Stefan Klestil: Die Startup-Connections des Wirecard-Aufsichtsrats
Wer über Wirecard spricht, spricht dieser Tage auch über Jan Marsalek und Markus Braun. Im Schatten der beiden Ex-Wirecard-Bosse (der eine in Haft, der andere auf der Flucht) gibt es noch einen dritten Österreicher der bei dem Unternehmen eine wichtige Rolle spielte: Stefan Klestil, Business Angel, Fintech-Investor und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates von Wirecard – bei der AG und bei der Bank. Wie viel wusste er vom Skandal um den Finanzdienstleister?
Klestil: Um „lückenlose Aufklärung“ bemüht
Das wollen derzeit alle gerne wissen. Klestil ist eine Unbekannte im Skandal um Wirecard. Journalisten in ganz Europa haben Recherchen um seine Person aufgenommen.
Für ein Interview mit Trending Topics war er nicht zu haben, ließ aber ausrichten: „Die Corporate Governance Richtlinien des Wirecard-Aufsichtsrates legen fest, dass nur der Aufsichtsratsvorsitzende in Aufsichtsratsangelegenheiten gegenüber der Öffentlichkeit Stellungnahmen abgibt. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, dass Herr Klestil Ihrer freundlichen Interview-Anfrage nicht nachkommen kann. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur versichern, dass Herr Klestil wie der gesamte Aufsichtsrat alles unternimmt, um zur raschen und lückenlosen Aufklärung aller offenen Fragen im Zusammenhang mit den Wirecard-Bilanzen beizutragen“.
Bestens vernetzter Fintech-Insider
Klestil ist ein anerkannter Fintech-Experte, der nicht nur im (aktuell ruhenden) Fintech-Beirat der Bundesregierung sitzt und den Verein Fintech Austria mitgegründet hat, sondern seit einigen Jahren auch als Partner beim Wiener VC Speedinvest tätig ist, wo er sich um Investments in Startups wie etwa Iyzico, Curve, Payworks, Wefox, Billie oder Fincompare kümmert. Wie uns Speedinvest bestätigte, bleibt diese Partnerschaft auch bestehen.
Was Klestil immer vorauseilt und seinen Riecher für gute Investments unter Beweis stellt: Er ist der erste Investor von N26. Er gilt als maßgeblich für den Erfolg der beiden österreichischen Gründer der Challenger-Bank, Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal.
Sein Lebenslauf ist zweifellos beeindruckend: Er studierte Handelswissenschaften an der Uni Wien und wechselte danach auf die Columbia University, wo er mit einem Master of International Affairs abschloss. Beruflich verschlug es ihn unter anderem zu den Salomon Brothers nach London, zu A.T. Kearney in die USA und 2005 dann zu Roland Berger Strategy Consultants nach Wien. Er ist außerdem der Sohn des verstorbenen Ex-Bundespräsidenten Thomas Klestil.
Von Markus Braun geholt
Und: Stefan Klestil ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der börsennotierten Wirecard. Markus Braun holte ihn vor vielen Jahren in die Position. Die Hauptaufgabe eines Aufsichtsrates: den Vorstand zu beraten, insbesondere aber zu überwachen und zu kontrollieren. Das dürfte weniger gut funktioniert haben. Wie die Presse berichtet, wurde Wirecard auch die „unprofessionell aufgestellte Corporate Governance“ zum Verhängnis. Die Aufsichtsräte hätten versagt.
Aus Sicht von Susanne Kalss, Professorin für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, hat schlichtweg die Kontrolle versagt. Viktoria Kickinger, Leiterin der Prüfungskommission der Weiterbildungsstelle für Aufsichtsräte bei Incite, ergänzt in der Presse die Kritik: „Wenn ein Aufsichtsrat keine unbequemen Fragen stellen kann, ist er eine Fehlbesetzung. Zudem ist bei Wirecard nicht ersichtlich, ob es im Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss gab.“
Interessant ist auch, was die Financial Times vor einigen Tagen schrieb: Demnach hat die Wirecard Bank noch Anfang des Jahres einen Kredit an Markus Braun vergeben. Höhe: Kolportierte 35 Millionen Euro. Abgesegnet wurde der Kredit laut Financial Times vom Aufsichtsrat – und darin saß auch Stefan Klestil. Der AR will davon allerdings nichts gewusst haben.
