Stopp Corona-App: Automatische Handshakes und Anbindung an PEPP-PT
Heute, Freitag, bekommt die viel diskutierte „Stopp Corona„-App des Roten Kreuzes einige wichtige neue Funktionen. So wird es möglich, dass die digitalen Handshakes zur Erfassung von Kontakten der letzten 48 Stunden auch automatisiert gemacht werden können. Außerdem wird es einen kleinen Symptom-Test geben, denn: Schon, wenn man in der Selbstdiagnose meint, infiziert worden zu sein, soll man über die App die Kontakte der letzten Tage warnen. Sollte sich das als falsch herausstellen, kann man auch wieder Entwarnung geben.
“Diese App hat das Zeug dazu, ihre Familie, ihre Freunde und ihre Arbeitskollegen zu schützen”, sagt Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant Österreichisches Rotes Kreuz, bei einer virtuellen Präsentation der neuen Funktionen der von der Uniqa Privatstiftung finanzierten Software. In der “Containment-Phase nach Ostern” sei das “schnelle und zuverlässige Auffinden von an Coronavirus erkrankten Personen” essenziell, und die App würde eine wichtige Rolle beim Kontakt-Management von Erkrankten spielen.
Automatischer Handshake
Und so bekommt die App ab heute eben die Funktion, dass via Bluetooth Kontakte automatisiert, aber trotzdem anonym erfasst werden können. Ein anderes Smartphone wird dann als Kontakt der letzten 48 Stunden gezählt, wenn es sich 15 Minuten lang innerhalb von zwei Metern Nähe zum eigenen Handy befunden hat. Bei Android funktioniert das wirklich automatisch, beim iPhone muss man die App öffnen, damit Bluetooth automatisch sein Werk verrichten kann. Man brauche die App vor allem dann, wenn man in der Zeit nach Ostern, wo das öffentliche Leben wieder etwas hochgefahren werden soll, wieder vermehrt andere Menschen (v.a. im Berufsleben) trifft, meint Foitik.
Die neuen Funktionen sind aber nur die ersten Features, die auf der Roadmap stehen. So gibt es noch drei weitere wichtige Schritte, die anstehen:
1. Anbindung an PEPP-PT: Das paneuropäische Projekt, an dem auch österreichische AI-Wissenschaftler beteiligt sind, will mit einer Technologie dafür sorgen, dass Corona-Apps unterschiedlicher Länder miteinander reden können. “Wir prüfen derzeit, wie und wann wir PEPP-PT in die App integrieren können”, sagt Michael Zettel, Country Managing Director Accenture Österreich – jene Firma, die die App für das Rote Kreuz umsetzt. “Wir werden dazu so schnell wie möglich in Umsetzung gehen.” (mehr dazu hier).
2. Open Source: Immer wieder gefordert, noch nicht eingelöst. Unabhängige Stellen (z.B. Datenschützer, NGOs, Entwickler) wollen den Code der App einsehen können, um sie etwa auf Schwachstellen zu überprüfen. Diesem Wunsch will Accenture und das Rote Kreuz nachkommen, eine Open Source-Version soll in den nächsten Wochen folgen.
3. Beacon-Schlüsselanhänger: Damit auch Menschen, die kein Smartphone haben, an dem digitalen Warnsystem teilnehmen können, gibt es die Idee, dass sie Bluetooth-Beacons als Schlüsselanhänger bekommen könnten. Wie berichtet kooperiert das Rote Kreuz und Accenture dabei mit dem Wiener Verein NOVID20, das bereits ein Konzept für solche Schlüsselanhänger vorgelegt hat (mehr dazu hier).
4. Anbindung an Ärzte: Derzeit gibt es in der App noch keine Möglichkeit, sich bei Corona-Verdacht bei einem Arzt zu melden oder ins System für Testungen aufgenommen zu werden. Das Rote Kreuz hat aber bereits in Aussicht gestellt, dass es diese Möglichkeit geben soll. Eine Idee dazu hatte bereits das Wiener Startup Scarletred, das an der eigenen eCOVID19-App arbeitet, mit der man auf dem telemedizinischem Weg Videoalls zu Ärzten machen soll (Trending Topics berichtete).
Skepsis wegen Datenschutz
Wichtig ist nun, dass möglichst viele Menschen die App installieren. Bisher gab es rund 300.000 Downloads, mehrere hundert Infektionswarnungen wurden mit der App bereits gemacht. Die Sache ist kompliziert. Drei Viertel der Österreicher (77%) können sich laut dem Meinungsforschungsinstitut Gallup die Nutzung der App auf freiwilliger Basis vorstellen. Zwei Drittel (65%) allerdings befürchten eine über die Corona-Krise hinausgehende Zunahme der Überwachung und damit verbundene Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte.
Accenture will beruhigen. Es würden mit der App nur die notwendigsten Daten gespeichert – im Wesentlichen die Telefonnummern jener, die eine Corona-Infektion melden. Würde man dazu nicht die Handynummer speichern, dann wäre Missbrauch Tür und Tor geöffnet. So bekommen Nutzer, die sich als infektiös melden und damit ihre Kontakte der letzten 48 Stunden warnen wollen, eine TAN-SMS zugeschickt, um zu bestätigen. “Nur im Verdachts- oder Infektionsfall wird man nach der Telefonnummer gefragt”, sagt Michael Zettel von Accenture.
Am Smartphone selbst werden die Handshakes gespeichert, und auf einem Azure-Server in Frankfurt werden verschlüsselte Daten verarbeitet. Wenn die Corona-Epidemie vorbei ist, sollen alle Daten gelöscht werden. Auch die Uniqa Privatstiftung bekäme vom Roten Kreuz keine Daten übermittelt, versichert Koitik vom Roten Kreuz – lediglich solche, die belegen, dass mit dem Geld die App auch umgesetzt wurde.