Wie man die Bewertung eines Startups berechnen kann
Die Wachstumschancen scheinen riesig, das Team steht gut da, die Technologie ist vielversprechend. Aber wie viel ist das Startup nun genau wert? In diesem Gastbeitrag beschäftigen sich Berthold Baurek-Karlic von Venionaire Capital und Georg Jeitler, Partner bei Grant Thornton, mit dem Thema Unternehmensbewertung im Startup-Sektor.
Unternehmensbewertung ist ein komplexes Thema und nicht ohne Grund regelmäßig teuer und aufwändig. In Österreich bewertet man Unternehmen nach dem sogenannten Fachgutachten KFS/BW1. Der Regelkatalog der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist sehr klar, und dient typischerweise einer objektivierten Unternehmensbewertung. Wer Gutachten erstellt, haftet allerdings – daher wird es nicht wenig verwundern, dass diese schnell zwischen 8.000 und 40.000 Euro kosten können. In Streitfällen, bei Mergern, Unternehmensverkäufen oder ähnlichen – auch steuerlich relevanten – Vorgängen kommt man um solche Gutachten nicht herum. Für Kapitalerhöhungen sind diese jedoch nicht vorgeschrieben.
Bei Startups wird meist – wie viele vom Verlesen entsprechender Investmentverträge beim Notar kennen – nicht auf einen solchen objektiven Unternehmenswert abgestellt, sondern ein subjektiver Unternehmenswert angesetzt, der die zukünftige Entwicklung und das exponentielle Wachstumspotenzial eines Startups berücksichtigt. Während bei liquiden börsengelisteten Unternehmen die Preisbildung laufend durch Angebot und Nachfrage (im laufenden Handel von Aktien) entsteht, sind Kapitalerhöhungen bei Startups Momentaufnahmen.
Startup-Bewertung folgt anderen Regeln
Startup-Bewertung folgt anderen Regeln. Der internationale Standard in diesem Bereich ist in den sogenannten “Private Equity and Venture Valuation Guidelines” (IPEV Guidelines) festgeschrieben. Dieses Regelwerk ist insbesondere für Unternehmen in späteren Entwicklungsphasen und für professionelle Fondsinvestoren wichtig. Jüngere Unternehmen in früheren Phasen kann man mit diesen Modellen eher kaum abbilden, was also tun? Diesem Problem hat sich Dealmatrix.com, eine Beteiligung von Venionaire Capital, Startup300 AG und Markus Ertler angenommen.
„Wenn man sich tiefer mit Startupbewertungen befasst, erkennt man schnell, dass es dem Venture-Markt noch an einigen fundamentalen Dingen fehlt. Dealmatrix bietet eine günstige, gute, und vor allem einfache Möglichkeit für Startups und ihre Investoren, eine erste Einschätzung zu typisch erwartbaren Werten zu erhalten. Besonders spannend wird es in der Zukunft, wenn auf einer breiten Datenbasis aufgesetzt werden kann. Wir testen das System gerade selbst und sind bemüht, bei der Weiterentwicklung des Systems mit unserer Expertise zu helfen“, sagt Georg H. Jeitler, Partner bei Grant Thornton und gerichtlich beeideter Sachverständiger für Unternehmensbewertung.
Die Verfügbarkeit von Marktdaten über Pitchbook, CB Insights oder Crunchbase ist schwach, häufig fehlerhaft bzw. inkonsistent, es fehlt an Transparenz, und Gründer ebenso wie Investoren in unseren Breitengraden sind (mit wenigen Ausnahmen – insb. Super Angels und Professionelle Fonds) noch nicht sehr vertraut mit den spezifischen Bewertungsmodellen für Frühphasenunternehmen.
Dealmatrix strebt an, diese Themen zu adressieren und bietet bereits einen ersten Bewertungsrechner (aktuell für Beta-User) mit den fünf wichtigsten Startup-Bewertungsmodellen – Berkus Method, Payne Scorecard Method, Rating Method, Venture Capital Method und First Chicago Method – an. Diese Modelle eigenen sich für Startups von Pre-Seed bis Series B+ und werden sukzessive um weitere Modelle erweitert. Marktdaten, werden durch das System dynamisch und anonymisiert über Analysen gesammelt und sollen mittelfristig im Zeitverlauf dargestellt werden. Externe Datenquellen werden zur Anreicherung der Daten in Zukunft ebenfalls im Hintergrund verarbeitet und sollen weltweit für Durchblick sorgen.
Das System von Dealmatrix benötigt sehr wenige Daten als Input, ein vollständiger Finanzplan muss etwa nicht eingegeben werden. Die Analyse funktioniert dennoch da im Hintergrund Eingaben mathematisch approximiert werden, wo etwa eine „Hockey-Stick“ Entwicklung (wie bei Startups üblich) errechnet wird. Dem User soll es möglichst einfach gemacht werden, schnell zu einer „Selbsteinschätzung“ für Startup Bewertungen zu kommen – mit diesem Ansatz grenzt sich Dealmatrix stark vom Mitbewerb ab.
Die Methoden im Überblick:
1. Berkus Method
David Berkus, ein Business-Angel-Investor aus Kalifornien, schätzte, dass nur eines von zwanzig Startups seine Umsatzprognose erreicht. Seine Bewertungsmethode basiert auf 5 Parametern, Einschätzungen und Erfahrungen. Der Investor bewertet hier zum Beispiel die Qualität des Teams, den Wettbewerb am Markt und wie gut ein Geschäftsmodell aus seiner Sicht ist. Business Angels verwenden die Berkus-Methode gerne als Faustregel. Für Unternehmen, die noch keine Umsätze zeigen können, oder sogar für Startups vor der Gründung, funktioniert dieses Modell gut.