Das magische Dreieck
Spannend ist eine nähere Betrachtung der Startups von Klestil. Er hat – wie erwähnt – N26 sehr früh unterstützt, war der erste Investor des damals noch jungen Startups. Als Klestil in N26 investierte, hieß das Unternehmen noch Papayer und war dafür gedacht, eine Kreditkarte für Jugendliche anzubieten. Die Gründer Stalf und Tayenthal sattelten dann mit Klestils Hilfe auf das heutige N26 um (damals noch Number26). Bevor die Berliner Neobank selbst eine Bank wurde, nutzte sie die Dienste der Wirecard Bank, um dort die Einlagen der Kunden zu sichern.
Das Dreieck Klestil-Speedinvest-Wirecard findet sich bei den Startups Holvi (mittlerweile bei der Bankengruppe BBVA), Curve und Loot.io (letzteres bereits wieder zugesperrt). Alle drei Firmen bekamen Investments von Speedinvest und setzten auf die Dienste einer Wirecard-Tochter, um Kreditkarten auf den Markt bringen zu können. Das merkten die Nutzer von Holvi und Curve dann Ende Juni, also die britische Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) der Wirecard-Tochter Wirecard Card Solutions (WCS) vorübergehend verbot, ihre Tätigkeiten auszuführen – und plötzlich versagten auch die via WCS ausgegebenen Kreditkarten den Dienst (Trending Topics berichtete).
Gutes Netzwerk als Basis
Wie tickt Stefan Klestil? Wegbegleiter beschreiben ihn als “bestens vernetzt” und “in elitären Kreisen unterwegs”. Der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Österreichs ist dabei kein Mann der großen Bühne. Wenn er auftritt und Einblicke in sein Know-how gibt, dann im exklusivem Rahmen oder auf Branchen-Konferenzen.
Spricht man Branchenkennern, heißt es allerdings auch, er habe “operativ keine Wunder vollbracht”. Oft sei er auch mit Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Klestil saß auch im Fintech-Beirat. Ein Kenner erzählt, dass Klestil „halt da war, wenn er da war“.
Aktiv auch in der Krise
Letztlich stellt sich die Frage, ob Klestil überhaupt erkennen hätte können, was bei Wirecard falsch lief. Unklar ist auch, in welchem Umfang er seine Aufgaben im Aufsichtsrat wahrnahm.
Langweilig war Stefan Klestil in den vergangenen Monaten und Wochen während der COVID-19-Krise sicherlich nicht. Noch Ende März gab er den Kollegen von Finance FWD ein Interview. “Vermutlich hat kaum ein Startup-Geldgeber zurzeit tiefere Einblicke in den Maschinenraum der deutschen Fintech-Welt. Klestils Tage sind eng getaktet, der Investor telefoniert aus dem Home-Office laufend mit unzähligen Gründern”, hieß es darin. Klestil ist nach wie vor bei N26 involviert und sitzt auch dort im Aufsichtsrat. Für Speedinvest betreut er zahlreiche Startups.
Noch im April dieses Jahres wurde bekannt, das Speedinvest bei Bitpanda einsteigt. Stefan Klestil war daran federführend beteiligt und meinte damals im Gespräch mit Trending Topics: „Bitpanda hat ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt, ist von Anfang an profitabel und für internationales Wachstum sehr gut aufgestellt. Mit unserer Partnerschaft wollen wir den Erfolg von Bitpanda weiter vorantreiben – genauso wie wir es mit N26, wefox, Curve und anderen getan haben. Zusammen streben wir danach, das erste österreichische Fintech-Unicorn zu entwickeln“. Fraglich, ob Stefan Klestil in diesen Tagen dafür einen Kopf hat.
Disclaimer: Speedinvest ist auch Investor von Trending Topics.