Studie: Klimaneutrale Landwirtschaft durch hohe Lebensmittelpreise unsozial
Das Wort Nachhaltigkeit wird zum Teil primär mit umweltfreundlich in Verbindung gebracht. Ein nachhaltiges Handeln inkludiert aber auch die soziale Nachhaltigkeit. Genau auf diesen Punkt geht nun auch eine aktuelle Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) ein. In ihrer Forschung haben sie die Möglichkeiten untersucht, wie die Emissionen der Landwirtschaft aus der Atmosphäre entfernt werden könnten und wie sich ein Umschlag der Kosten auf die Lebensmittelpreise auswirken würde. Mit dem Ergebnis: Um Technologien zur CO2-Entfernung bezahlen zu können und so die Landwirtschaft klimaneutral werden zu lassen, könnten die Lebensmittelpreise deutlich steigen. Das wäre in westlichen Ländern möglich. In Entwicklungsländern hingegen nicht.
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Klimaneutrale Landwirtschaft
Methan und Lachgas entstehen durch die Landwirtschaft und sind nach den CO2-Emissionen die größten Treibhausgase in Europa. Da, wie die Forscher in ihrer Studie ausführen, die technischen Mittel zur Reduktion der Emissionen zum jetzigen Zeitpunkt begrenzt und teuer sind und eine signifikante Konsumverringerung von Produkten wie Fleisch, Milchprodukte oder Reis der Konsument:innen bisher fehlt, betrachteten sie andere Möglichkeiten für eine klimaneutrale Landwirtschaft. Ihr Ansatzpunkt: Emissionen, welche durch die Landwirtschaft entstehen, müssen zu gleichen Maße wieder aus der Atmosphäre entfernet werden. Also untersuchten sie zum einen, wie viel mehr Emissionen entfernt werden müssen, wenn der Konsum gleich bleibt oder steigt. Zum anderen untersuchten sie anschließend, welche Auswirkungen es hätte, die entstehenden Kosten durch einen Umschlag auf die Lebensmittelkosten zu finanzieren.
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Verschiedene Maßnahmen zur CO2-Entfernung einbezogen
Ihre Forschungsmethode: Anhand eines Klimamodells berechneten sie, wie viel CO2 aus der Luft entfernt und anschließend gespeichert werden muss, um das Pariser Klimaziel von einer Erderwärmung von 1,5 bis maximal 2 Grad Celsius einhalten zu können. Anschließend berechneten sie die dabei entstehenden Kosten. Dabei bezogen sie auch günstigere Maßnahmen, wie das Anpflanzen von Bäumen und die Nutzung von Bio-Energieträgern ein. Da diese aber nur begrenz eingesetzt werden können, da viel Land gebraucht wird, bezogen sie weiterhin die ebenfalls nötigen Technologien zur Abscheidung von CO2 aus der Luft und anschließende Speicherung im Untergrund (CO2 Capture and Storage) mit ein. Die dabei entstehenden Zusatzkosten schlugen sie anschließend anschließend auf die länderspezifischen Preise von Milchprodukten, Rindfleisch und Reis um. Das ergab ein eindeutiges Ergebnis, so die Erstautorin der Studie, Nicoletta Brazzola: „Sowohl die Gesamtmenge an CO₂, die global aus der Atmosphäre zu entfernen ist, als auch der Geldbetrag, der dafür benötigt wird, scheinen astronomisch hoch zu sein.“
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Preissteigerungen bis zu 10 Prozent in Industrieländern
Den Aussagen der Studie zufolge, würden die Preise in der Schweiz und ähnlichen Ländern, wo die Kosten schon recht hoch sind, bei Rindfleisch um ca. 10 Prozent steigen und für Milch um rund 5 Prozent, Das wäre in diesen Ländern, nach Meinung der Forscher:innen, möglich und könnte positive Nebeneffekte zu Tage fördern: „In gewissen Industrienationen, wo der Überkonsum von emissionsintensiven Nahrungsmitteln problematisch ist, könnte dieser Ansatz den Übergang zu nachhaltigeren Ernährungsformen erleichtern“, so Brazzola.
„Klimagerecht aber asozial“
In Entwicklungsländern, in denen die Menschen teilweise bereits jetzt einen Großteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, wären die Folgen einer Preiserhöhung drastischer. Damit die untersuchten Produkte in diesen Ländern klimaneutral würden, müssten sich die Preise verdoppeln, so die Ergebnisse der Studie. „Das stellt uns vor ein Dilemma: Eine solche Massnahme wäre zwar klimagerecht, aber asozial“, so der Co-Autor Anthony Patt.
Keine international anwendbare Lösung
Maßnahmen zur Kohlenstoffdioxid-Entfernung aus der Atmosphäre auf die Preise der Produkte umzuschlagen, sehen die beteiligten Studienautor:innen daher international nicht als nachhaltige Lösung an. Ihrem Studienresümee zufolge, welche in der Fachzeitschrift PLoS ONE erschienen ist, müssen daher entweder Wege gefunden werden, die Ernährungsgewohnheiten signifikant zu ändern oder aber andere Geldquellen für die Finanzierung der notwendigen CO2-Entfernungsmaßnahmen gefunden und genutzt werden.