Interview

startup300: „Die Pioneers bleibt die Pioneers, die Conda bleibt die Conda“

Michael Eisler und Bernhard Lehner. © startup300, Montage Trending Topics
Michael Eisler und Bernhard Lehner. © startup300, Montage Trending Topics
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Michael Eisler und Bernhard Lehner sind Brüder im Geiste und im Business. Sie lieben nicht nur die auf einer Graphic Novel basierende Comicverfilmung „300“, sondern natürlich auch Startups. 2015 launchten sie das Business-Angel-Netzwerk startup300, und 2018 haben sie große Schritte unternommen, um daraus ein komplettes Ökosystem für Gründer zu bauen – mit Events, Beratung, Coworking Spaces und Investmentvehikeln.

Dieses Jahr haben sie Pioneers, Conda komplett übernommen, 75 Prozent von Startup Live gekauft und in den Anfang 2019 startenden Wiener Coworking Space Talent Garden investiert. Es sind einige Millionen Euro an Kapital, die Eisler und Lehner bis dato nicht nur eingenommen, sondern auch wieder ausgegeben haben.

Vergangene Woche wurde schließlich die Strada del Startup in der Linzer Tabakfabrik eröffnet – quasi die räumliche Verlängerung des Coworking Space factory300. Dort hängt mittlerweile auch ein Ehren-Schild für den Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), der sich wie kaum ein anderer Bürgermeister Österreichs für Jungfirmen einsetzt. Einen seiner ehemaligen Kollegen hat Luger bereits Richtung startup300 ziehen lassen: Linz‘ Ex-Vizebürgermeister Christian Forsterleitner ist seit mehr als einem Jahr Geschäftsführer der factory300.

Im Interview mit Trending Topics sprechen Eisler und Lehner jetzt über ihren Masterplan, über die jüngsten Akquisitionen, wie ihr Startup-Ökosystem funktionieren soll und ob am österreichischen Startup-Markt eine Konsolidierung stattfindet.

Trending Topics: startup300 will sich an der Börse listen lassen, hat Pioneers gekauft, diese Woche die Übernahme von Conda bekannt gegeben. Welchen großen Plan verfolgt ihr dabei?

Michael Eisler: Der große Masterplan ist, ein Ökosystem zu bauen, das aus vier Säulen besteht: Events, Beratung, Spaces und Investment. Das Ganze ist auf einem Fundament von Technologie gebaut, und das Dach ist die Membership. Wir achten bei Übernahmen darauf, ob es ein Business ist, das in diese 4 Säulen passt, und andererseits schauen wir, ob es Technologie gibt. Bei Pioneers gibt es mit der Piobay eine Datenbank dahinter, mit der man Scouting und Application-Prozesse für Kunden abwickeln kann. Das ist das Gehirn der Pioneers, und das ist für uns ein ganz wichtiges Asset.

Bei der Conda steckt viel Blockchain und viel Know-how bei Security Token und alternativen Finanzierungsformen dahinter. Da tut sich viel mehr, als man von außen erkennen kann. Der Masterplan ist auch, in Österreich ein relevanter Player zu sein, der mit anderen Ländern mithalten kann und wir uns nicht innerhalb des Landes aufhalten.

Ein Ökosystem aus Events, Coworking Spaces, Finanzierungsvehikeln, Inkubatoren, Services – wie sieht das in der Praxis aus für ein Startup aus?

Bernhard Lehner: Letztendlich ist es die Membership, die dir Eintritt in dieses Ökosystem gibt. Sie beginnt sehr niederschwellig, es gibt Tarife, damit sie auch Schüler nehmen können. Es gibt eine Standard-Membership für 100 Euro im Monat, mit der man vom Arbeitsplatz über alle Inhalte – also Workshops, Meetups -, die in der factory300 konsumieren kann. In Zukunft wird es für Talent Garden in Wien ein Roaming geben, mit der Membership bekommt man auch dort Zutritt. Wir stehen da erst am Anfang, aber die Membership soll dir als Gründer einen großen Katalog an Mehrleistungen bieten, die dir das Leben erleichtern. Über den Zugang zu Kapital, zu Netzwerken, zu Ausbildung und Events.

