Talent Garden: Wer in den Coworking Hub einzieht, wie er funktioniert und wie viel er kostet
Bereits im Sommer 2017 hätte der Coworking Space Talent Garden in Wien eröffnen sollen. Doch dann wurde der Start immer wieder verschoben – weil die erste gewählte Immobilie sich letztendlich als doch nicht geeignet erwies. Anfang 2019 soll er jetzt endlich Realität werden. Dann werden in der Wiener Liechtensteinstrasse 111-115 im 9. Bezirk die ersten Startups und Firmen einziehen. Die Mutterfirma Talent Garden aus Italien betreibt in Europa mittlerweile ein Netzwerk aus 25 Coworking Spaces – von Dublin über Barcelona bis Rom -, die zahlende Mitglieder ebenfalls benutzen können.
Ab Jänner 2019 folgt die Teileröffnung Stockwerk für Stockwerk, bis dann schließlich insgesamt sechs Stockwerke mit insgesamt 5.000 Quadratmetern zur Verfügung stehen – voraussichtlich im März oder April 2019. Fix einziehen werden startup300 (am Talent Garden Wien zu 10,3 Prozent beteiligt), Raiffeisenbank International (RBI), Pioneers, Startup Live und Conda, außerdem wird der Standort von der Wirtschaftsagentur mit rund 146.000 Euro gefördert.
Martin Giesswein und Max Lammer haben als Founding Partner das Projekt von Anfang an betreut und übergeben die operative Leitung jetzt an ein neues Team (u.a. mit Heinz Grottenegg als Campus Manager). Im Interview mit Trending Topics erklären die beiden, warum sich der Start so lange verzögert hat, wie sich Startups, Freelancer und Corporates mischen sollen und warum man den Space nicht mit einem herkömmlichen Büro vergleichen sollte.
Trending Topics: Die freche Frage zuerst. Warum hat es denn so lange gedauert mit dem Start von Talent Garden in Wien?
Martin Giesswein: Weil wir wie ein gutes Startup einen ordentlichen Pivot gemacht haben (lacht). Wir haben nämlich das Gebäude gewechselt. Jetzt haben wir das richtige Gebäude, der Umbau ist fertig, es kommen die ersten Möbel rein, und mit Jahreswechsel ziehen die ersten Mieter hinein. Es ist eine Hochschaubahn der Gefühle gewesen. Man muss halt immer dran bleiben. Das Gute ist, dass wir das Investment, das vom Headquarter in Italien für Wien versprochen war, gehalten haben. Auch die Fördergeber sind dabei geblieben. Und wir haben nach wie vor die Nachfrage.
Max Lammer: Wir haben in der Zeit auch neue Ökosystem-Partner gefunden, nämlich startup300, und neue Mitglieder wie Pioneers. Da ist uns eine coole Erweiterung gelungen.
Wie ist das neue Gebäude strukturiert?
Lammer: Der Campus hat sechs Etagen. Im Erdgeschoss kommt ein öffentliches Café. Im ersten Stock beginnt der Coworking-Bereich und ist auch das Stockwerk für die Talent Garden Innovation School. In den weiteren vier Stockwerken sind Arbeitsbereiche, und im obersten 6. Stock gibt es einen Event-Space und die Community-Küche. Auf jeder Etage wechselt es sich sehr locker ab zwischen Open Space und Private Offices. Auch das Zusammenkommen auf jeder Ebene wird unterstützt durch kleine Coffee Areas.
Es sollen sich also Freelancer, Startups, KMU und Corporates auf jeder Etage mischen?
Giesswein: Genau so ist es. Es hat sich international gezeigt, dass es für innovative Projekte keine Monokultur von Startups sein darf, sondern es einer Mischung bedarf. Es wird ein Drittel Startups, ein Drittel EPUs und KMU und ein Drittel Teams von Corporates sein, die dort Projekte machen und sich mit anderen austauschen wollen. Das ist der Magic Mix, der bei allen 25 Talent Gardens durchgezogen wird.
Wie stark wird das Konzept aus dem italienischen Headquarter von Talent Garden vorgegeben? Hat der Wiener Standort Spielraum bei der Gestaltung?
Lammer: Beim Design gibt es eine durchgängige Linie. Jeder Campus gleicht den anderen in Sachen Aufmachung und Look & Feel. Das basiert auf der Erfahrung aus den 25 Standorten, die es bereits gibt. Ansonsten hat der Standort Wien Freiheiten bei Event-Konzepten oder der Innovation School.
Giesswein: Die Local Co-Founders, die Talent Garden in der Entstehungsphase in jeder Stadt hat – und in Wien eben uns – , sorgen für die lokale Adaption. Dazu gab es Community-Meetings im Vorfeld, um konkretes Input zu bekommen. Da geht es um einfache Dinge wie: Es muss eine Dusche geben, weil viele Leute in Wien mit dem Fahrrad kommen werden oder zwischendurch sporteln gehen. Oder dass der Kaffee in Wien einen gewissen Preis nicht übersteigen darf.
