Staatssekretärin für Digitales: „Man muss nicht immer nach Silicon Valley fahren, wir haben viele kluge Köpfe“
Seit 26. Jänner ist Sonja Steßl, bisher Staatssekretärin für Verwaltung und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt, auch den Bereich Digitales zuständig – und damit so etwas wie der Gegenpart der SPÖ zu Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP). Neben eGovernment, IT-Sicherheit und eLearning will sich Steßl auch um die Start-up-Szene kümmern und deren Rahmenbedingungen verbessern. Im Interview spricht sie über Runtastic, Förderprogramme, das Pioneers Festival, den von der Start-up-Community geforderten Investitionsfreibetrag und technische Mittel gegen Hass-Postings.
+++Dieses Interview ist bereits in der HORIZONT-Ausgabe 6/16 erschienen. Hier geht es zu den Abos.+++
Sie sind seit kurzem Staatssekretärin für Digitales. Warum wurde das Amt eingerichtet und welche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sind aus dem BMVIT zu Ihnen verlegt worden?
Sonja Steßl: Wichtig ist, dass das Thema Digitalisierung ins Zentrum gerückt wird und es ein eigenes Staatssekretariat dafür gibt. Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie, deswegen passt das gut ins Bundeskanzleramt, weil wir eine koordinierende Funktion haben. Einiges habe ich bereits vorbereitet, etwa die Digital Roadmap, an der wir seit dem letzten Jahr arbeiten und nächste Woche bei einer großen Konferenz den Zwischenbericht vorstellen und die online-Konsultation für alle starten. Die Abgrenzung zum BMVIT sieht so aus, dass das BMVIT weiter für Infrastruktur zuständig ist, also im Wesentlichen für das Breitband. Wir im Staatssekretariat machen alles, was mit Software-basierten Anwendungen zu tun hat, beispielsweise das Förderprogramm AT:net (Förderprogramm der FFG mit einem Gesamtförderbudget bis zu 14,2 Millionen Euro, Anm.), wo etwa Runtastic gefördert wurde. Auch beim Thema eLearning und digitale Schule werden wir Akzente setzen.
Welches Budget haben Sie zur Verfügung?
20 Millionen Euro pro Jahr.
Welche Ziele wollen Sie 2016 erreichen?
Das Thema Digitalisierung ist noch nicht in den Köpfen der breiten Öffentlichkeit. Wir in Österreich müssen sagen: Ja, wir leben in einer digitalisierten Welt und ja, wir wollen das Optimum herausholen..Bei der Konferenz zur Digital Roadmap (am 18. Februar, Anm.) mit etwa 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern soll unser Papier breit diskutiert werden. Mir ist wichtig, dass wir den Prozess offen und mit der Möglichkeit zur Online-Partizipation gestalten und auch die Start-up-Community dabei ist, denn diese bewegt sich halt nicht in Kammern und etablierten Gremien. Das Thema geht aber darüber hinaus: Ich war kürzlich in einem Betrieb, in dem in den Produktionshallen nahezu keine Menschen zu sehen sind. Jetzt kann man sagen: Um Gottes Willen, wir müssen die Digitalisierung aufhalten. Oder man fragt sich: Wie nützen wir sie am besten, um neue Beschäftigungsfelder und neue Arbeitsplätze zu schaffen? Digitale Kompetenz ist neben Schreiben, Rechnen und Lesen die vierte Kulturtechnik, die Menschen müssen damit umgehen können. Da haben wir in Österreich einiges zu verbessern, auch was die Rahmenbedingungen angeht.
Bleiben wir beim Start-up-Thema: Welche Produkte österreichischer Jungfirmen nutzen Sie selbst? Gehen Sie mit Runtastic laufen?
Ich gehe nicht laufen. Aber ich finde die verschiedenen Anwendungen wirklich cool, will jetzt aber keine Werbung für einzelne machen. Ich sehe mir jedes Jahr beim eDay der WKO neue Digitalprodukte an, und werde dieses Jahr aufs Pioneers Festival kommen. Man muss nicht immer nach Silicon Valley fahren, wir haben bei uns so viele kluge Köpfe und kreative Unternehmen, und die gilt es zu unterstützen. Nehmen Sie die Firmen, die rund um Hagenberg in Oberösterreich, Wien und auch in anderen Bundesländern entstehen. Österreich muss sein Licht keinesfalls unter den Scheffel stellen.