Wie sieht die Finanzierungs-Pipeline in diesem Ökosystem aus?

Lehner: Wir stecken da gerade unseren Baukasten zusammen. Das geht von der ganz frühen Phase, wo ein Business Angel investiert, über Pioneers Ventures als zukünftiger Fonds, über die Conda bis zur Capital300 für Wachstumsfinanzierungen. Wir versuchen, auf der Finanzierungskette alle Bausteine zusammen zu bekommen, die ein Gründer nutzen kann, aber nicht muss. Klar, wir machen auch Co-Investments mit anderen Business Angels und VCs. Aber in einer idealen Welt kann ein Gründer da durchgehen und total beschleunigen.

Sind Gründer, die Mitglied werden, an dieses Ökosystem gebunden?

Lehner: Nein, gar nicht. Das macht ja keinen Sinn. Wir machen ein Angebot, das sehr überzeugend ist, aber das ist keine Konkurrenz zu anderen Angeboten. Gute Gründer werden immer Cherry-Picking machen und das Beste holen – nicht nur von uns, sondern auch von anderen.

Eisler: Wir haben auch gelernt, das Thema Work for Equity immer mehr in den Hintergrund zu stellen. Startups, wo wir investiert, können für Spaces oder Events bessere Preise bekommen, also konkrete Leistungen und nicht Arbeit, die man nicht beziffern kann.

Lehner: Das ist Teil der Professionalisierung. Work for Equity war sicher unheimlich wertvoll für einige Startups, aber für andere weniger. Auch für uns war es im Tagesgeschäft schwer, das abzuwickeln. Wir haben uns überlegt, wie man das anders machen kann und sind so sehr schnell auf das Ökosystem gekommen.

Zur neuesten Firma in dem Ökosystem: Conda hat bei Crowdinvesting-Kampagnen dieses Jahr immer weniger Zuflüsse verzeichnet, vor allem Green Rocket macht ordentlich Konkurrenz. Mitgründer Daniel Horak hat von “teilweise großer Verzweiflung” in den letzten Monaten während den Verhandlungen geschrieben. Habt ihr Conda in letzter Minute aufgefangen?

Lehner: Nein. Wir haben die Conda nicht in letzter Sekunde aufgefangen, genauso wie wir andere Partner nicht in letzter Sekunde auffangen. Es war einfach ein guter Zeitpunkt, zusammen zu gehen. Conda ist ein Pionier des Crowdinvesting, und natürlich ist man nicht mehr alleine am Markt und es haben sich Mitbewerber entwickelt. Die Conda hat sich im letzten Jahr stark auf das Thema Blockchain-Technologie gestürzt, und das ist das, was uns interessiert. Die Plattform wird hochseriös betrieben und hat sehr gute Zahlen, aber das ist nur ein Teil des Ganzen. Bei Conda finden wir das Team mit Know-how und die Technologie wichtig, um in Zukunft das Thema Investieren auf die Blockchain zu bringen. Das wird Business-Angel-Syndikate endlich ermöglichen.

Eisler: Die Conda Österreich als Einheit mit dem Crowdinvesting-Business ist profitabel. Und die AG entwickelt Technologie und unglaublich viel darin investiert. Es geht nicht immer gleich darum, profitabel zu sein, sondern in die Zukunft zu investieren.

+++ Mehr Infos: startup300 übernimmt Crowdinvesting-Pionier Conda +++

Findet derzeit eine Marktkonsolidierung statt? Gibt es zu viele Player am Markt, die sich eigenständig nicht längerfristig halten können?