Wie viel des Campus ist bereits ausgebucht?
Lammer: Wir halten bei etwa 45, 50 Prozent. Ziel ist, die ersten drei Stockwerke des Campus mit möglichst viel Leben zu befüllen. Und dann werden neue Mitglieder dazukommen und die weiteren Floors beziehen. Das Füllen des Hauses erfolgt sukzessive.
TAG Flex | TAG Full | TAG Office | TAG Corporate | |
Preis | ab 180 €/Monat exkl. MwSt. | ab 300 €/Monat exkl. MwSt. | ab 350 €/Monat exkl. MwSt. (mind. 3 Personen) | ab 600 €/Monat exkl. MwSt |
Leistung | – Flexibler Tisch im Open Space
– 20h Zutritt während der Öffnungszeiten – 2 Stunden Meeting-Raum pro Person/Monat, – Freier Zugang zu allen anderen Standorten |
– Fixer Tisch im Open Space
– Ständiger Zutritt zum Campus – 3 Stunden Meeting-Raum pro Person/Monat – Freier Zugang zu allen anderen Standorten |
– Privates verschließbares Office für 3 – 18 Personen
– Bezugsfertig – Ständiger Zutritt zum Campus – 2 Stunden Meeting-Raum pro Person / Monat, – Freier Zugang zu allen anderen Standorten |
– 1 Fixer Platz im Open Space nutzbar durch 10 Personen (nicht simultan),
– Ständiger Zutritt zum Campus – 5 Stunden Meeting-Raum pro Monat – 20h Zugang zu allen anderen Standorten |
Für größere Teams ist der Talent Garden sehr teuer – man bezahlt zwischen 180 und 350 Euro pro Person. Da könnte man sich ein schönes eigenes Büro leisten.
Giesswein: Die Frage ist, ob man das vergleichen kann. Man bekommt ja den Austausch mit den anderen und die komplette Infrastruktur. Man kann seine eigenen Events machen und zu den anderen Events gehen. Das ist schwer vergleichbar mit einem herkömmlichen Büro.
Für wen ist es optimal?
Giesswein: Die internationale Erfahrung zeigt, dass es für junge Teams und Einzelunternehmer optimal ist. Die wachsen im Talent Garden und gehen dann in ein eigenes Office, wo man mehr auf interne Prozesse schauen kann. Es gibt aber viele Firmen, die sich ein kleines Satellitenbüro im Talent Garden behalten und Teil der Familie bleiben wollen. Junge Firmen bleiben durchschnittlich 18 Monate.
Talent Garden wurde oft mit weXelerate verglichen. Was sind die wesentlichen Unterschiede?
Lammer: Es sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die sich nicht konkurrenzieren. Talent Garden hat zum Ziel, die physische Plattform für ein Innovations-Ökosystem zu sein. Bei uns gibt es die Möglichkeit, dass ein Member ein Accelerator-Programm macht, aber wir sind selbst kein Accelerator-Programm. Das ist die sehr trennscharfe Unterscheidung.
Giesswein: Bei Talent Garden ist die Miete die Haupteinnahmequelle. Dadurch sind wir in erster Linie der Community verpflichtet. Das Startup, die Person muss dort glücklich sein.
Lammer: Natürlich gibt es Corporate-Partner, die ihre Programme hier machen, aber die primäre Verpflichtung gilt der Community. Die Raiffeisenbank International ist fix dabei, und es gibt auch Anfragen von weiteren großen Unternehmen. Aber wir versuchen, die Zahl nicht allzu groß werden zu lassen, weil sonst die Service-Qualität leiden würde. Das ist sehr handverlesen.
Auch WeWork wird nach Wien kommen. Wird sich Talent Garden gegen die US-Konkurrenz behaupten müssen?
Giesswein: Für Wien ist es super, dass alle modernen Anbieter von Innovations-Campus und Coworking Spaces herwollen. Es wird noch wesentlich mehr geben. Jeder unterscheidet sich in seiner Herangehensweise, es gibt viele verschiedene Ausprägungen. Die Nachfrage übersteigt nach wie vor das Angebot, deswegen ist das kein Problem. Die Kutscher haben sich auch nicht gedacht, dass der Ford so viele Autos verkauft. Je mehr Anbieter kommen, desto einfacher wird das Physisch-Machen der neuen Welt der Arbeit, über die wir so lange gesprochen haben. Das kann jetzt jeder leben, und zu einem fairen Preis.
Martin Giesswein und startup300 sind Investoren von Trending Topics.