Stablecoins: Tether, die tickende Zeitbombe im Krypto-Business
Es ist ein klares Zeichen: Wenn Krypto-Trader:innen plötzlich damit beginnen, Token gegen andere Assets zu tauschen, dann ist etwas im Busch. Gerade passiert das beim Stablecoin Tether (USDT), der 1:1 an den Dollar-Kurs gebunden ist. Seit 2015 wird Tether von den gleichen Unternehmern herausgegeben, die auch hinter der Krypto-Börse Bitfinex stecken, und seitdem hat sich USDT zum unverzichtbaren Instrument für Krypto-Handel entwickelt.
Doch seit genauso vielen Jahren schwelt auch die Frage: Durch was wird Tether eigentlich gedeckt? Als unregulierter Krypto-Token unterliegt USDT keiner Aufsicht, weswegen in einer Art Selbstkontrolle ab und zu Testate veröffentlicht werden. In denen steht eher unkonkret, dass die aktuelle Menge von USDT ( ca. 68 Milliarden Dollar) hauptsächlich durch US-Staatsanleihen (U.S. Treasury Bills, ca. 47%) und Schuldverschreibungen (ca. 25%) hinterlegt ist. Wer also USDT bei Tether Limited wieder eintauschen will, würde im Gegenzug Staatsanleihen und Schuldverschreibungen bekommen – und keine US-Dollar, wie manche annehmen würden.
Und das passiert aktuell täglich. Seit Anfang Mai, kurz nachdem am 4. Mai die US-Zinswende eingeleitet wurde und der Krypto-Markt crashte, wurden USDT im Gegenwert von 15 Milliarden Dollar zurück gegeben – das entspricht fast 20 Prozent der ursprünglichen Menge. Das Vertrauen in Stablecoins wurde nach dem 4. Mai durch den Kollaps des algorithmischen „Stablecoins“ UST (du weißt schon, Terra/LUNA) massiv erschüttert (Trending Topics berichtete).
Tether: Hedge Fund wettet auf Implosion des umstrittenen Stablecoin
Keiner weiß genau, was in der Tether Reserve drin ist
Nun stellt sich für viele die Frage: Wäre Tether zahlungsfähig für den Fall, alle USDT-Besitzer:innen würden sich an die Firma wenden und die restlichen 68 Milliarden Dollar eintauschen wollen? „Ich bin der festen Überzeugung, dass [Tether] vollständig abgesichert ist und Sie niemals Probleme haben werden, es einzulösen“, sagt etwa Reeve Collins, ehemaliger Tether-Mitgründer, schon länger aus dem Unternehmen ausgestiegen. „Ich glaube fest daran, dass sie immer in der Lage sein werden, zu einem Dollar zu liquidieren, denn ich bezweifle, dass 100 % ihrer Reserven zum selben Zeitpunkt in Anspruch genommen werden.“
Genau: „glauben“. Mit dem Vertrauen hat Tether ein massives Problem. Nicht nur, dass das Unternehmen in der Vergangenheit äußerst zögerlich war, sich in die Reserve blicken zu lassen (bisherige Testate kommen von anderen Firmen auf den Cayman Islands), vielmehr wurde Tether bereits mehrmals zu satten Straffen verurteilt – 41 Millionen Dollar mussten wegen irreführender Aussagen zu den USDT-Reserven bezahlt werden, weitere 18,5 Millionen Dollar wegen illegaler Aktivitäten. Ein Hedge-Fonds ist im März 2022 die Wette eingegangen, dass Tether implodieren wird (Trending Topics berichtete). Zuvor hat bereits der Shortseller Hindenburg Research die Jagd auf Tether eröffnet.
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USDC positioniert sich als das bessere USDT
Auch wenn der 1:1-Peg an den US-Dollar (meistens) hält, ist das Vertrauen in den Stablecoin-Marktführer erschüttert – stetig sinkt die Menge an USDT im Umlauf, einschlechtes Zeichen. Aber der Markt wäre nicht der Markt, wenn er darauf keine Antwort hätte. Die Antwort heißt in diesem Fall: USD Coin. Genau. Nach Bitfinex haben sich auch andere Krypto-Börsen bzw. Krypto-Unternehmen aufgemacht, ihre eigenen Stablecoins zu schaffen. Hinter USDC steckt Centre, ein Joint Venture zwischen den US-Firmen Circle und Coinbase.
Während Tether nun ständig weiter schrumpft, konnte USDC seit Anfang 2021 stetig Marktanteile dazu gewinnen und gilt vielen nun als der vertrauenswürdigere Stablecoin. Mittlerweile sind USDC im Gegenwert von 56 Milliarden Dollar im Umlauf – es ist nur eine Frage der Zeit, bis USDC Tether als Marktführer ablöst. Branchenbeobachter:innen könnte dieser Wechsel an der Spitze noch im Laufe von 2022 passieren, wenn der Trend anhält.
Auch Circle, das nach massiven Finanzierungsrunden an die Börse gehen und eine Bank werden will, behauptet, dass sich ein USDC-Token jederzeit gegen einen US-Dollar tauschen lässt. Im Juni waren 14 der 55 Milliarden USDC in Cash hinterlegt, und weitere 41,2 Milliarden USDC durch US-Staatsanleihen. Wer USDC zurückgeben will, bekommt dafür als vor allem US-Staatsanleihen zurück. Das kann gefallen, muss aber nicht.
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„Potenziell destabilisierende Runs“
Wie genau die US-Notenbank Federal Reserve USDC kennt oder nicht, ist nicht ganz klar. Jedenfalls finden sich in der Fed nach dem Terra-Kollaps keine großen Fans von Stablecoins. „Stablecoins, die nicht mit sicheren und ausreichend liquiden Vermögenswerten unterlegt sind und keinen angemessenen Regulierungsstandards unterliegen, schaffen Risiken für Anleger und möglicherweise für das Finanzsystem, einschließlich der Anfälligkeit für potenziell destabilisierende Runs“, heißt es in einem aktuellem Fed-Bericht. „Diese Schwachstellen können durch mangelnde Transparenz in Bezug auf das Risiko und die Liquidität von Vermögenswerten, die Stablecoins unterlegen, noch verschärft werden.“
Die Warnung vor solchen Bank Runs kommt nicht von ungefähr. Sowohl bei Terra USD als auch bei Celsius Network konnte man solche Bank Runs live miterleben – also der Versuch der Nutzer:innen, so schnell wie möglich ihre Assets aus dem System zu bekommen, bevor es zusammenbricht oder nicht mehr gezahlt werden kann. Es sind die digitalen Pendants zu den Warteschlangen vor Banken in Krisenzeiten – und Pessimist:innen meinen nun, dass ein solcher Bank Run auch bei Tether bevorstehen könnte.
Bei Tether weiß man um die Schwächen und Probleme des Konstrukts und den Aufstieg von USDC am besten. In einem aktuellen Blog-Post versucht man Vertrauen zu schaffen und bezeichnet USDT als die „Blaupause der Stablecoins“. Nach einem Seitenhieb auf Terra/LUNA heißt es da dann auch: Selbst wenn der Kurs von USDT an einer Börse die 1:1-Bindung an den Dollar verliert, man werde immer einen USDT-Token gegen einen Dollar tauschen können.
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