Sportradar: „eSports ist der am schnellsten wachsende Sport weltweit“
Das Unternehmen Sportradar sammelt Sportdaten von jährlich 260.000 Sportveranstaltungen. Luka Pataky ist im Unternehmen für Innovation und Business Development zuständig. Im Gespräch mit Trending Topics redet er über die Sportwetten-Legalisierung in den USA, Augmented Reality in Asien und den Standort Österreich, der für Sportradar besonders wichtig ist.
Trending Topics: Sportradar wurde im Jahr 2000 gegründet. War es damals schon voraussehbar, dass Daten das neue Öl werden?
Luka Pataky: Wir haben die Wichtigkeit von Daten seit dem Beginn erkannt. Daten waren immer schon ein mächtiges und wertvolles Gut – nicht nur im Sportsektor. Daten können die Geschichte der Vergangenheit untermauern, ein Bild der Gegenwart zeichnen und Zukunftstrends vorhersehen. In den vergangenen Jahren hat auch die Nachfrage qualitativ hochwertiger Daten zugenommen. Daten helfen Menschen faktenbasierte Entscheidungen zu treffen und sich nicht auf Gefühl oder Schätzung verlassen zu müssen.
Der Umgang mit Daten hat sich seit der Firmengründung gewaltig verändert.
Die große Entwicklung seit Sportradar seit fast 20 Jahren existiert, zeigt sich in der Art, wie Daten gesammelt, analysiert und verwendet werden. Fortschritte in der Technologie haben verändert, wie Fans auf Daten zugreifen und mit ihnen interagieren. Die Gesellschaft hat Zugang zu nie da gewesenen Informationsmengen.
Aus der Sicht eines europäisches Datenunternehmens in der digitalen Welt, die aus den USA dominiert wird: Wo sehen Sie die Wettbewerbschancen für Startups und Unternehmen aus der EU?
Der Schlüssel zum Erfolg hat nichts damit zu tun, wo ein Unternehmen herkommt. Man muss einfach flexibel und anpassungsfähig sein. Um im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig zu sein, muss man sich nach den Wünschen der Kunden richten. Sie sollen zu lebenslangen Cheerleadern der Marke werden. Wir haben zwar in der EU unser Headquarter, aber Sport ist so ein globales Phänomen und wir sind überall tätig.
Arbeitet Sportradar auch mit Startups zusammen?
Ja, unser Programm ,Acceleradar‘ richtet sich an alle Startups, die Sportdaten brauchen können. Wir unterstützen sie bei der Entstehung ihres Produkts.
Viele unserer Leser betreiben Startups in CEE. Welchen Rat können Sie ihnen geben, um im Datengeschäft erfolgreich zu sein?
Der Standort sollte nicht erfolgsentscheidend sein. Etwas aus dem Nichts zu beginnen, erfordert viel Hingabe, und das kann nur erreicht werden, wenn man leidenschaftlich an die Arbeit herangeht. Durch die Höhen und Tiefen muss man die Vision klar halten und sich auf die Ziele konzentrieren. Lernen Sie aus Fehlern und von denen, die bereits erfolgreich auf diesem Gebiet waren!
Mit technologischen Fortschritten wie virtueller Realität, künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Blockchain sind die Möglichkeiten, wie Sie Daten nutzen können, endlos. Es ist wichtig, etwas zu finden, das Sie besser oder anders machen können. Vorbereitung, Leidenschaft und Konzentration sind alle Voraussetzungen, um ein erfolgreiches Unternehmen zu werden.
Sportradar hat ein großes Büro in Linz und auch in Wien ist das Büro rasch gewachsen. Was macht den österreichischen Markt attraktiv?
Carsten Koerl, der CEO stammt aus der DACH-Region und einige Schlüsselpersonen in der Anfangszeit kamen aus der DACH-Region. Als 2005/06 die Live-Sportwetten starteten (sie nehmen heute rund 80 Prozent des Wettgeschäftes ein), wurde das von Linz aus gesteuert. Mittlerweile ist das Linzer Büro eines der größten und vielfältigsten in der Gruppe. Dort gibt es Mitarbeiter aus 27 Ländern. Nach der Übernahme der Sportsman-Gruppe und von Laola1 2016 haben wir unsere Präsenz in Österreich erhöht und das Wiener Büro weiter ausgebaut.
