SpawnX: Flucht aus Russland, um in Graz ein Pilz-Startup zu bauen
Vladimir Kaverins bisheriger Lebensweg gleicht einer Achterbahnfahrt: Nach seiner nervenaufreibenden Flucht aus Russland, will er nun in Österreich einen totalen Neuanfang wagen. Bislang hat er sich in den unterschiedlichsten Berufsfeldern ausgetobt – von Trading Consulting Agenturen, bis hin zu Fahrrad- und Autowerkstätten. Nicht lange vor seiner Flucht ist er im Pilz-Business gelandet und war in Russland als CEO sowie Gründer von SpawnX tätig. Dabei hat er sich auf den Bau und Verkauf von “automatisierten Pilz-Stadtfarmen” spezialisiert. Nun ist er mit seiner Familie und seinem Team in Graz. Gemeinsam versuchen sie mit seinem Startup an frühere Erfolge anzuknüpfen.
Zehn Tonnen Pilze auf der russischen Prototyp-Anlage
Vor einigen Jahren begann Kaverin in seiner Heimat Russland damit, sich intensiv mit der Optimierung der Pilzzucht und -versorgung zu beschäftigen. Auch ihm war die Komplexität dahinter anfangs nicht bewusst. Erfolgreiche Pilzproduktion hängt nämlich von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu gehören die genaue Kontrolle der Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit sowie strikte Hygienemaßnahmen. Zudem müssen die Pilze während jedes Wachstumsstadiums sorgfältig überwacht und gepflegt werden, um eine erfolgreiche Ernte zu gewährleisten.
“Ich wusste anfangs nichts und habe sehr viel Zeit damit verbracht, bestehende kleinere Pilzfarmen zu besuchen. Mir ist dabei aufgefallen, dass die meisten ohne automatisierte Prozesse gearbeitet haben”, erinnert sich Kaverin. Genau hier habe er viel Verbesserungspotenzial erkannt und eine Chance gewittert, ein neues Geschäftsmodell zu kreieren, denn sein Team hatte zwar bislang keine Ahnung von der Pilzproduktion, aber bereits Erfahrung mit industrieller Automatisierung. Er war der Meinung, dass die Branche von ihren Fähigkeiten profitieren könne, was sich dann sogar bewahrheitet hat. 2019 konnte er auf der Prototyp-Anlage in einer verlassenen industriellen Sowjetzone monatlich rund zehn Tonnen Pilze unterschiedlicher Art produzieren.
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City-Farmen sollen Transportverluste minimieren
In den Jahren 2020/2021 entwickelte sich SpawnX, ein ursprünglich konventionelles Unternehmen, schließlich zu einem Startup, da es mit dem automatisierten Stadt-Farm-Konzept expandieren wollte und Investor:innen gebraucht hat. Er sagt: “Wir haben festgestellt, dass die übliche „write off rate”, also der Anteil von Pilzen, die in der Lieferkette verloren gehen oder beschädigt werden, bei ganzen 25 Prozent liegt. Dann hatten wir die Idee, unsere Pilzfarmen einfach so nah wie möglich an Käufer:innen zu platzieren. So wurde im Grunde die Kernidee unseres Startups geboren”.
“Alles lief nach Plan…Wir waren kurz davor, die Seed-Runde zu absolvieren…”
Der Krieg hat seinen Zukunftsplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er erinnert sich: “Alles lief nach Plan. Wir hatten bereits unsere industrielle Anlage in Betrieb genommen und schon einige Piloten an Einzelhandelsketten verkauft. Wir waren kurz davor die Seed-Runde zu absolvieren, um den europäischen Markt anzuvisieren. Aber als der Krieg in der Ukraine 2022 begann, wurden alle Pilotprojekte und die Seed-Runde abgesagt. Wir hatten keine Business-Verbindungen nach Europa mehr. So schlug ich vor, uns stattdessen einfach in Europa niederzulassen, doch hatte zu dem Zeitpunkt noch gar keine Ahnung, was uns aufgrund des Krieges noch erwarten würde”.
Flucht aus Russland: Gesperrte Kreditkarten und Flugticket-Chaos
Er und sein Team wollten so schnell wie möglich weg, stießen allerdings früh auf die nächste Hürde: Ihre russischen Kreditkarten funktionierten nämlich im Großteil Europas nicht mehr. Mit etwas Glück kamen sie mit Flugtickets um rund 3000 Euro nach Minsk. Von dort aus wollten sie mit neuen internationalen Kreditkarten weiter.
Der Gründer beschreibt die chaotische Phase vor der Ankunft in Österreich so: “Wir hatten alle große Angst. Einige Flüge kosteten bis zu 25 000 Euro, und das für nur drei Stunden Flugzeit. In Minsk warteten Hunderte von Menschen darauf, dass jemand seinen Flug absagt, nur um selbst ein Ticket zu bekommen. Glücklicherweise konnte ich zu einem relativ normalen Preis weiter nach Tashkent fliegen. Die österreichische Regierung half mir dann dabei, nach Georgien zu kommen.” Sein Wunschziel war zu diesem Zeitpunkt bereits Österreich, allerdings musste er dafür noch etwas Geduld aufbringen.
Endlich in Graz angekommen
Das Team und er nahmen über Cold Calls und E-Mails Kontakt zu zahlreichen lokalen Wissenschaftsprogrammen in Österreich auf und erhielten im Juli 2022 endlich einen Platz beim Science Park Graz-Inkubator. Im Dezember 2022 war er endlich in Österreich und konnte den Relocation-Prozess für das Startup einleiten.
Derzeit befindet sich SpawnX noch im Fundraising-Prozess. Die Unterstützung einiger Mitinvestor:innen konnte Kaverin sich bereits sichern, allerdings fehlen noch immer Hauptinvestor:innen. Das Problem hierbei beschreibt er so: “Alle, die investieren möchten, möchten natürlich vorher auch die fertigen City-Farmen sehen, an denen wir in Österreich ja noch arbeiten müssen. Für die nächsten Schritte, also den Aufbau, brauchen aber 600 000 bis 1 Million Euro Investment. Das ist viel aber wir sind eben kein Software-Startup”.
Kaverin und sein Team haben bereits eine Location für ihre City-Farm gefunden. Ihr Ziel ist es, in ein paar Monaten die volle Kapazität zu erreichen. Er betont, dass ihre Hauptstrategie darin bestehe, den Erfolg, den sie in Russland mit ihrer City-Farm hatten, zu replizieren. Sie beginnen wie damals mit einem “Showroom”, der ihre Pilze für den Anfang an den Einzelhandel liefert. Anschließend soll mit dem Verkauf der City-Farmen Business gemacht werden.
Der Gründer erklärt am Ende, dass mit SpawnX „absolut jede:r eine Pilzfarm betreiben kann, da durch die automatisierten Prozesse keinerlei Fachwissen erforderlich ist“. All you need: Ein Händchen für den Bereich Management.