„Stablecoin“ UST kollabiert vor den Augen der Krypto-Community
Als wäre der Crash von Krypto-Assets nicht genug, muss die Krypto-Industrie aktuell live mitverfolgen, wie eines der aufstrebenden Assets des Jahres 2021 gerade implodiert. Es handelt sich natürlich um die Terra-Blockchain, die großmundig mit dem Versprechen, einen algorithmischen Stablecoin zu schaffen, angetreten ist. Nach Rekordwerten für den LUNA-Token und dem Aufstieg von Terra USD (UST) zum dritt größten Stablecoin der Branche hinter Tether (USDT) und USD Coin (USDC) fällt das Kartenhaus nun in sich zusammen.
So hat der „Stablecoin“ UST (verdient er den Namen noch?) seine 1:1 Bindung an den US-Dollar verloren (den so genannten „Peg“) und ist aktuell nur mehr etwa 30 bis 50 Cent wert – und fällt stündlich weiter. Noch schlimmer steht es um den LUNA-Token, mit dessen Hilfe in der Vergangenheit die UST-Coins kreiert wurden. LUNA hat innerhalb der vergangenen 7 Tage 95 Prozent seines Wertes verloren und ist damit kein verlässlicher Token mehr, den man noch UST wechseln kann. Die Versuche von Terraform Labs-Gründer Do Kwon, den „Stablecoin“ durch Verkäufe von Bitcoin zu retten, sind bisher fehlgeschlagen. Er will nun mehr LUNA-Token erstellen lassen, um UST wieder Richtung 1 Dollar zu bringen, und mittelfristig andere Sicherheiten für den „Stablecoin“ einführen. Hier sein neuer Twitter-Thread:
Reserve der Luna Foundation Guard ist fast leer
Die Reserve der Luna Foundation Guard (LFG) ist bis auf Restbestände von AVAX-Token im Gegenwert von etwa 100 Millionen Dollar fast leer. Damit gibt es kaum mehr Assets, in die man UST noch wechseln könnte, da ja auch der LUNA-Token verfallen ist. Bisher entstanden UST folgendermaßen: LUNA-Token wurden vernichtet („Burn“), um neue UST zu schaffen. Und umgekehrt konnte man UST zerstören, um wieder LUNA im entsprechenden Gegenwert zu erhalten. Do Kwon, der angesichts der Turbulenzen am Krypto-Markt wohl schon ahnte, dass die Sache nicht sehr stabil ist, wollte zuletzt auch ermöglichen, dass man UST zerstören und dafür BTC bekommt. Doch auch das half nichts.
Eigentlich liegt Terra und UST eine spannende Idee zugrunde: Um den Dollar-Peg stabil zu halten, sollte ein Algorithmus dafür sorgen, dass es bei steigender Nachfrage zu einem größeren Angebot kommt und umgekehrt – die 1:1-Bindung an den Dollar also nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Das prinzipiell von vielen Krypto-Afficionados für gut befundene Prinzip scheiterte dann an der Praxis und ihrer Marktrealität. Doch Projekte wie Terra sind aus regulatorischer Sicht sehr schwierig. Terra UST könnte etwa die geplanten MiCA-Regeln in der EU für Stablecoins nicht erfüllen und wäre so künftig de facto verboten.
Preisentwicklung von Terra USD in den letzten 7 Tagen:
Preisentwicklung von LUNA in den letzten 7 Tagen:
Preisentwicklung von Anchor Protocol in den letzten 7 Tagen:
Angesichts des Terra-Desasters äußerte sich auch bald US-Finanzministerin Janet Yellen. „Ein Stablecoin namens TerraUSD erlebte einen Run und verlor an Wert“, sagte Yellen. „Ich denke, das zeigt einfach, dass es sich um ein schnell wachsendes Produkt handelt und dass es Risiken für die Finanzstabilität gibt und wir einen angemessenen Rahmen brauchen.“ Sie fordert nun im Laufe des Jahres eine schnelle Regulierung für Stablecoins.
UST wurde plötzlich aus Anchor abgezogen
Die Marktkapitalisierung von UST ist innerhalb eines Tages von 16 Milliarden Dollar auf aktuell nur mehr etwa fünf Milliarden Dollar implodiert. Währenddessen können die anderen Stablecoins im Markt, USDT und USDC, noch zeigen, dass sie ihren Dollar-Peg halten können. Sie sind nicht mehrheitlich durch einen (mehr als wackligen) Token oder andere Krypto-Assets gedeckt, sondern durch Cash, Cash-Äquivalente oder Schuldverschreibungen. Das erweist sich in der aktuellen Situation als stabiler, auch wenn es auch bei diesen Stablecoins Kritik an der Deckung gibt.
Begonnen hat das Desaster für Terra, LUNA und UST am Wochenende, nachdem der gesamte Krypto-Markt in Folge der US-Zinswende starke Einbrüche sah. UST wurde bis vor kurzem hauptsächlich im Lending-Protokoll Anchor Protocol, dem wichtigsten und größten DeFi-Projekt auf der Terra-Blockchain, eingesetzt. Via Anchor wurden UST im Gegenwert von hunderten Millionen Dollar verliehen, mit dem Versprechen, dass es dafür satte zinsähnliche Erträge (APY, Annual Percentage Yield) von bis zu 20 Prozent gebe. Während die UST-Menge im Protokoll über die vergangenen Monate stark anstieg, implodierte die Menge am Wochenende, als Trader plötzlich große Mengen an UST abzogen.
Koordinierter Angriff auf Terra?
Nun kommen in der Krypto-Community Spekulationen auf, dass es sich um einen Angriff auf Terra, LUNA und UST gehandelt haben könnte. OnChainWizard, ein Krypto-Analyst, geht davon aus, dass es eine koordinierte und monatelang vorbereitete Attacke auf UST gegeben hat. Dazu wurde eine Short Position (ergo Wette auf den Kursverfall von UST) geöffnet, und dann (vereinfacht gesagt) Tricks wie dem massenhaften Verkauf von UST versucht, einen Bank Run auszulösen. Binance, die größte Krypto-Exchange, schränkte den Handel mit UST und Terra schließlich ein.
„Es gibt keine Details darüber, wo sie sich eingedeckt haben, aber wenn sie in der Lage sind, die gesamte Position zu ~32.000 $ einzudecken (oder zurückzukaufen), bedeutet das, dass sie 952 Mio. $ mit der Shortposition verdient haben“, heißt es seitens OnChainWizard. Aber auch der Analyst gibt zu, dass seine These mit vielen „Wenns“ und Abers“ gespickt ist.