Sportradar bietet ein Wettüberwachungssystem für Sportorganisationen an. Wie funktioniert das?
Unsere Integrity-Abteilung setzt sich dafür ein, dass die Sportwetten-Korruption vom Sport ausgeschlossen wird. Mit der Legalisierung von Wetten auf dem US-Markt hat sich der Fokus auf Integritätsdienste intensiviert. Das bietet eine gute Gelegenheit unsere Position als Branchenführer für die Überwachung und Aufdeckung verdächtiger Wettaktivitäten zu stärken. Das Fraud Detection System (FDS) ist eine der Dienstleistungen, die Wettmanipulation im Sport identifiziert.
Wer nutzt das?
Wir kooperieren derzeit mit über 80 Sport-Ligen und Verbänden aus mehr als 20 verschiedenen Sportarten. Seit 2009 nutzen wir unser FDS, um Sportverbände sowie staatliche Behörden und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Wettmanipulationen zu unterstützen. Es ist auf die Anforderungen der jeweiligen Sportart zugeschnitten und wird für die Überwachung vor dem Spiel und für Live-Quoten verwendet.
Diese werden mitverfolgt und mit den berechneten Quoten verglichen. Ist die Abweichung der Quoten größer als ein vorher festgelegter Wert, wird eine Warnmeldung erstellt und ein Analyst prüft, ob der vorliegende Fall näher auf Manipulation untersucht werden muss. Durch die Nachverfolgung der Wettquoten-Entwicklung in einer Vielzahl von Märkten kann das FDS unregelmäßige Wettmuster zu erkennen, die auf Match-Fixing oder sogar den Missbrauch von Insider-Informationen hindeuten können.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie in Echtzeit mit genauen Daten arbeiten? Woher kommen die Daten?
Wir verfügen über interne Prozesse, um das sicherzustellen, dass alle unsere Daten unabhängig von ihrer Erhebung von höchster Qualität sind. Dafür sind setzen wir Datenjournalisten ein. Sie übertragen Live-Daten in Echtzeit über mobile Geräte an die Sportradar-Server. Wir können uns guten Gewissens für die Qualität unserer Daten verbürgen, weil wir der einzige Akteur in der Branche sind, der die gesamte Wertschöpfungskette seiner Daten kontrolliert, von Tools zur Datenerfassung über Erfassungsprozesse bis hin zur Datenverarbeitung für unsere Kunden.
Was muss so ein Datenjournalist können?
Bei der Arbeit geht es um Schnelligkeit und Genauigkeit. Er muss ungeteilte Aufmerksamkeit und Engagement zeigen. Die Bewerber durchlaufen eine umfassende Ausbildung.
Da bewerben sich bestimmt viele Leute.
Ja, wir erhalten jedes Jahr Tausende Bewerbungen für die Positionen unserer Open Datenjournalisten. Nach strenger Schulung und Bewertung schafft es nur Bruchteil. Unsere Kunden verlassen sich auf ihre Geschwindigkeit und Genauigkeit. Wir können zu unserer Qualität stehen, weil wir der einzige Akteur in der Branche sind, der die gesamte Wertschöpfungskette von Daten kontrolliert, von Tools zur Datenerfassung über Erfassungsprozesse bis hin zur Datenverarbeitung für unsere Kunden.
Wie viele dieser Daten-Journalisten sind im Einsatz für Sportradar?
Rund um den Globus haben zirka 7.000 Daten-Journalisten mehr als 250.000 Sportveranstaltungen gecovert im vergangenen Jahr.
Etwas anderes ist auch passiert im vergangenen Jahr – Sie haben es schon kurz erwähnt – die Öffnung von Wetten auf dem US-Markt. Was hat dieser Neuerung bedeutet?
