Starkregenfälle in Westeuropa: Häufigkeit und Intensität nehmen durch Klimakrise deutlich zu
In den letzten Wochen scheint die Anzahl von Extremwettern und Naturkatastrophen exponentiell zu steigen. Während im Süden Europas, den USA, Kanada und Australien Feuerwände ganze Waldstriche zerstören, hat Haiti mit den Folgen eines schweren Erdbebens zu kämpfen und in Japan stellen Starkregenfälle und in weiterer Folge Erdrutsche die Menschen vor schwere Herausforderungen. Zu Starkregenfällen kam es aber nicht nur in Japan. In nur drei Tagen, vom 12. bis 15. Juli 2021, brachte das Wettertief „Bernd“ heftige Regenfälle und führte dadurch in den deutschen Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in Luxemburg und entlang der Maas und einiger ihrer Nebenflüsse in Belgien und den Niederlanden zu schweren Überflutungen mit über 200 Todesopfern und enormen Sachschäden in Milliardenhöhe. Auch in Österreich und der Schweiz kämpften die Menschen mit reißenden Wassermassen nach starken Regenfällen.
In dem zuletzt veröffentlichten ersten Teil des sechsten Sachstandsberichtes des UN-Weltklimarats wurde als eine Haupterkenntnis ganz klar festgehalten, dass sich Extremwetterfälle wie die der letzten Woche in Folge der steigenden Erderwärmung häufen werden. Außerdem bestätigten die Forschenden ebenfalls, dass der globale Wasserkreislauf in Folge der Klimakrise tangiert wird. Das hat dann wiederum Auswirkungen auf die weltweiten Niederschläge.
Bis zu neunmal höhere Wahrscheinlichkeit für Starkregen
Die direkte Zuordnung von einzelnen Katastrophenfällen zu der Klimakrise ist hingegen zumeist nicht so eindeutig. So äußerte sich Stefan Rahmstorf, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC) bezüglich der Überflutungen in Deutschland: „Das Wettergeschehen ist heute immer ein Zusammenspiel aus dem üblichen Wetterzufall und den veränderten Randbedingungen durch die stark erhöhte Treibhausgasmenge in unserer Atmosphäre.“ Nun aber untersuchte ein internationales Forschungsteam mit 39 Forscher:innen aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich, den USA und den Vereinigten Königreich im Rahmen der World Weather Attribution Initiative die Regenfälle Mitte Juli in einer aktuellen Studie genauer. Die Erkenntnis: Die Klimakrise hat die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solchen extremen Regenfällen kommt, deutlich erhöht.
In einer Attributionsstudie, einer Zuordnungsstudie, vergleichen die Forschenden das aktuelle Klima, welches jetzt schon 1,2 Grad wärmer ist, mit dem Klima vor Beginn der Industrialisierung. In der aktuellen Studie wurden dafür nun schwerpunktmäßig die Niederschläge in den deutschen Gebieten um die Flüsse Ahr und Erft und um die Ortsteile entlang der Maas in Belgien anhand von Beobachtungen, regionalen Klimamodellen und sehr hoch auflösenden Klimamodellen miteinander verglichen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die beobachteten Niederschlagsmengen die historisch beobachteten Niederschlagsrekorde um ein Vielfaches übertroffen haben, so die Forschenden.
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Auch die Intensität der Regenfälle steigt
Tatsächliche Aussagen zu einer übergeordneten Verbindung zur Klimakrise und möglichen Zukunftsprognosen lassen sich aber aufgrund der Größe der Regionen und den bisherigen Methoden nur schwer treffen. Daher haben sie die zu untersuchende Region vergrößert und analysiert, wie wahrscheinlich solche Regenfälle in einer größeren Region Westeuropas, in welcher sie den Westen Deutschlands, Frankreich, den östlichen Teil von Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und dem Norden der Schweiz zusammenfassten, sind.
Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass solche Regenfälle, wie die im Juli etwa, an einem bestimmten Ort innerhalb dieser größeren Region alle 400 Jahre auftreten. Das allerdings zu den jetzigen klimatischen Bedingungen. Für die gesamte Region bedeutet das hingegen, dass solche Extremwetterereignisse häufiger auftreten, so die Erwartung der Forschenden.
Dabei hat sich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solchen Wettereignissen kommt, bereits jetzt um um einen Faktor zwischen 1,2 und 9 durch die Erderwärmung erhöht, so die Ergebnisse der Studie. Auch die Intensität der Regenfälle ist durch die Erwärmung betroffen und hat sich schon jetzt deutlich erhöht. In relativen Zahlen ausgedrückt liegt der Anstieg in der Großregion bei etwa 3 bis 19 Prozent, verglichen mit dem globalen Klima vor der industriellen Zeit.
Die Forschenden haben auch untersucht, welche Auswirkungen eine Erderwärmung um 2 Grad haben könnte. Laut den Forschenden würden die Modelle darauf hindeuten, dass die Intensität eines eintägigen Ereignisses um weitere 0,8 bis 6 Prozent steige. Auch die Wahrscheinlichkeit solcher Extremregenfälle könnte um einen Faktor von 1,2 bis 1,4 zunehmen.
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Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen
Je mehr die Erderwärmung voran schreitet, desto mehr wird der natürliche Wasserkreislauf davon beeinflusst. Durch höhere Temperaturen verdunstet mehr Wasser. So nehmen lokal Dürreperioden zu, während in anderen Regionen durch den höheren Wassergehalt in der Atmosphäre die Gefahr von extremen Regenfällen steigt. Stefan Rahmstorf vom PIK dazu: „Das ist eine Folge der Physik: Pro Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen und dann auch abregnen.“ Dementsprechend wird ohne die signifikante Reduzierung der Treibhausgasemissionen die Erderwärmung weiter zunehmen, der Wasserkreislauf stärker beeinflusst werden und die Niederschlagsmengen werden weiter steigen.