Tag gegen Lebensmittelverschwendung: Was Startups & ihre User tun
Am heutigen Donnerstag findet der Internationale Tag gegen Lebensmittelverschwendung statt. Ziel dieses Tages ist es, auf die große Problematik der weltweiten Vergeudung von Lebensmittel aufmerksam zu machen. Das ist auch bitter nötig, denn die Verschwendung ist weiterhin erschütternd hoch. In Österreich gehen laut dem WWF rund eine Million Tonnen an genießbaren Lebensmitteln jährlich in Österreich entlang der Lieferkette verloren (wir berichteten).
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Viele Startups bekämpfen Lebensmittelverschwendung
Verbraucher:innen haben jedoch durchaus den Willen dazu, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Im April hat der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe dazu eine Umfrage durchgeführt, laut der es bei drei von vier Konsument:innen ein persönliches Anliegen ist, so wenige Lebensmittel wie möglich wegzuwerfen. Allerdings hat sich gezeigt, dass vor allem bei den Jüngeren ein Mangel an Wissen darüber besteht, wie sich Lebensmittel einsparen lassen. Wir präsentieren einige Möglichkeiten, wie man gegen die Verschwendung ankämpfen kann.
Es gibt eine Reihe an heimischen Startups, die sich dem Kampf gegen Ressourcenverschwendung verschrieben haben. Ein Paradebeispiel dafür ist das Wiener Jungunternehmen Brüsli, das es sich zum Ziel gemacht hat, Brot vor dem Wegwerfen zu retten. Die Lösung dafür: ein Müsli aus Brotresten. Dadurch müssen Bäckereien und Supermärkte das überschüssige, jedoch immer noch genießbare Brot nicht mehr entsorgen. Mit diesem Konzept ist Brüsli sehr erfolgreich. Erst im Juli hat das Jungunternehmen ein Millionen-Investment eingesammelt (wir berichteten).
Lebensmittelrettung: Der Wille ist oft da, Wissen kann gesteigert werden
Kern Tec macht neue Produkte aus Obstkernen
Ein weiteres Startup, das im Bereich Ressourcenschonung arbeitet, ist Kern Tec. Genau wie Brüsli setzt die Jungfirma dabei auf ein Abfallprodukt, nämlich Obstkerne. Aus diesen stellt das Unternehmen hochwertige Öle, Brotaufstriche und Proteinmehle her. Bei Kern Tec besteht großes Potenzial für die Zukunft. Erst im vergangenen Jahr hat es die Jungfirma in den USA in den renommierten Startup-Accelerator von Plug and Play geschafft. Zuletzt wurde sogar eine vegane Milchalternative aus Marillenkernen in die Regale gebracht – wie andere Produkte unter der neuen Marke Wunderkern.
Mit einer autonomen Absatzprognose-Software arbeitet das niederösterreichische Startup Circly daran, Ressourcenverschwendung zu reduzieren. Die Software prognostiziert den Warenabsatz zusammen mit den Auswirkungen von Marketingkampagnen und den benötigten Personaleinsatz. Dadurch soll deutlich mehr Effizienz im Handel möglich sein.
Brüsli: Startup gegen Brotverschwendung holt Millionen-Investment
Too Good to Go rettet alte Lebensmittel
Äußerst erfolgreich in seiner Mission ist das dänische Scale-up Too Good to Go, das seit 2019 auch in Österreich aktiv ist. Das Unternehmen hat eine App entwickelt, die einen Überblick über die Restaurants, Bäckereien oder Hotels bietet, die Essen anbieten, das sie wegwerfen müssten. Kund:innen bezahlen ungefähr ein Drittel des ursprünglichen Preises und können sich dann zu einer vorgegebenen Zeit ein „Überraschungssackerl“ abholen. Eine Überraschung ist der Inhalt deshalb, weil die Betriebe meist nicht genau wissen, was ihnen übrig bleibt, nur wie viel.
Noch ein internationales Scale-up, das Lebensmittel rettet, ist Motatos. Die in Schweden ansässige, 2014 gegründete Jungfirma will Veränderungen in der Lebensmittelindustrie vorantreiben und Unternehmen dabei helfen, Überschüsse zu vermeiden. Motatos verkauft Lebensmittel online und hilft großen Konzernen dabei, ihre überschüssigen Bestände loszuwerden. Die Jungfirma ist neben Schweden bereits in Finnland, Dänemark, Deutschland und Großbritannien aktiv. Erst im September hat das Unternehmen 38 Millionen Euro eingesammelt.