Lehner: Die startup300 AG bewegt sich einfach sehr schnell, weil es gerade ein Window of Opportunity gibt. Das bedeutet, dass es Unternehmen gibt, die sich bis zu einer gewissen Größe entwickelt haben und jetzt sehen, dass es noch mehr Möglichkeiten gibt, wenn sie an unserer großen Plattform andocken. Diese Dynamik wollen wir nutzen. Es gibt so viele Player am Markt, wir könnten es nicht schaffen, diesen Markt zu konsolidieren. Ich hoffe, dass sich neben uns viele andere Angebote entwickeln werden. Insgesamt ist der österreichische Markt noch super unterentwickelt. Es müssen noch viel mehr Inkubatoren, Coworking Spaces entwickeln, weil es sehr viel mehr Gründer geben wird. Da ist so viel Power da. Es gab bis dato einfach zu wenig Angebot, um diese Kräfte zu heben.

Woher sollen diese ganzen neuen Gründer kommen?

Lehner: Weil der Arbeitsmarkt sich verändert und ganz viele Corporates neue Formen des flexiblen Arbeitens benötigen. Talent Garden zufolge bräuchte Wien Dutzende solcher neuer Coworking Spaces.

Eisler: Alle, die auf der Startup-Seite aktiv sind, müssen sich irgendwie finanzieren. Manche nehmen Anteile von den Startups, manche versuchen, ihre Dienstleistungen bei Startups an den Mann zu bringen. Fakt ist, dass Startups per se kein Geld haben, und es ist nicht optimal, denen beim Fundraising Geld abzunehmen. Wenn man diesen Startups also ein Angebot machen möchte mit kostenlosen Services, Spaces, Events, dann muss das Geld anderswo herkommen. Deswegen haben wir ein Paket geschnürt, das man auch Corporates anbieten kann, und das gelingt uns immer öfter als Gruppe. Dieses Angebot an Corporates finanziert am Ende die Zeche, wenn wir den Startups die Membership schenken. Man muss auf der einen Seite Geld verdienen, damit man die andere Seite supporten kann.

Kritische Stimmen haben mir gegenüber gemeint, dass es nicht gut wäre, wenn ein Ökosystem in einer Hand ist. Was sagt ihr denen?

Lehner: Das ist eh nicht in einer Hand, sondern in den Händen von 200 Aktionären (lacht). Das ist typisch österreichisch. Neben der Speedinvest muss man lange suchen, um einen Player zu finden, der wirklich international vernetzt ist. Vielleicht einzelne Personen, die das geschafft haben, etwa ein Herbert Gartner, der mit einer schlagkräftigen Truppe etwas bewegt. Aber insgesamt ist wenig Ökosystem entwickelt, das an internationale Ecosystems andocken kann. In der Station F in Paris kennt keiner österreichische Startups, während dort eine Milliarde Euro in einem einzigen Gebäude liegt. Niemand fragt dort, ob das eine ungute Konzentration ist. Bei uns fügen sich in einer größt möglichen Differenzierung, nämlich in einer AG, wo maximal 8 Prozent bei einer einzelnen Person liegen, Dinge zusammen. Jeder wird in Zukunft Aktien dieser AG kaufen können. Welche Macht soll sich da bei uns konzentrieren?

Eisler: Wir setzen uns am Kapitalmarkt sehr großer Transparenz aus. Wir finden das wirklich gescheit. Und wir geben allen die Eigenständigkeit. Die Pioneers bleibt die Pioneers, die Conda bleibt die Conda. Wir mischen uns nicht tagtäglich ins operative Geschäft ein.

Lehner: Böse Zungen behaupten, es falle uns schwer, uns nicht einzumischen (lacht). Aber das würde ja keinen Sinn machen. Wir leisten unseren Beitrag dabei, dass sie eine gewisse Flughöhe erreichen und weisen sie auf gewisse Strategien hin.

+++ startup300 plant nach Kapitalerhöhung von 3 Millionen Euro weitere Zukäufe +++

Michael, du hast mit Wappwolf schon einmal ein Startup gehabt, das dann zusperren musste. Später hast du gebloggt, dass ihr ein “totes Pferd” geritten habt. Wie hast du das verkraftet?

