Infrastruktur

Österreichs Stromnetze verkraften Solar- und Wind-Boom nicht

Stromnetz. © Casey Horner on Unsplash
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Bis 2030 soll Österreich 100 Prozent des Eigenbedarfs aus grünen Quellen wie Wasser, Sonne oder Wind decken. Bedeutet: Der Strom-Sektor soll in den kommenden acht Jahren bilanziell gesehen CO2-neutral werden. So weit so klar. Dass das einen enormen Ausbau vor allem für Solar- und Windenergie bedeutet, auch. Photovoltaik soll bis 2030 von 1,4 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2020 auf 12,4 TWh wachsen, also neun Mal mehr Strom liefern. Windkraft soll von 6,3 TWh (2020) auf 16,3 TWh im Jahr 2030 wachsen, sich also mehr als verdoppeln. Auf dieses Megaprojekt hat sich die österreichische Regierung 2021 geeinigt.

Nur: 2022 sagen wichtige Vertreter:innen aus der Photovoltaik- und Windenergie-Branche, dass das gar nicht geht. Der Grund ist weder fehlendes Kapital noch Engagement, sondern das Stromnetz an sich. Denn dieses stößt aktuell an Kapazitätsgrenzen. Bedeutet: Selbst wer will und Solar- oder Windstrom ins Netz einspeisen möchte, kann in vielen Fällen gar nicht.

„Betreiber haben den Boom unterschätzt“

„Eines der größten Probleme ist das Stromnetz in Österreich. Da haben die Betreiber den Boom unterschätzt. Der Ausbau wurde nicht adäquat fortgesetzt. Folglich haben wir das Problem, das selbst kleine private Photovoltaikanlagen nicht an das Stromnetz angeschlossen werden können“, sagt Vera Immitzer von Photovoltaik Austria. „Das ist natürlich äußert kritisch, wenn die Bevölkerung und Unternehmen einen Beitrag zur Stromversorgung leisten wollen, aber ihre Anlage nicht anschließen können. Es bremst alle aus, die eine PV-Anlage wollen, sei es für sich oder sei es für Energiegemeinschaften.“

Während Solarenergie also boomt – Firmen übertreffen sich derzeit regelmäßig mit der neuen größten PV-Anlage des Landes -, geht beim Stromnetz selbst wenig weiter. Bereits im Jänner 2022 warnte Brigitte Ederer, Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit: „Die Umstellung auf erneuerbare, CO2-freie Energie ist mit dem bestehenden Netz nicht zu schaffen. Ohne Netzumbau scheitert die Energiewende.“ Da geht es um viele Milliarden Euro, die bis 2030 investiert werden müssen. Alleine die fünf Netzbetreiber Wiener Netze, Netz Niederösterreich, Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreichwollen bis 2030 rund 10 Milliarden Euro in den Ausbau investieren – das zeigt die Größenordnung des Problems.

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„Riesige Mengen an Ökostrom benötigt“

Und dieses Problem ist nicht schnell zu lösen. „Der Ausbau der elektrischen Stromnetze ist ein Projekt, das sich über Jahrzehnte erstreckt. Wir haben den Grundaufbau unserer Netze vor, 60, 70 Jahren gemacht, und die sind vielfach heute noch in Betrieb“ sagt Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik. „Das Stromnetz steht vor fundamentalen Veränderungen. Es fehlt aber ein klares Bild, wie die klimaneutrale Energieversorgung in Österreich aussehen wird.“

Er nennt Solarstrom im Zusammenspiel mit Wasserstoff als Beispiel. Derzeit liegt man in Österreich bei 3,5 Gigawatt, aber bis 2040 bräuchte es 40, 50 oder gar 60 Gigawatt. „Es werden riesige Mengen an Ökostrom benötigt, um Wasserstoff auszubauen“, sagt Fechner. „Wenn wir die Elektrolyse in Österreich für Wasserstoff machen wollen, dann wird mit einer Verdopplung des Stromaufkommens zu rechnen sein. Die Stromnetze müssen sich vorbereiten auf eine Struktur, wo sehr viel Strom dezentral erzeugt wird. Das braucht eine andere Infrastruktur als heute.“

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Windkraftprojekte dauern oft neun Jahre

Von den Engpässen im Stromnetz berichtet aber nicht nur die Photovoltaik-Branche, sondern auch Vertreter:innen der Windkraft. Die oekostrom AG zum Beispiel. Diese hat gerade frische 12,6 Millionen Euro bei Crowd-Investor:innen eingesammelt, um unter anderem den Windpark im burgenländischen Parndorf zu erneuern. Die Produktion auf Basis von Wind- und Solarenergie soll mit den eingeworbenen Mitteln von rund 60 MW auf 100 MW ausgebaut werden.

Nur: Neue Windparks könne man schnell bauen und auch die Finanzierung dafür finden, aber das Stromnetz ist nicht dafür ausgelegt. „Das ist ein gewaltiges Problem. Wir haben spannende Projekte wo eigentlich alles passt – aber dann ist kein Netzanschluss da“, sagt Ulrich Streibl, Vorstandsprecher der oekostrom AG. „Es dauert heute von der ersten Idee bis zum ersten Drehen des Rotors neun Jahre. Es braucht aber gerade mal eineinhalb Jahre, um zu bauen. Die Windräder, die wir gerade in Parndorf bauen, die werden Ende diesen, Anfang nächsten Jahres drehen, und die haben wir letztes Jahr im Juli bestellt. Rein finanziell und technisch kann man also zwei Jahre rechnen.“

Wo sind die anderen sieben Jahre hingegangen? Hauptsächlich in Genehmigungsprozesse, sagt Streibl. Immerhin bei Photovoltaik gehe es schneller, da müsse man etwa drei Jahre rechnen. Aber auch das würde nicht reichen. „Wenn wir bis 2030, also in acht Jahren, unseren Strom erneuerbar machen wollen, müssen wir viel schneller werden.“

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Ausbau der Kapazitäten: „Dies alles muss umgehend erfolgen“

„Die aktuellen Entwicklungen der Strom- und Energiepreise sowie die geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine zeigen, wie wichtig eine rasche und sichere Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem ist. Dazu braucht es eine umgehende Gesamtsystemplanung sowie entsprechende Kapazitäten in den Bereichen Netze, Speicher, Produktion sowie eine umfassende Digitalisierung zur Nutzung der Flexibilitäten aller Akteure des Systems. Dies alles muss umgehend erfolgen. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sind dabei ein zentraler Hebel“, heißt es seitens Austrian Power Grid (APG), also dem Betreiber des Übertragungsnetzes Österreichs. Die APG, eine Tochter des Verbund, würde in den nächsten 10 Jahren rund 3,5 Milliarden Euro ins Netz investieren. „Davon werden allein 2022 rund 370 Millionen Euro in die sichere Stromzukunft investiert“, heißt es.

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