Punkto Unterstützung für Start-ups: Die Community hat bereits im Vorjahr vehement einen Investitionsfreibetrag gefordert. Das Argument: Leute mit Geld sollen so einen Anreiz bekommen, in heimische Start-ups zu investieren, anstatt das Kapital auf Sparbüchern oder in Stiftungen zu parken. Wird das kommen?
Wir haben bereits eine KMU-Finanzierungsgesellschaft in der Regierung vereinbart und warten auf die legistische Ausarbeitung. Das ist nicht der klassische Investitionsfreibetrag, den Sie ansprechen, sondern es soll mit einem gedeckelten KESt-Freibetrag ein Anreiz geschaffen werden, in KMUs zu investieren. Wir haben auch die Regelungen gelockert, wie Start-ups zu aws-Förderungen kommen können. Ein weiterer Bereich, der Start-ups betrifft, ist die GmbH light, bei der die Mindest-KöSt in den ersten zehn Jahren niedriger ist. Außerdem haben wir die Senkung der Lohnnebenkosten ab 2017 und das Gemeinnützigkeitspaket, das Anreize zur Gründung gemeinnütziger Stiftungen schaffen soll, beschlossen. Also alles Maßnahmen, die die Gründerszene – und natürlich auch Start-ups – betreffen.
Aber konkret der Investitionsfreibetrag, den sich auch Staatssekretär Harald Mahrer (VP) wünscht?
Nochmal, wir haben den gedeckelten KESt-Freibetrag, der einen ähnlichen Zweck verfolgt, beschlossen. Ich denke, den sollten wir mal abwarten, und dann können wir allenfalls Adaptierungen machen.
Der gerade erwähnte Staatssekretär Mahrer (hier im Interview), der vergangenes Jahr eine Gründerlandstrategie vorgelegt hat – wie läuft die Zusammenarbeit zwischen ihm und Ihnen?
Mit Harald Mahrer habe ich eine gute Zusammenarbeit, seit dem Vorjahr machen wir die Digital Roadmap gemeinsam. Die Arbeit funktioniert sehr gut und friktionsfrei. Was das Steuerliche betrifft, koordiniere ich mich direkt mit dem BMF.
Die Junge Wirtschaft hat gefordert, dass Start-ups Mitarbeiter einfacher beteiligen können, um Talente im Land halten zu können. Könnte das kommen?
Nun, es wurde etwa der Freibetrag für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung auf 3000 Euro verdoppelt, also es sind schon Initiativen gesetzt worden. Oder auch der wichtiger Punkt Kultur des Scheiterns, wo wir den Zugang zu aws-Förderungen erleichtern. Wenn also jemand mit einem Projekt scheitert, kann er heute leichter eine Förderung in einem anderen Bereich bekommen. Ich bin natürlich immer offen für neue Dinge und hoffe, dass sich Start-ups in Österreich wohlfühlen.
Das gerade von Ihnen angesprochene Thema Scheitern: In Österreich, so der Eindruck einiger, herrsche eine unternehmerfeindliche Kultur, in der ein gescheiterter Unternehmer als Versager gilt, der der Gesellschaft auf der Tasche liegt. Wie könnte man diesen Mindset ändern?
Mit Erfolgsbeispielen, nur so können wir in der gesamten Bevölkerung für Verständnis werben. Mir geht es immer darum, dass sich die Community ernst genommen fühlt. Wir haben großes Potenzial, das wir nützen sollten.
In der Start-up-Community, so mein Eindruck, wird die SPÖ als Blockierer wahrgenommen, was Start-up-Förderung angeht. Wird sich das mit Ihnen ändern?
Ich halte auch nichts von der Blockierer-Partie. Es gibt verschiedenste Ansätze und auch verschiedene Zugänge. Mein Politikverständnis war und ist es immer, auf einander zuzugehen und Lösungen zu finden.
Zur Sozialdemokratie würde es ganz gut passen, sich für den kleinen österreichischen Mann, den kleinen Start-up-Gründer einzusetzen.
Ja, erstens das und zweitens hat die Sozialdemokratie zu Zeiten der Industrialisierung Kraft geschöpft, als Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft haben. Die Digitalisierung ist auch ein sehr sozialdemokratisches Thema, denn wir müssen aufpassen, dass keine digitale Kluft entsteht und wir müssen auch auf die immer mehr werdenden Einzelunternehmer achten. Hinzu kommt, dass junge Menschen heute einen ganz anderen Zugang zur Arbeitswelt haben – das sind alles Fragen, die wir im Rahmen der Digital Roadmap bearbeiten werden.