Das war ein großes Thema in unserer Branche. Der US-amerikanische Sportmarkt ist Milliardenbeträge wert und damit ergeben sich viele aufregende Möglichkeiten und einige Herausforderungen. Wir betreten diesen neuen Markt mit dem Ziel, die US-Verbraucher wirklich zu verstehen. Wir möchten die Wahrnehmung von Sportwetten ändern und Skeptiker überzeugen.
Die USA sind insofern einzigartig, als dass jeder Staat seine eigenen Regeln mitbringt. Was in einem Staat funktioniert, funktioniert in einem anderen vielleicht nicht. Sportradar hat eine starke Präsenz auf dem US-amerikanischen Sportmarkt aufgebaut, indem es mit allen vier großen Ligen eine Partnerschaft eingegangen ist.
Wie sehen Sie den boomenden asiatischen Digitalmarkt?
Asien ist für uns ein sehr interessanter Markt. Wir haben unsere physische Präsenz und unsere Sportberichterstattung dort in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Vertreter diverser Sportarten entwickeln ihre Strategien weiter, um Fans in Asien auf verschiedenen Plattformen zu erreichen – vor, während und nach den Sportevents. Der asiatische Markt steht der Anwendung neuer Technologien sehr offen gegenüber und wird auch zukünftig ein zentraler Bestandteil unserer globalen Strategie sein.
Was beschreibt den asiatischen Konsumenten?
Jedes Land erlebt Sport anders. Asien ist besonders offen für neue Technologien, im Bereich der Virtual Reality zum Beispiel. Es wird viel in die digitale Infrastruktur investiert. Wenn wir diese Weise, wie Unternehmen und Sportverbände ihre Fans und Konsumenten über Sportdaten und digitale Inhalte einbeziehen, erweitern, wird der asiatische Markt ein wichtiger Bestandteil unserer globalen Strategie sein. Wir sehen Produkte, die mit Augmented Reality arbeiten und in Japan super gehen, aber in Europa nie funktionieren würden.
eSports wächst schnell – expandiert Sportradar in diesem Bereich?
eSports hat enormes Potenzial. Wenn wir es als Sport sehen – und das tut Sportradar – dann es ist der am schnellsten wachsende Sport weltweit, und zwar bei allen Messwerten wie Preisgeld, Zuschauerzahlen und Sponsoring-Einnahmen. Es hat sich in letzten Jahren von einer Freizeitaktivität zu einem seriösen Sportmodell entwickelt. Zu unseren eSports- Diensten gehören Föderations- und Turniermanagement-Tools, Datenverarbeitung, das Geschäft mit Medienrechten und Dienstleistungen für die Sportintegrität sowie ein komplettes Paket an Daten- und Wettquotenprodukten für unsere Medien- und Sportwetten-Kunden.
Kürzlich haben wir mit DOJO Madness, dem führenden Big-Data-Unternehmen in Bereich eSports, Bayes eSports Solutions gegründet – ein Joint Venture, das eSport-Datenprodukte für Geschäftskunden wie Wettanbieter, eSports Broadcaster und Unternehmen im Bereich der allgemeinen Medien vertreibt.
Wie schätzen Sie diese Entwicklung für die Gesellschaft und das Bild von Sport ein?
Das macht einen großen Unterschied. Die Generation Z ist damit nicht auf bestimmte physische Eigenschaften angewiesen, um in einem Sport erfolgreich zu sein. Das spielt bei eSport keine Rolle. Professionelle Gamer haben genauso die ganze Industrie dahinter, Sponsoren, Verträge etc. Sie werden wohl genauso Berühmtheit erlangen wie David Backham, Messi und co. Viele Junge kennen jetzt schon die Namen von den Computerspielern. eSports werden traditionelle Sportarten nicht ersetzen. Noch vor fünf Jahren haben Leute gelacht, als jemand eSport als olympische Disziplin vorschlug, aber ich glaube, das könnte wirklich passieren.