Talent Garden-Schließung wird ein Fall fürs Gericht
Der Streit zwischen dem italienischen Coworking Space Talent Garden und dem Vermieter des Gebäudes, in dem bis vor kurzem noch etwa 150 Leute ihren Arbeitsplatz hatten, spitzt sich weiter zu. Wie berichtet, wurde der Coworking Space von einem Tag auf den anderen geschlossen, Mieter:innen und Mitglieder mussten bis Donnerstag Mitternacht ausziehen. Talent Garden rund um CEO Irene Boni argumentierte, dass die Schließung wegen des „unzumutbaren Zustand des Gebäudes“ erfolgte, ein Wasserschaden vor etwa drei Wochen hätte schließlich das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Rainer Gruppe, der das sechsstöckige Gebäude im 9. Bezirk in Wien gehört und an Talent Garden vermietete (Coworking ist somit ein Geschäft mit Untervermietung), wiederum wirft Talent Garden vor, „Mietrückstände in siebenstelliger Höhe“ und außerdem „seit über einem Jahr nicht bezahlte Betriebskosten“ zu haben. Nun schlägt Boni, die am Donnerstag am Tag der Schließung persönlich von Mailand nach Wien kam, zurück.
Wien „von Beginn eine der schwierigsten Situationen in unserer Firmengeschichte“
„Das Wiener Gebäude in der Liechtensteinstraße war von Beginn unserer Zusammenarbeit an eine der schwierigsten Situationen in unserer Firmengeschichte. Der bauliche Zustand des Gebäudes, den wir nach der Eröffnung feststellten, entsprach weder unseren Ansprüchen noch den Ansprüchen an ein modernes Bürogebäude in Wien. Seit Beginn unseres Mietvertrags hat Talent Garden mehr als 2,5 Millionen Euro investiert“, so Boni in einem Statement gegenüber Trending Topics. Die Rainer Gruppe hätte sich stets geweigert, einen „nachhaltigen Dialog zu führen“. 2020 hätte sich die Immobiliengruppe bereit erklärt, „die Verantwortung für die kontinuierliche (wöchentliche) Wartung des Gebäudes zu übernehmen, ist diesen Verpflichtungen jedoch wiederholt nicht nachgekommen.“
Talent Garden in Wien hat über die letzten Jahre Millionenverluste geschrieben, die Firmenzentrale in Mailand war zuletzt offenbar nicht mehr gewillt, Kapital nachzuschießen. Der Wasserschaden vor kurzem dürfte der letzte Tropen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Betrieb von Coworking Spaces generell, wo Betreiber selbst oft Mieter sind und an ihre Mitglieder untervermieten, ist in den vergangenen Jahren durch hohe Inflation und hohe Zinsen schwieriger geworden – Mieten mussten erhöht werden, Betriebskosten steigen, Mitglieder springen ab.
Talent Garden Wien kündigt von heute auf morgen allen Mitgliedern, sperrt zu
Boni erwartet Erfolg vor Gericht
Dass es dann letztendlich zu der Vertragskündigung gegenüber der Rainer Gruppe und in Folge der Kündigung der eingemieteten Firmen im Wiener Talent Garden kam, erklärt Boni so: „Wir waren nicht in der Lage, eine angemessene Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter zu gewährleisten, einschließlich angemessener Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gesundheitsbedingungen. Deshalb mussten wir den Mietvertrag kündigen.“
Da die Gespräche und Verhandlungen zwischen Talent Garden und der Rainer Gruppe zuletzt zu keiner Lösung führten, läuft nun ein Gerichtsverfahren. „Wir haben die Situation wiederholt überwacht und dokumentiert. Wir haben also Beweise für unsere Forderungen. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Position in dem anstehenden Gerichtsverfahren bestätigt wird. Vor einiger Zeit gab es einen ersten Termin vor Ort mit mehreren Sachverständigen – die zu erwartenden Gutachten werden zeigen, dass unsere Rechtsauffassung richtig ist und wir einen Schnitt machen mussten. Die Witterungsverhältnisse der letzten Zeit haben die Situation weiter verschärft, so dass wir nicht in der Lage sind, unseren Betrieb in gewohnter Weise weiterzuführen.“
Aus Sicht der Rainer Gruppe stellt sich die Situation so dar: „Vor allem sind wir überrascht über die Vorgangsweise von Talent Garden, während laufender Gerichtsverhandlungen mit uns als Immobilien-Eigentümer alle Mieter:innen auf die Straße zu setzen“, heißt es seitens Stephanie Ernst, Prokuristin der Rainer Gruppe. „In unserer 65-jährigen Geschichte als Familienunternehmen haben wir so etwas noch nie erlebt.“ Damit sind sich die Streitparteien zumindest in einem Punkt einig. „Dieses bedauerliche Ereignis ist beispiellos in unserer Geschichte“, so Talent-Garden-CEO Boni.
Mitbewerber von Talent Garden in Aktion
Nach Bekanntwerden der Schließung des Talent Garden sind in Wien zahlreiche Mitbewerber auf die ehemaligen Mieter:innen zugekommen, um ihnen Bürofläche und weitere Hilfe für eine schnelle Lösung der entstandenen Probleme anzubieten. Gekündigte TAG-Mieter:innen können sich auch an die Hausverwaltung der Rainer Gruppe wenden. Manche nutzten die Gunst der Stunde auch, um kostenlose Büromöbel abzustauben – diese konnten am Donnerstag, am Tag der Auflösung des Standorts, einfach aus der Liechtensteinstraße abgeholt werden.
Rainer Gruppe: Talent Garden soll „Mietrückstände in siebenstelliger Höhe“ haben
Hier das volle Statement von Talent Garden CEO Irene Boni:
Talent Garden was founded in 2011 and operates 13 campuses across 12 markets in Europe. The Vienna building on Liechtensteinstrasse has been from the beginning of our collaboration one of the most dificult situations in our company history. The buildings structural condition, which we discovered after opening, did not meet our standards or those of state of the art office buildings in Vienna. Since the beginning of our rental agreement Talent Garden has invested more than €2.5 million to accelerate the development of the tech ecosystem in Vienna.
Despite numerous and repeated attempts since 2021 to negotiate with the landlord for a revision of the contractual conditions and to improve the building, the landlord has consistently refused to engage in a sustainable dialogue. In 2020, we agreed on a new contract, the landlord agreed to take responsibility for continuous (weekly) maintenance of the building but has repeatedly failed to fulfill these obligations.
For us it is indispensable to offer a modern and a healthy environment to all our clients. We do this as good as possible in all our facilities. Due to the the landlords behavior our discouragement was inevitable and led us to leave the site.
We were no able to guarantee an adequate working environment for coworkers, including appropriate temperature, humidity, and health conditions. Therefore we had to terminate the lease-contract. We have repeatedly monitored and documented the situation. So we have proof of our claims. We are confident, that our position will be confirmed in the upcoming legal proceedings. Some time ago there was a first appointment on the site with several experts – the expected appraisals will show that our legal position is correct an d we had to make a cut. Recent weather conditions have further exacerbated the situation, making it impossible for us to continue operating to our standards.
It is anything but our desire to cause inconveniences to our partners and many businesses. We have worked diligently to support our members, redirecting them to other coworking spaces. We supported their moving and the safe storage of their materials. This unfortunate event is unprecedented in our history.
Our Vienna-Members appreciate our attitude and our standards very much. We have recently received numerous messages of understanding and recognition for the great work done by our team. We have believed in the Vienna ecosystem since the beginning and continue to see it as a global hub for tech and innovation. Unfortunately, the building’s condition has hindered us and our members from achieving our mission.