Kern Tec schafft es in renommierten US-Accelerator Plug and Play
Verbraucher:innen auch in der Pflicht
Doch nicht nur Startups widmen sich dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Die Supermarktkette Spar nutzt dafür Künstliche Intelligenz. Mit der eigenen IT-Abteilung, Microsoft und weiteren Partnern hat das Unternehmen eine Lösung entwickelt, um mit Hilfe von Daten und KI gezielte Bestellvorschläge und -prognosen zu ermöglichen. So soll die Lieferkette entsprechend effizient werden (wir berichteten).
Allerdings sind nicht nur Unternehmen bei der Reduzierung der Ressourcenverschwendung gefragt. Auch Verbraucher:innen müssen ihren Beitrag dazu leisten. „Es gibt sichtbare Fortschritte beim Bewusstsein, vor allem angesichts der Lebensmittelkrise und der steigenden Preise. Konsument:innen müssen hier einen durchaus großen Part beisteuern. Haushalte sind in Österreich für eine halbe Million Tonnen an weggeworfenen Lebensmitteln verantwortlich“, sagt Dominik Heizmann, Experte für nachhaltige Ernährung bei WWF Österreich.
Too Good To Go: „Oft Länger Gut“ soll Lebensmittelabfälle reduzieren
Mindestablaufdatum nicht missverstehen
Um sich selbst ökonomischer zu ernähren, ist es laut Heizmann besonders wichtig, nur das zu kaufen, was man wirklich braucht. „Hier hilft besonders der gute alte Einkaufszettel. Es gibt auch noch viel Unwissen darüber, wie Lebensmittel am besten zuhause gelagert werden“, so der Experte. In der Regel sollten Verbraucher:innen neue Produkte hinten in den Kühlschrank stellen und alte weiter nach vorne. Dadurch vergessen sie die älteren Lebensmittel nicht so leicht. Auch ratsam: Leicht verderbliche Produkte weiter oben im Kühlschrank lagern, weil es dort am kühlsten ist. Ebenfalls hilfreich ist es, beim Kochen kreativer zu sein. Zum Beispiel sollte man altes Brot nicht wegwerfen, sondern einfrieren oder als Suppeneinlage verwenden.
Auch Georg Strasser, Country Manager von Too Good to Go in Österreich, hat Tipps gegen Ressourcenverschwendung. Ein häufiges Missverständnis ist ihm zufolge, das Mindestablaufdatum für bare Münze zu nehmen. „Es ist wichtig, dass es das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt, denn damit versichern Anbieter, dass Lebensmittel bis zu diesem Datum einwandfrei sind. Aber das heißt nicht, dass die Produkte nach diesem Datum automatisch schlecht sind. Man kann hier einfach daran riechen oder schmecken und sich auf die sensorische Wahrnehmung verlassen“, meint Strasser.
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„Mehr Wertschätzung für unser Essen“
Ein weiterer Tipp von Too Good to Go ist, Überreste im Restaurant mit nach Hause zu nehmen. Verbraucher:innen können mit solchen Sparmaßnahmen auch in den momentanen Krisenzeiten durchaus viel Geld sparen, was sie noch wesentlich wichtiger für Haushalte macht. Vor allem aber wünscht sich Georg Strasser wieder mehr Wertschätzung für Lebensmittel. „Wir haben das Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln heute ein bisschen verloren. Deswegen brauchen wir wieder mehr Aufmerksamkeit dafür, woher unser Essen kommt und wie es produziert wird.“
Doch auch Politik und Unternehmen müssen mehr tun, um diese Herausforderung zu bewältigen. „Firmen produzieren und verkaufen derzeit immer auf Anschlag und verschwenden so automatisch Lebensmittel. Sie stehen unter einem Warendruck, der erfordert, dass sie immer genug Produkte für alle Konsument:innen bieten können. Doch das ist langfristig nicht ökonomisch. Unternehmen wie Supermärkte machen bereits bei vielen Initiativen gegen die Vergeudung von Ressourcen mit, doch es müssen in Zukunft noch viel mehr werden“, erklärt Strasser.
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Noch nicht genug politische Maßnahmen
Um Firmen in die Pflicht zu nehmen, ist auch die Politik gefordert. „Sie muss auf klare Vorgaben im Zuge einer Offenlegungspflicht bestehen. Denn nur, wenn Unternehmen wissen, wie es um ihre Lieferketten bestellt ist, können sie etwas gegen Probleme tun und ihre Maßnahmen auch effektiv kommunizieren. Es gibt zwar schon viele Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung, doch es wird zum jetzigen Stand nicht reichen, um sie wirklich einzudämmen. Hier fehlen noch breitenwirksame gesetzliche Maßnahmen“, warnt Dominik Heizmann.