebäudesektor 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen 2019 aus. Natürlich liegt das nicht nur an der schlechten Energieeffizienz von Gebäuden. Doch trotzdem ist der Einfluss von dieser nicht zu unterschätzen. Das nicht nur global, sondern auch innerhalb der Europäischen Union.

EU-Kommission: Sanierungspflicht soll Gebäude-Energieverbrauch deutlich senken

Gebäude für 40 Prozent des Energieverbrauchs in EU verantwortlich

So sind laut der EU-Kommission Gebäude für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Die Zahlen nahmen diese zum Anlass um im Dezember 2021 Überlegungen zu einer Sanierungspflicht für energieineffiziente Gebäude bekannt zu geben. Diese ist Teil eines im Dezember vorgestellten Gesetztesvorschlag der EU-Kommission. So schlägt die EU-Kommission vor, dass ab dem Jahr 2030 alle neuen Gebäude emissionsfrei sein müssen. Für den öffentlichen Sektor würde das, dem Vorschlag zufolge, bereits ab 2027 gelten.

Für Renovierungen werden auf EU-Ebene neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz vorgeschlagen. So sollen bis 2027 15 Prozent des Gebäudebestands mit den schlechtesten Werten in jedem Mitgliedstaat bei Nichtwohngebäuden von der in den Energieausweisen angegebenen Klasse G auf mindestens Klasse F verbessert werden müssen. Bis 2030 ist das gleiche Ziel für Wohngebäude vorgesehen. Bis 2050 soll dann der Gebäudebestand der EU komplett dekarbonisiert sein. Somit werden Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels immer mehr in den Vordergrund rücken. Und das könnte auch bedeuten, dass Solarfenster immer mehr an Bedeutung gewinnen. Spannend ist die Entwicklung jedenfalls.

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