Stichwort digitale Kluft, womit wir bei der Ausbildung sind. Wie stehen Sie zu Programmierunterricht an allen Schulen? In Australien gibt es bereits ab der Volksschule Programmierstunden.
Ich weiß nicht, ob es nur das Programmieren ist. Mir geht es um die digitale Kompetenz im weiteren Sinne. Die Schulen müssen sich noch mehr auf die Digitalisierung einstellen, keine Frage.
Wie müsste so eine Schulstunde, in der digitale Kompetenz vermittelt wird, Ihrer Meinung nach aussehen?
Ich habe unlängst ein sensationelles Computer-Programm gesehen, mit dem Schüler auf Tablets die Anatomie des Menschen in 3D erleben. Es ist wichtig, mit digitalen Medien zu lernen, aber mindestens genauso wichtig ist der kritische Umgang, dass nicht alles richtig sein muss, was im Internet steht. Das sind auch Skills, die in der Schule vermittelt werden sollen.
Die Online-Foren vieler Zeitungen sind voller Hass-Postings und hetzerischen Beiträgen von Nutzern. Ihre Position in der Klarnamendebatte?
Das Thema muss breit diskutiert werden, weil es einerseits um Grundfreiheiten geht. aber andererseits unter dem Schutz der Anonymität viel leichter etwas behauptet wird. Was das Strafgesetz angeht, haben wir Verschiedenes am Laufen, und auch immer mehr Online-Medien verlangen, dass man sich zum Kommentieren registrieren muss.
Die eindeutige Identifizierung einer Person ist nicht einfach, Registrieren kann man sich mit einer beliebigen E-Mail-Adresse.
Ein Gedanke: Wir bieten mit der Handy-Signatur ja einen verlässlichen elektronischen Ausweis im Internet an. Mit solchen Registrierungsmaßnahmen könnte darauf geachtet werden, dass der Nutzer wirklich der ist, der er vorgibt zu sein.Ob der Klarname dann nur der Redaktion bekannt ist, oder auch veröffentlicht wird, ist zu diskutieren.
Der Blick auf verschiedene Facebook-Seiten zeigt allerdings, dass echte Identitäten kein Garant dafür sind, dass keine Hetze betrieben wird. Klarnamen schützen ja nicht vor Hasspostings.
Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Die Hetze im Internet ist ein gesellschaftliches Thema, dem wir uns annehmen müssen. Ich habe immer den Zugang der Bewusstseinsbildung. Wir leben in einer Zeit, in der das größte Medienunternehmen nicht mehr seine eigenen Nachrichten produziert. Facebook schreibt keine Nachrichten, jeder auf der Welt kann sie schreiben. Hetze, ob digital oder analog, ist zu verachten. Menschenrechte gelten offline und online. Es braucht eine internationale Lösung, das Internet hört ja nicht an den Grenzen Österreichs auf.
Sehr wichtig bei der weltweiten Digitalisierung ist Datenschutz. Halten Sie das neue Datenschutzabkommen “Privacy Shield” zwischen den EU und USA für ausreichend?
Ein wenig stolz bin ich schon, dass ein Österreicher Safe Harbor zu Fall gebracht hat. Ich ziehe den Hut vor Max Schrems. Grundsätzlich ist Minister Josef Ostermayer für Datenschutz zuständig, und es liegt uns noch keine juristische Ausarbeitung von “Privacy Shield” vor. Solange der Rechtstext noch ausgearbeitet wird, bitte ich um Verständnis, dass ich das nicht kommentiere.
Anders gefragt: Muss “Privacy Shield” strenger sein als “Safe Harbor”?
In Österreich haben wir ja ein sehr hohes Datenschutzniveau. Für mich ist es wichtig, dass das nicht hinunternivelliert wird. Wirtschaftlich gedacht könnte ein hoher Datenschutz interessant sein.
HORIZONT: Datenschutz als Standortvorteil?
Genau, so ist es.
HORIZONT: Noch einmal kurz zum Start-up-Thema zurück. Der britische Premier Cameron hat Start-ups zum Pitchen in die Downing Street geladen. Gibt es auch mal einen Termin für österreichische Start-ups im Bundeskanzleramt?
Ich habe verschiedenste Runden, unter anderem mit Führungskräfte-Frauen aus dem IKT-Bereich. Das werden wir ausbauen. Mir ist es vor allem wichtig, dass ich Kontakt mit der Szene habe. Seien Sie gespannt, wir werden da noch viele Initiativen bringen. Ich habe schon sehr viele Ideen, und auf die österreichischen Start-ups werde ich sicher nicht vergessen.