Eisler: (überlegt lange) Es war eine wichtige Erfahrung, weil es eine Extremsituation ist. Ich hatte drei Jahre Erfolg gehabt, und dann drei Jahre ein Gefühl von Scheitern erlebt. Diesen Blog-Artikel lese ich jedes halbe Jahr wieder. Ich habe die Fehler identifizieren können. Im Nachhinein ist es immer leichter zu wissen, was richtig und was falsch war. Mir hat extrem geholfen, dass viele meinten: Gut, dass einmal einer sagt, dass nicht alles easy cheesy und heile Welt ist. Einer der sagt, dass er gescheitert ist und nicht, dass er eine andere Opportunity hat. Dieser Zuspruch für den Mut hat mir geholfen zu erkennen, dass das Teil des Weges ist. Rückblickend will ich nichts davon missen.

Ich habe es damals nicht geschafft, Hansi Hansmann 2012 zu überzeugen bei Wappwolf zu investieren. Das ist mir lange nachgehängt. Mittlerweile habe ich diese Anerkennung von Hansi. Die Wunden sind verheilt, aber es gibt Narben und Erinnerungen an den Schmerz. Das hält mich wachsam.

Bernhard, du kommst ursprünglich aus der PR, hast eine Agentur gehabt, warst bei Runtastic investiert. Warum tust du dir mit startup300 noch einmal das Risiko ein, dich ins Gründertum zu werfen?

Lehner: Meine wirtschaftliche Lage ist nicht schlecht, aber so extrem gut auch wieder nicht. Ich würde es unglaublich langweilig finden. Diese Leidenschaft, mit der wir an die Sache herangehen, geht nur wenn man überzeugt ist, dass es das Richtige ist. Ich mache genau das, was ich machen möchte, nämlich eine Innovations-Ökologie zu entwickeln. Jeden Tag trifft man Leute, die besser sind als du selber, und hinten raus entsteht etwas, das anderen Menschen hilft. Und ein bissl Geld können wir auch noch damit verdienen, insofern ist das ein geiles Setting.

Das Modell startup300 hat kein internationales Vorbild. Aber gibt es für euch beide persönlich ein Vorbild, auf das ihr euch einigen könnt?

Lehner: Es gibt Personen und Filme (gemeint ist „300“), die uns beiden sehr gut gefallen.

Eisler: In einer Rede vor dem Kardinal hat Georg Adam Fürst Starhemberg kürzlich über die Werte Mut und Tapferkeit gesprochen. Wir haben diese Werte bei startup300 immer unausgesprochen gesucht und gefunden. Starhemberg meint, dass das nur Wegweiser sind. Unsere Wegweiser sind Sachen wie Tapferkeit, weil das Gegenteil wäre Sudern und Jammern. Das heißt nicht, dass man sofort Krieg im Kopf haben muss und Helme und Schilde – die rücken wir eh in den Hintergrund. In einer Welt, in der wir alle verrückte Ideen haben und uns selbst verwirklichen, brauchen wir Leitplanken, die sicherstellen, dass wir alle das Gleiche meinen. Dieses Wertegefühl hilft uns, bei 200 Aktionären immer die richtige Antwort zu geben. Bei unseren Töchtern wollen wir nicht deren Kultur verändern, aber die brauchen auch Leitplanken, um zu wissen, in welche Richtung wir gemeinsam schieben.

Lehner: Unser Wertesystem deckt sich bei vielen Dingen. wir gehen im Großen und Ganzen immer in die gleiche Richtung und treffen die selben Entscheidungen, weil es vollkommen klar ist, wo wir hinwollen. Wir werden keine shady Dinge tun oder versuchen, uns zu bereichern. Und unsere Familien verstehen sich sehr gut, das passt alles gut zusammen.

startup300 ist Investor von Trending Topics.

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