Studie: Globale Gletscherschmelze schreitet seit 20 Jahren schneller voran
Anfang April 2021 hat der Alpenverein Österreichs den aktuellen Gletscherbericht veröffentlicht. Dabei wurde deutlich: Im Durchschnitt sind Österreichs Gletscher innerhalb eines Jahres 15 Meter kleiner geworden. Eine aktuelle Studie zeigt nun auf, dass die Gletscherschmelze auch außerhalb der österreichischen Grenzen voran schreitet und das immer rasanter. In einer gemeinsamen Arbeit hat ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich und der Université de Toulouse die nach eigenen Angaben bisher umfassendste Studie zum weltweiten Gletscherschwund überhaupt veröffentlicht. Dabei konnten sie feststellen, wie sich der immer schnell voranschreitende Gletscherschwund der letzten 20 Jahre auf den Meeresspiegel und kommende Wasserknappheit auswirkt. Aber auch, dass sich die Schmelzrate bei einigen wenigen Gletschergebieten im Untersuchungszeitraum verlangsamt hat.
Auf Grundlage von Stereo-Satellitenbildern des Multispektralinstrument ASTER an Bord des Nasa-Satelliten „Terra“ untersuchten die Forschenden die Entwicklung der Gletscher weltweit, mit Ausnahme der Eisschilde Grönlands und der Antarktis. Laut eigenen Angaben sei eine so detaillierte Auswertung bisher einmalig. Der Satellit umrundet seit 1999 alle 100 Minuten einmal die Erde. Die Bilder wurden dabei aus 700 Kilometer Höhe gemacht. Mithilfe der Bilder erstellten die Forschenden zeitlich und räumlich hochaufgelöste digitale Höhenmodelle, mit welchen sie die Dicken- und Massenveränderungen des Eises berechneten.
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Gletscher in Alaska, Island und den Alpen schmelzen am schnellsten
Dabei konnten die Studienautoren einen deutlichen Trend feststellen. Sowohl das Volumen, als auch die Masse der Gletscher schwinden. So haben die Gletscher weltweit zwischen 2000 und 2019 im Durchschnitt pro Jahr 267 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Eis verloren, so der Bericht. Der Verlust der Eismasse hat sich außerdem noch deutlich beschleunigt. So verloren die Gletscher zwischen 2000 und 2004 rund 227 Gigatonnen Eismasse pro Jahr. Zwischen 2015 – 2019 lag der Wert dann schon bei 298 Gigatonnen pro Jahr. Solche Wassermengen bleiben natürlich nicht ohne Folgen. Den Forschenden zufolge war die Gletscherschmelze für bis zu 21 Prozent des gemessenen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das einen jährlichen Anstieg von etwa 0,74 mm.
Anhand ihrer Modelle konnten die Forschenden außerdem berechnen, welche Gletschergebiete am schnellsten schwinden. Dazu zählen jene in Alaska, Island oder in den Alpen. Außerdem seien die Hochgebirgsgletscher des Pamirs, Hindukuschs und Himalajas stark betroffen, so die Erkenntnisse des Berichtes. In diesen Regionen drohen dadurch nicht nur ökologische, sondern auch humanitäre Probleme, so der Erstautor Romain Hugonnet von der ETH Zürich und der Universität Toulouse: „Die grossen Ströme wie Ganges, Brahmaputra und Indus werden in der Trockenzeit zu einem grossen Teil durch Gletscherschmelzwasser gespeist. Zurzeit wirkt die Zunahme des Schmelzwassers für die Menschen der Region wie ein Puffer. Schrumpfen die Himalaja-Gletscher jedoch weiterhin mit steigendem Tempo, könnten bevölkerungsreichen Staaten wie Indien oder Bangladesch in wenigen Jahrzehnten Wassernot oder Nahrungsmittelengpässe drohen.“ Mit den neuen Daten sollen nun genauere Vorhersagen zu der zu erwartenden Schmelzwassermenge der Himalaja-Gletscher getätigt werden können.
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Forschende erwarten sich Handeln von Politik
An der Ostküste Grönlands, in Island und in Skandinavien stellten die Studienautoren hingegen eine Verlangsamung der Schmelzrate zwischen 2000 und 2019 fest. Diese führen sie auf eine Wetteranomalie im Nordatlantik zurück, durch welche es zwischen den Jahren 2010 bis 2019 lokal zu höheren Niederschlägen und tieferen Temperaturen kam.
Insgesamt zeigt die Studie aber eine Besorgnis erregende Tendenz auf. Die Forschenden hoffen nun, dass ihre Erkenntnisse entsprechende Handlungen hervorrufen, Mitautor Daniel Farinotti, Leiter der Glaziologie-Gruppe an der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL: “ Auf politischer Ebene sind unsere Erkenntnisse wichtig. Die Welt muss jetzt wirklich Hand anlegen, damit wir Punkto Klimaänderung das Schlimmste noch abwenden können.“ Auch in den kommenden Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wird die Studie einfließen, so die Autoren. Veröffentlich wurde sie aktuell in der Fachzeitschrift „Nature“.