Staaten zeigen zu wenig Ambitionen bei Stopp fossiler Brennstoffe
Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas gehört weltweit zu den Haupttreibern der Klimakrise. Forschende sind sich einig, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe massiv zurückgehen muss, um die fortschreitende Erderhitzung zumindest zu verlangsamen. Erst im September hatte ein Team vom University College London berechnet, dass bis 2050 knapp 60 Prozent des Erdöls und des fossilen Methangases sowie 90 Prozent der Kohle im Boden bleiben müssen, damit das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann.
Nun scheint es jedoch einen Widerspruch zwischen dem zu geben, worauf sich Länder in Paris geeinigt haben und dem, was sie tatsächlich tun. Laut einem aktuellen Bericht des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) sind die Pläne der Länder zur Förderung von fossilen Brennstoffen nicht mit den Klimazielen vereinbar, die im Pariser Abkommen festgeschrieben sind. Trotz erhöhter nationaler Klimaziele und Netto-Null-Verpflichtungen planen die Regierungen immer noch, bis 2030 mehr als doppelt so viele fossile Brennstoffe zu produzieren, als es mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C vereinbar wäre.
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Mehr als 300 Mrd. US-Dollar für Fossile
Konkret würden die Pläne der Regierungen dazu führen, dass im Jahr 2030 etwa 240 Prozent mehr Kohle, 57 Prozent mehr Öl und 71 Prozent mehr Gas gefördert werden, als dies mit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C vereinbar wäre. Dabei wird die globale Gasproduktion nach den Plänen zwischen 2020 und 2040 am stärksten ansteigen. Zudem kommen die Autor:innen des Berichts zu dem Schluss, dass weiterhin große Geldmengen in die Fossilindustrie fließen: Mehr als 300 Mrd. US-Dollar haben die Länder seit Beginn der Covid-19-Pandemie in die Förderung fossiler Brennstoffe gesteckt – mehr als in saubere Energie.
„Die Regierungen planen und unterstützen jedoch weiterhin die Produktion fossiler Brennstoffe in einem Umfang, der weit über das hinausgeht, was wir sicher verbrennen können“, sagt Ploy Achakulwisut, einer der Hauptautoren des Berichts und Wissenschaftler, in einer Pressemitteilung des SEI. „Die Forschungsergebnisse sind eindeutig: Die weltweite Kohle-, Öl- und Gasproduktion muss sofort und stark zurückgehen, um die langfristige Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen“.
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Leaks: Länder wollen IPCC-Bericht beeinflussen
Laut dem Bericht unterstützen die meisten Regierungen die Produktion fossile Brennstoffe weiterhin in erheblichem Umfang politisch, darunter etwa Australien, Saudia-Arabien, Russland, die USA und Deutschland. Kurz vor der Weltklimakonferenz (COP26), bei der Vertreter:innen der Länder darüber verhandeln, wie sie das 1,5-Grad-Ziel konkret einhalten wollen, wurde dieser politische Einfluss einmal mehr deutlich. Wie mehrere Medien berichteten, zeigen mehr als 32.000 interne Dokumente des Weltklimarats IPCC, wie Länder den kommenden sechsten Sachbestandsbericht des Klimarats zur ihren Gunsten beeinflussen wollen. Mitgliedsstaaten haben für gewöhnlich die Möglichkeit, Kommentare zum Bericht abzugeben, um ihre Gedanken und Meinungen äußern zu können. Wie die geleakten Dokumente zeigen, wird dabei jedoch heftig um Formulierungen gerungen, besonders was die fossilen Brennstoffe betrifft.
So verteidigen Saudi-Arabien und Norwegen etwa ihre Ölförderung und wehren sich gegen die angestrebte Reduktion fossiler Brennstoffe. Lobbyisten aus Saudi-Arabien wollen etwa die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) besser gefördert sehen, die emittiertes CO2 auffangen und speichern soll, aber bisher bisher teuer und noch in der Entwicklung ist. Zudem argumentiert der Ölstaat gegen die Formulierung des Entwurfs, dass Verbrauch und Förderung fossiler Brennstoffe zugunsten Erneuerbarer Energien eingestellt werden solle. Die Industrienation Australien sieht wiederum ihre Kohleproduktion in Gefahr. Ein australischer Regierungsvertreter möchte etwa die Schlussfolgerung aus dem Dokument entfernt sehen, wonach die rasche Abschaffung von Kohlekraftwerken nötig sei, um die klimabelastendende Schadstoffe zu reduzieren. Obwohl Australien laut Statistik der weltweit viertgrößte Kohleförderer ist und auf beim Per-Kopfverbrauch von CO2 an der Spitze liegt, gehöre das Land aus Sicht des Regierungsvertreters nicht auf die Liste der größten Kohleproduzenten, so die BBC.
Lobby-Einfluss laut Wissenschaft gering
Die Veröffentlichung der Dokument wirft einen Schatten auf die kommende COP26, denn sie lässt am Interesse der Länder an wirksamen Klimaschutz zweifeln. Dass der Einfluss des Lobbyismus der Länder auf den Sachbestandsbericht groß ist, wird von der Wissenschaft jedoch verneint. Die Ozeanografin Corinne le Quéré von der Universität UEA in Norwich, die bisher an drei IPCC-Berichten beteiligt war, sagte gegenüber der BBC, dass auf die Wissenschaftler:innen „überhaupt kein Druck ausgeübt“ werde, die Kommentare der Länder zu akzeptieren. „Wenn die Kommentare nur dem Lobbying dienen, wenn sie nicht wissenschaftlich nicht begründet sind, werden sie auch nicht in die IPCC-Berichte eingebaut.“
Dennoch zeigen die Dokumente deutlich, wie die Fossilindustrie die weltweiten Klimaschutzbemühungen beeinflussen möchte, die die Länder bei der kommenden COP26 verstärken wollen. Die Autor:innen des SEI-Berichts appellieren an die Länder, ihre Rolle und Verantwortung zu erkennen. „Da sich die Länder zunehmend dazu verpflichten, ihre Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf Null zu reduzieren, müssen sie auch die rasche Verringerung der Produktion fossiler Brennstoffe anerkennen, die ihre Klimaziele erfordern werden“, sagt Måns Nilsson, Exekutivdirektor beim SEI.