Kommentar

Taten statt Worte – damit das Klima nicht zu Kurz kommt

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Die Bilder der Flutkatastrophen der letzten Wochen haben sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt: Bäche, die sich in reißende Ströme verwandeln; panische Menschen, die sich an Laternenpfosten festklammern, um nicht weggespült zu werden und Familien, die mit Schlamm bedeckte Kisten aus ihren Kellern hieven. Aber Klimakatastrophen halten sich nicht an Landesgrenzen: In weiten Teilen der Welt müssen Menschen tagtäglich mit der zunehmenden Zerstörungskraft klarkommen. 

Ein Beispiel aus Pakistan: Die 18-jährige Jaweria Baig lebt mit ihrer Familie zwischen etlichen Siebentausendern Mitten im Himalaya. Durch die steigenden Temperaturen schmelzen die Gletscher rund um ihr Zuhause immer schneller. Die Wassermassen hinterlassen Spuren der Verwüstung. Alles, was die Baigs besaßen, wurde weggespült oder unter den zähen Schlammmassen begraben. „Ich kann nicht verstehen, wie Menschen so dreist sein können und Geld über Menschen stellen können“, sagt sie im Interview mit der Klimareporterin Emily Atkin.

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Festklammern an veralteten Werten und Vorstellungen

Gedanken wie diese dürften in Österreich vergangene Woche viele gehabt haben, die die Debatte rund um die Evaluierung von Straßenbauprojekten der Asfinag mitverfolgt haben. Immerhin sträubte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Interview mit Vorarlberg Heute gegen die von der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahme: Der Bau der S18 sei fix, sagt er. Der wirtschaftliche Nutzen scheint für ihn an erster Stelle zu stehen. Dass das Festklammern an veralteten Bauprojekten nicht mit Österreichs Klimazielen vereinbar ist, ignoriert Kurz.

Ignoriert werden können die Folgen dieser Haltung aber längst nicht mehr: Mehr als 160 Menschen starben bei der Flutkatastrophe Mitte Juli in Deutschland; tausende Menschen stehen vor überschwemmten Kellern oder gänzlich weggespülten Ruinen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet bei einem Lokalaugenschein im Krisengebiet das Ausmaß des Unwetters als „surreal und gespenstig“.  

Auch in Österreich kam es zu Extremfällen: Im östlichen Weinviertel und im Nordburgenland fiel im Juni 2021 im Vergleich zu der durchschnittlichen Regenmenge der letzten 30 Jahre laut der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) um 75 bis 90 Prozent weniger Niederschlag. Im Gegensatz dazu, haben heftige Unwetter in den vergangen Tagen in Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich gewütet: In Hallein (Salzburg) verwandelte sich am Samstag etwa der Kothbach in einen reißenden Fluss und hinterließ Schäden in Millionenhöhe.

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Im Epizentrum der Megadürre

Zeitgleich erlebt der Westen der USA laut Palmer Drought Severity Index eine Rekorddürre: Waldbrände wüten in Kalifornien, das größte Wasserreservoirs von New Mexiko ist gerade einmal zu sieben Prozent gefüllt. Während Bauern um ihre Ernte bangen, erliegen viele ältere US-Amerikaner:innen der Hitze. „Wir sind das Epizentrum einer, wie manche es nennen, Megadürre“, sagt Bidtah N. Becker von der Navajo Nation Water Rights Commission gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Discover. Gepaart mit der nur langsam abflachenden Covid-Pandemie sei die Hitzewelle zusätzliches Salz in der Wunde.

Die aktuellen Katastrophen sind aber nur die Spitze des Eisbergs: In der Wissenschaft herrscht ein Konsensus darüber, dass sich Extremwetterfälle durch die steigenden Temperaturen mehren werden. Auch die Intensität der Unwetter dürfte steigen, sagt etwa Klimaforscher Sebastian Sippel vom Institut for Atmospheric and Climate Science in Zurich gegenüber dem Nachrichtenportal Deutsche Welle (DW). Gleichzeitig verändern sich durch die Erderwärmung auch dominante Luftströmungen in der Atmosphäre. Der Jetstream etwa verlor in den letzten Jahren laut Meteorologe Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie an Kraft. Auch wenn die genauen Konsequenzen davon noch nicht erforscht sind, geht Fink davon aus, dass sich dadurch lang andauernde Hitzewellen in Europa mehren dürften.

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Heutiger Verzicht ist zukünftiger Gewinn

Schon heute führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)  jährlich 150.000 Tode auf die Klimakrise zurück. Wie viele es in fünfzig Jahren sein werden, hängt von der heutigen Klimapolitik ab. Dabei geht es nicht darum, Verhältnisse wie „in der Steinzeit“ herzustellen, wie es Kanzler Kurz formuliert. Ganz im Gegenteil – es geht darum, die Lebensqualität von zukünftigen Generationen zu sichern. Innovation wird definitiv nötig sein, um den potenziellen Schaden zu begrenzen.

Wer sich aber ausschließlich auf Wasserstofftechnologien, Carbon Capture Technologie und E-Mobilität verlässt, wird die Klimakrise nicht aufhalten. Viele von diesen Techniken sind bisher für den Einsatz in der Breite noch nicht ausgereift. Wir müssen aber jetzt etwas tun und ja, dafür braucht es den Verzicht. Und es braucht einen grundlegenden Wertewandel in der Politik – auch wenn das nicht bei allen Wähler:innen gut ankommt. Wir müssen lernen wirklich „respektvoll mit der Schöpfung umzugehen“ und leere Worthülsen endlich mit Taten füllen. Nur so können Katastrophen wie in Österreich, Kalifornien und Pakistan zwar nicht vermieden, aber wenigstens vermindert werden. Und das ist für alle ein Gewinn. 

 

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