State of European Tech 2024: Wieder weniger Investments, M&A am Boden, USA zieht Talente
Der meist beachtete Report zum Status quo der europäischen Startup-, Tech- und Investoren-Branche ist da: Der State of European Tech Report 2024, der vom skandinavischen VC Atomico herausgegeben wird, beleuchtet wie jedes Jahr die positiven wie negativen Entwicklungen am Alten Kontinent. Grundsätzlich ist zu sehen, dass das Investmentvolumen 2024 gegenüber 2023 wieder gefallen ist, wenn auch nur leicht.
Atomico schätzt, dass 2024 insgesamt etwa 45 Milliarden Dollar in europäische Startups und Scale-ups investiert werden wird, das ist etwas weniger als die 47 Mrd. Dollar von 2023, und natürlich deutlich weniger als die Rekordsummen, die davor 2021 und 2022 investiert wurden. 2021 waren es noch mehr als 100 Milliarden Dollar.
Insgesamt gibt es in Europa nunmehr etwa 35.000 Early-Stage-Unternehmen sowie etwa 3.400 Late-Stage-Firmen, und 358 Unicorns. „In Europa gründen mehr Unternehmer:innen neue Unternehmen als in den USA“, heißt es zwar. Doch es könnten noch mehr sein, denn immer mehr Gründer:innen wandern wegen besserer Finanzierungsbedingungen in die USA ab. Dem Report zufolge stehen hinter etwa 10 % der US-Startups europäische Gründer, während US-Gründer für 6 % der europäischen Startups verantwortlich sind. Das resultiert darin, dass jedes Jahr etwa 800 Unternehmen in den USA statt in Europa gegründet werden. 23% der Founder sagen, dass sie lieber in den USA gegründet hätten.
Problematisch ist die Abhängigkeit Europas von den USA in Sachen Finanzierung. „Seit 2015 haben die niedrigeren Umwandlungsraten in Wachstumsrunden dazu geführt, dass potenzielle Finanzmittel in Höhe von 300 Mrd. US-Dollar in Europa nicht aufgenommen wurden. Im Kapitel „Investoren“ gehen wir außerdem darauf ein, dass europäische Investoren auf US-Investoren angewiesen sind, um weitere 75 Mrd. US-Dollar zu überbrücken. Damit beläuft sich die gesamte Finanzierungslücke in der europäischen Wachstumsphase auf 375 Mrd. US-Dollar.“
Startups sind Rundungsfehler für Pensions-Fonds
Wo könnte das fehlende Geld herkommen? Eine mittlerweile oft gehörte Lösung dafür wäre, wenn Pensionsfonds und Co. etwas mehr Geld in Risiko-reichere Assets wie eben Startup-Fonds stecken würden. „Ein Blick auf die europäischen Pensionsfonds zeigt, dass sie derzeit nur 0,01 % ihres Kapitals in europäische Wagniskapitalgesellschaften investieren – ein Rundungsfehler bei einem von ihnen verwalteten Vermögen von 9 Billionen Dollar“, heißt es in dem Report. „Überall auf dem Kontinent gibt es Bestrebungen, das Problem anzugehen, von den Reformen im britischen Mansion House bis zur französischen Tibi-Initiative. Dies könnte dazu führen, dass Milliarden mehr Kapital für Europas Scale-Ups zur Verfügung stehen. Dies könnte den Unterschied ausmachen zwischen den besten und klügsten Unternehmen, die von Europa aus skalieren, und denen, die gezwungen sind, ihren Standort ins Silicon Valley zu verlegen.“
Besonders weit zurück im europäischen Vergleich liegen die Pensionsfonds im DACH-Raum:
Besonders bitter schaut es derzeit am Exit-Markt aus. Die Zahl der Exits – entweder Übernahmen durch andere Unternehmen oder IPO an der Börse – sind auf ein Zehn-Jahres-Tief gefallen. Das ist insofern problematisch, weil Investoren so keine Rückflüsse in ihre Fonds haben und nicht reinvestieren können bzw. sich schwer tun, neue Fonds zu raisen. Das wiederum resultiert darin, dass weniger Kapital für Neu-Investments zur Verfügung steht.
Weitere Ergebnisse aus dem Report:
Die Technologiebranche ist ein Magnet für Talente:
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- In Europa arbeiten heute siebenmal mehr Menschen in durch Wagniskapital unterstützten Tech-Unternehmen als noch in 2015.
- Zehn Jahr zuvor gab es in Deutschland 55.000 Tech-Beschäftigte – heute sind es 438.000. In Österreich ist die Zahl von 11.000 auf 38.000 gestiegen, in der Schweiz von 22.000 auf 143.000.
- Die Talent-Pools in den USA und Europa wachsen in gleichem Maße. Der europäische Technologiesektor beschäftigt heute 3,5 Millionen Menschen (so viele wie in den USA in 2020).
- Mehr als 2,5 Millionen dieser Arbeitsplätze wurden seit 2015 geschaffen. Damit wächst der europäische Markt für Tech-Talente mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 24 Prozent – auf Augenhöhe mit den USA.
Die europäische Technologiebranche fokussiert sich weiterhin auf die Lösung der schwierigsten Probleme: Das Klima zieht die Aufmerksamkeit von Gründer:innen, Talenten und Kapital auf sich.
- Seed-Funding für das Thema ‘CO2-Management’ (Carbon Management) ist in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen: Seit 2015 kletterte die Kategorie in den Atomico-Rankings um 39 Plätze. Das ist der größte Anstieg aller Kategorien.
- Jeder fünfte Dollar (21 Prozent), der in Europa investiert wird, fließt in den Aufbau einer nachhaltigeren Zukunft – doppelt so viel wie in den USA. Dort liegt der Anteil bei elf Prozent.
Europa ist in einer guten Position, um das Deeptech-Potenzial auszuschöpfen. Doch Geld und Mindset müssen folgen.
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- 33 Prozent der Finanzierungsgelder in Europa entfielen dieses Jahr auf Deeptech (einschließlich KI).
- Europäische Deeptech-Startups konnten in den vergangenen zehn Jahren 94 Milliarden US-Dollar einsammeln. Zum Vergleich: Asiatische Deeptech-Startups erhielten im selben Zeitraum 123 Milliarden US-Dollar, US-amerikanische über 300 Milliarden US-Dollar.
- Deutsche KI-Startups sammelten in 2024 Finanzierungsgelder in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar ein. Damit liegt Deutschland im weltweiten Ranking auf Platz fünf – vor Frankreich (1,1 Milliarden US-Dollar), aber hinter Großbritannien (3.8 Milliarden US-Dollar).
Der Pool an KI-Talenten ist einer der größten Trümpfe Europas. Im Zuge der explodierenden KI-Adaptionsraten, ist auch die Anzahl der KI-Stellen in Europa gestiegen: um den Faktor sechs. Alleine in Deutschland sind 50.000 Stellen verfügbar. Durch die erstklassigen akademischen Einrichtungen innerhalb Europas stehen genügend Talente zur Verfügung, um diese Positionen zu besetzen.