Stell‘ dir vor, die Neobank betreibt das Einkaufszentrum. Das ist Klarna.
Viele in der Fintech-Branche würden wohl aus dem Bauch heraus sagen. Klarna, klar, das ist ein Payment-Dienstleister. Doch auf der Webseite und in den Apps des schwedischen Vorzeige-Unicorns liest man herzlich wenig von Payment. Vielmehr geht es da um Shopping auf Teufel komm‘ heraus, bildhaft inszeniert irgendwo zwischen schrillem Luxus und kitschiger Geschmacklosigkeit. Klarna will zum Konsum locken und vergibt dafür, wenn man nicht gleich zahlen kann, den passenden Schnellkredit samt Ratenzahlung.
Wenn man so will, dann ist Klarna eine Bank, die eines der größten Einkaufszentren der Welt betreibt. Brands wie H&M, Nike, Adidas oder Ikea sind schon im „Shopping-Browser“ der App, und mit Wunschlisten, Preisalarm, Rabatten und Personalisierung sollen die weltweit 87 Millionen Nutzer möglichst oft zum Kauf auf Ratenzahlung verleitet werden. Denn dort liegt das geniale Geschäftsmodell, um das herum die Schweden ein Shopping-Imperium aufbauen.
Klarna plant die Super-App, die den Shopper nicht mehr loslässt
Die schrillste Neobank der Welt
Dass Klarna nicht bloß fades Payment macht, sondern ein digitaler Kauftempel der Sonderklasse ist, wird im US-Style in schrillen Farben und Tönen massiv beworben. Bis vor mehreren Jahren war Klarna durch die Integration in immer mehr Online-Shops profitabel geworden. Doch dann wollten es Sebastian Siemiatkowski und seine Truppe noch mal wissen, um bauten eine Shopping-Experience rund um das „Buy Now Pay Later“-Modell (BNPL), in dem man mittlerweile auch Debit-Karten und Bankkonten bekommt.
Und ja, Klarna ist sowieso schon lange eine Bank. Jetzt, mit neuen Girokonten und passenden Karten wird das immer klarer. Während Neobanken wie Revolut und N26 relativ brav werben, ist Klarna an Schrillheit kaum zu überbieten. An der Bewertung sowieso nicht. Während Revolut, N26, oder Wise bei Bewertungen zwischen fünf und zehn Milliarden Dollar liegen, ist Klarna nun bei 31 Milliarden Dollar angelangt. Das macht die Schweden größer als die Deutsche Bank (22 Mrd. Euro) oder Unicredit (20 Mrd. Euro).
Mit einem Trick hat man sogar das Amazon-Imperium, in das man als Bezahlmethode nie hineinkam, unterwandert. Man gab den Nutzern einfach die Klarna Card, und schon zahlten diese auch bei Amazon damit.
„Früher musste der Händler Klarna integrieren, damit die Kunden uns nutzen können. Heute aber mit der Karte funktioniert Klarna überall, wo Kreditkarten akzeptiert werden, online wie offline – also auch bei Amazon, wo die Klarna Card am häufigsten verwendet wird“, sagte 2020 der Klarna-DACH-Geschäftsführer Robert Bueninck im Gespräch mit Trending Topics.
Owne die Journey
Anders als vielleicht Stripe oder Checkout.com geht es Klarna darum, die gesamte Customer Journey vom Kaufwunsch bis hin zum Abstottern der begehrten Ware abzudecken. „Die Customer Journey ownen“, sagt man in der Branche dazu. Anstatt ein Puzzle-Stein in in der Wertschöpfungskette zu sein, will Siemiatkowski mit seiner 3.500 Kopf starken Truppe den ganzen Kuchen holen. In der App mit nunmehr 18 Millionen Nutzern bekommt man dank Personalisierung vieles vorgeschlagen, was man sich so kaufen möchte, kann gleich bestellen und dann auch den Schnellkredit für die Finanzierung abschließen. Mehr Customer Journey gibt es nur bei Amazon.
Das geschäftsmodell von Klarna kann man durchaus auch als Angriff auf Kreditanbieter sehen. „Es gibt eine strukturelle Verschiebung seitens der Verbraucher, weg von revolvierenden Kreditlinien hinzu Debitkarten“, sagt Siemiatkowski. Die passenden Schnellkredite beim Kaufen kann Klarna den Konsumenten geben. Am Ende hätten die Schweden gerne, dass diese Kaufmethode zur dominierenden im Netz wird – vor Kreditkarte, Rechnungskauf oder Sofortüberweisung. Denn damit lässt sich viel Geld verdienen.
Eine europäische Super-App
Mit den großen Bestrebungen im US-Markt (dazu wird auch Super-Bowl-Werbung geschaltet) und dem Investor Ant Group in China drängt Klarna aus Europa hinaus in die beiden größten Märkte der Welt. Richtig gemacht, lässt sich dort Milliardengeschäft machen – auch wenn in den beiden Ländern mit Affirm und Konsorten andere BNPL-Dienste als Rivalen warten.
Und die Gesetzgeber darf man bei all dem nicht vergessen. BNPL, so meinen immer mehr, verleite Konsumenten dazu, mehr Geld auszugeben, als sie sich eigentlich leisten können. Bei Klarna werken zwar Algorithmen im Hintergrund, die die Bonität der Nutzer checkt und schon mal einen Ratenkauf verwehren kann.
Die britische Regierung ist die erste in Europa, die dezidiert Gesetze für BNPL-Angebote erlassen will. „Viele Verbraucher betrachten den zinslosen Sofortkauf mit späterer Abzahlung nicht als eine Form des Kredits und legen daher nicht das gleiche Maß an Sorgfalt an den Tag, und die von den Anbietern durchgeführten Prüfungen konzentrieren sich eher auf das Risiko für das Unternehmen als darauf, ob es für den Kunden leistbar ist“, heißt es seitens John Glen, Economic Secretary to the Treasury. Neue Gesetze werden im Laufe von 2021 erwartet.
Klarna: 2020 brachte Milliardenumsatz, aber Verluste weiten sich aus