Studie: Letzte 70 Jahre für Klima ähnlich schlimm wie Meteoriteneinschlag
In den vergangenen 70 Jahren haben Menschen die Erde so stark verändert, dass Wissenschaftler eine neue geologische Epoche vorschlagen. Nach etwa 11.700 Jahren nach der letzten Eiszeit wollen sie das „Holozän“ 1950 enden lassen und offiziell das Anthropozän einläuten. Die Erderwärmung, die dieses Zeitalter mit sich bringt, könnte nach Ansicht einer internationaler Forschergruppe mit österreichischer Beteiligung die nächste Eiszeit um mindestens 50.000 Jahre in die Zukunft verschieben.
Energieverbrauch explodiert
„Unser Planet ist groß, und auf den ersten Blick mag es für den Menschen unmöglich erscheinen, die Erde selbst geformt zu haben“, so die führende Autorin, Jaia Syvitski von der University of Colorado Boulder. Doch genau das würden die Daten zeigen. Die Forschergruppe der International Union of Geological Sciences, der auch Michael Wagreich von der Uni Wien angehört, hat anhand von 16 Schwerpunkten den globalen Fußabdruck der Menschheit gemessen. Am auffälligsten waren die Änderungen beim Energieverbrauch. Seit der Mitte des 20. Jahrhundert lag der Energieumsatz demnach weit höher als in den restlichen rund 11.700 Jahren des Holozäns.
Wie Meteoriteneinschlag
Der hohe Energieverbrauch mag angesichts der Industrialisierung kaum überraschen, die Auswirkungen sind laut den Forschern aber kaum zu überschätzen: „Der Energieumsatz in diesen 70 Jahren verändert unseren Planeten ähnlich wie der Meteoriteneinschlag am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war – wobei der Einschlag allerdings ein punktuelles Ereignis war“, erklärt Wagreich. Der Unterschied liege lediglich darin, dass der Meteorit für eine starke Abkühlung sorgte, der intensive Verbrauch fossiler Energie hingegen zu einer Erderwärmung.
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„Vom ausgeglichenen Zustand des Holozän entfernt“
Aber auch an anderen Punkten zeige sich der enorme Einfluss der Menschen auf den Planeten. Darunter der radioaktive Fall-out, Beton und die Veränderung von Küstenlinien, industrielle Fischerei, Landwirtschaft und Bergbau, Plastik oder Treibhausgase in der Atmosphäre, die durch den Treibhauseffekt die Klimaerwärmung anheizen. „Diese große Beschleunigung – man kann fast von einer geologischen Explosion sprechen – zeigt, wie sich das Erdsystem ab 1950 von seinem ausgeglichenen Zustand im Holozän entfernt hat“, erklärt Wagreich.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden von der Forschergruppe im Magazin „Nature Communications Earth & Environment“ veröffentlicht (DOI: 10.1038/s43247-020-00029-y ). Die Anthropocene Working Group der International Union of Geological Sciences will bis 2024 einen genauen Zeitpunkt für den Beginn des geologischen Zeitalters des Anthropozäns festlegen.