2. Payne Scorecard Method
Die Scorecard-Methode, entwickelt von Bill Payne, wurde auch für eher frühe Unternehmensphasen konzipiert. Sie berücksichtigt die Bewertung vergleichbarer Unternehmen und setzt ähnlich der Berkus-Methode auf die Bewertung (Scoring) wichtiger Parameter. Das Hauptprinzip besteht darin, einen Medianwert für Startups vor der Umsatzphase zu bestimmen. Das Modell errechnet dann, ob man über oder unter diesem Medianwert investieren sollte. Diese Bewertungen unterscheiden sich je nach geographischer Region oder Branche. Bewertungskriterien wie „Stärke des Management-Teams“, „Größe des Marktes“, „Bedarf nach weiteren Kapitalrunden“ (Verwässerung) und so weiter berechnen dann einen Unternehmenswert. Die individuellen Präferenzen eines Investors (etwa „Teamqualität“ oder „USP des Geschäftsmodells“) werden in diesem Modell sehr stark berücksichtigt. Der Startwert wird mit dem gewichteten Durchschnittswert der Scores multipliziert. Für korrekte Ergebnisse erfordert diese Berechnung ein sehr gutes Marktverständnis und meist recht arbeitsintensive Recherchen. Das Datenangebot von Dealmatrix als Bewertungsplattform wird hier sehr hilfreich werden und mit Freischaltung dieses Features viel Arbeit ersparen.
3. Rating Method
Das Rating-Modell, entwickelt von Venionaire Capital, ist ein Hybridansatz aus bestehenden Methoden. Die Methode berücksichtigt die individuellen Stärken und Schwächen eines Startups. Es kann für Unternehmensgründungen in der Früh- und Spätphase angewandt werden. Die neu entwickelte Methode berücksichtigt 6 Werttreiber: Team, Markt, Produkt (Geschäftsmodell), Technologie, Skalierungsstrategie und KPIs als treibende Kräfte für den Erfolg eines Startups. Diese Faktoren haben sich in der akademischen Forschung als die relevantesten für die Bewertung eines Startups erwiesen. Jeder der 6 Werttreiber wird auf einer Skala von 1-5 bewertet, gewichtet mit den Präferenzen des individuellen Investors. Ein abgeleitetes Rating erlaubt dann wiederum dem Investor, laufend die Qualität eines Assets zu monitoren, da sich Unternehmen ja auch im Zuge der Zusammenarbeit weiterentwickeln. Der Kern des Modells ist das Rating, welches einen Auf- oder Abschlag gegenüber einem vergleichbaren Unternehmen und dessen Bewertung ausgibt.
4. Venture Capital Method
Die Venture-Capital-Methode ist ideal für Venture-Investoren, die eine schnelle, Einschätzung einer Bewertung errechnen wollen. Das Modell benötigt wenige Eingabefaktoren, und kann von geübten Venture-Fonds-Managern auch im Kopf gerechnet werden. Die VC-Methode startet mit dem erwarteten Exit-Wert eines Startups, bei gegebener Ertrags- bzw. Risikoerwartung, und kommt über die aufgerufene Höhe des Investments und einer naturgemäß zu erwartenden Verwässerung über die Zeit schnell auf eine Pre-Money-Bewertung.
5. First Chicago Method
Die First Chicago Method ist die mathematisch aufwändigste und komplexeste Methode zur Bewertung von Startups. Das Modell kommt auch dem DCF (Discounted-Cashflow-Modell, welches typischerweise gem. KFS/BW1 angewandt wird) am nächsten. Es handelt sich um eine ideale Bewertungsmethode für Startups, die bereits Umsätze und klare Wachstumskennzahlen haben. Die Discounted-Cashflow-Methode wird hierbei auf einen sog. Terminal Value (als wiederum den einschätzten möglichen Exit-Wert) abgestellt. Das Besondere ist jedoch, dass die First-Chicago-Methode drei Zukunftsszenarien für Investoren – gut, mittel, schlecht –, somit also Szenarien unter gegebenen Wahrscheinlichkeiten abstellt. Die Investoren können sich einen Überblick über die potenzielle Rendite und das Risiko ihrer Investition verschaffen. Bei Dealmatrix wird dieses Model sehr stark durch Berechnungen im Hintergrund unterstützt, was die Menge der einzugebenden Daten minimiert.
Kein Deal gleicht dem anderen
Abschließend muss festgehalten werden, dass Investoren durch ihr höchstpersönliches Netzwerk, Erfahrungen und Möglichkeiten verschiedene Präferenzen in die Bewertung eines Startups einfließen lassen. Diese Präferenzen können nicht nur zwischen Investoren unterschiedlich sein, sie sind auch mit Bezug auf verschiedene Entwicklungsphasen von Unternehmen von ein und demselben Investor unterschiedlich „wichtig“ gewichtet. Darüber hinaus ist nicht nur eine Bewertung für ein Unternehmen ausschlaggebend, das Wichtige steht bei Angel undVenture Investments in den Verträgen.
Sogenannte Absicherungsklauseln, wie etwa Anti-Dilution oder eine „Liquidation Preference“ werden von Investoren genutzt, um bei einer Transaktion im Sinne eines „Vertrauensvorschusses“ (etwa bei Überzahlung) unterschiedliche Wertvorstellungen zwischen Investor und Startup auszugleichen. Die Strukturierung von Transaktionen ist ein Handwerk für sich. In diesem Bereich ist unser Team bei Venionaire Capital regelmäßig gefordert, da kein Deal dem anderen gleicht.