Stefan Dörfler: „Wir haben IT zur Chefsache gemacht“
Die Erste Bank Oesterreich ist das Leitinstitut der Österreichischen Sparkassengruppe. Gemeinsam mit den 46 regionalen Sparkassen ist sie eine der größten Bankengruppen des Landes. Den Vorstandsvorsitz hat bis zum Jahr 2020 Stefan Dörfler inne. Er ist für 15.500 Mitarbeiterinnen verantwortlich. Die Erste Group Bank AG ist als Holding zuständig für Tochterbanken in sieben Ländern in Zentral- und Osteuropa. Insgesamt hat die Bankengruppe 16 Millionen Kunden.
Wir haben mit Stefan Dörfler über Bildung, Lobbyismus, Talentemangel und die eigenen Hierarchien in der Erste Bank gesprochen.
Trending Topics: Herr Dörfler, an den Schulen lernen die Kinder Algebra auf akademischen Niveau, aber nicht wie sie eine Überweisung ausfüllen. Wie wirkt sich so etwas auf die Gesellschaft aus?
Dörfler: Überweisungen ausfüllen braucht heute niemand mehr zu lernen. Das erledigt das Online-Banking. Wir haben heute viel zuwenig grundlegende Finanzbildung: Ich rede nicht von profundem Wissen über Aktien, sondern über Grundwissen: Was ist ein Kredit? Was ist ein Sparbuch?
Weshalb ist es für eine Bank wichtig, dass die Leute sich mit Geld auskennen?
Uns fehlt schlicht und ergreifend der Nachwuchs. Wenn sich die Kinder nicht früh mit dem Thema Geld auseinandersetzen, mangelt es später an Interesse.
Wie wirkt man dem Trend entgegen?
Wir haben zum Beispiel „Flip“ ins Leben gerufen. Der „Financial Lifepark“ ist eine Initiative für die sich unsere Mitarbeiter stark eingesetzt haben. Kinder und Jugendliche lernen die Basics von unseren Leuten, die das vermitteln können. Zum Abschluss gibt es ein Quiz, das die drängendsten Fragen klärt.
Aber Flip kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Betreiben Sie aktiv Lobbyismus im Bildungsbereich?
Wir treiben eigene Initiativen voran und stellen auch sehr intensiv und sehr konkret Anfragen an die Verantwortlichen in Bund und Ländern, weshalb hier so wenig passiert. Wir sind gerade dabei mit unseren HR-Kollegen einen Forderungskatalog an den Bildungsminister Heinz Faßmann zusammenzustellen, wie man die Fachhochschulen verändern müsste, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
Wie erreicht man die Lehrerinnen? Der Weg durch die Institutionen würde ja Jahrzehnte dauern.
Es ist wichtig, dass wir die Dinge nicht pauschal schlecht reden. Es gibt viele Pädagogen, die eigenverantwortlich versuchen etwas zu ändern, aber strukturell ist nicht viel los. Meine Privatmeinung ist, dass wir etwas weglassen müssen, um etwas Neues zu schaffen. Wenn wir Digital- und Finanzbildung in die Schulen bringen wollen, müssen wir vielleicht überlegen, ob es nach wie vor sinnvoll ist, dass ein 14-Jähriger das Paläozoikum auswendig kennt, aber keine Ahnung vom Programmieren hat und digitale Medien ausschließlich passiv konsumiert.
Also braucht es neue Lehrer und ein neues Mindset?
Das ganze System ist betroffen. Doch wir können uns nicht überall engagieren. Wir sollten uns auf gesellschaftliche Aspekte konzentrieren, in denen wir Kompetenzen haben. Im Digitalbereich und bei den IT-Fachkräften können wir definitiv mitreden.
Wie sieht es mit der hierarchischen Durchlässigkeit im eigenen Institut aus? Bilden Sie Talente richtig aus und geben ihnen Perspektiven?
Es gibt Projekte, die sehr kollaborativ ablaufen. Immer dann wenn sich Menschen gut kennen, sind Grenzen und Berührungsängste nicht existent. Vor allem bei Lösungen für das Kundengeschäft funktioniert die Zusammenarbeit prima. Bei langfristigen Projektthemen brauchen wir ein fachliches Sollkonzept. Das Wort alleine zeigt, dass dort sehr viel Bürokratie passiert. Wir biegen ab und zu falsch ab, aber es passiert nicht mehr so oft.
Für agile Entwicklungen braucht man ein schlagkräftiges IT-Team, weil viel Veränderung im Digitalen stattfindet.
Wir schulen bestehende Mitarbeiter fortlaufend, damit wir den Anschluss nicht verlieren. Die Anstrengung kann nicht groß genug sein, weil die Herausforderung Digitalisierung kaum größer sein könnte. Wir haben gemeinsam mit der HR genau dieses Thema intensiv erforscht: Es geht um langfristige Qualitätssicherung und die gute Mischung zwischen neuen Fachkräften und unseren bestehenden Teams. Es ist ganz wichtig, dass wir richtig priorisieren: Die größte Anstrengung sollte immer unseren Kunden gelten. Wir können uns nicht in architektonischen Beweihräucherungen verlieren, sondern müssen an unser Kerngeschäft denken.
Wo schlummern die Gefahren für das System Bank?
Wir haben in der Zukunft riesige Themen im Kernbankensystem. In der Architektkur der Banken gibt es die API-Welt, die wir alle kennen und die sehr schnell ist. Ein Update können wir dort mittlerweile monatlich umsetzen. Dann haben wir den großen Middleware, wo wir tausend alte Systeme haben, die neu aufgesetzt und ausgetauscht werden müssen. Und schließlich das Kernbankensystem, das Rückgrat der Banken, welches alle Daten beinhaltet. Die Qualität der unteren Layer muss aufrecht erhalten bleiben. Deshalb müssen wir die richtigen Entscheidungen treffen und die unteren Layer so restaurieren, dass gleichzeitig nie darauf vergessen wird, den guten Service für die Menschen aufrecht zu halten. Wir diskutieren dieses Thema intensiv. Ergo: Wir haben die IT zur Chefsache gemacht.
Dieses Interview entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Erste Group AG.