Hintergrund

Taxefy: 50.000 Kund:innen warten auf Steuererklärung, BMF prüft weiter

Taxefy-Gründer Aleksej Sinicyn. © Taxefy / BMF
Taxefy-Gründer Aleksej Sinicyn. © Taxefy / BMF
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Fünf Jahre haben Österreicher:innen Zeit, sich mit einem Lohnsteuerausgleich – auch Arbeitnehmerveranlagung (ANV) – vom Finanzamt Geld zurück zu holen. Je nachdem, wen man fragt, können sich Österreicher:innen im Schnitt 560 Euro (Arbeiterkammer) oder sogar 750 oder 912 Euro (Taxefy) über den Lohnsteuerausgleich zurückholen. Bei mehreren hunderttausend Bürger:innen, die das aus verschiedenen Gründe nicht tun (vergessen; zu kompliziert; usw.) ergibt das schnell mal hunderte Millionen Euro, die Österreicher:innen dem Finanzamt „schenken“.

Was nun, wenn man sich zehn Prozent dieses Geldes verdienen könnte? Der deutsche Serienunternehmer Aleksej Sinicyn, der mal Physik an der Universität Stuttgart studierte, hat das als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Mit der App Taxefy, über die Nutzer:innen in wenigen Minuten ihre private Steuererklärung an das Finanzamt senden können, um diesen Lohnsteuerausgleich zu machen, hat Sinicyns Firma, die Taxefy GmbH, eigenen Angaben zufolge im Jahr 2022 etwa zwei Millionen Euro zurückgeholt. Zehn Prozent von zwei Millionen sind keine exorbitanten Umsätze – aber das Potenzial ist zu sehen.

Finanzministerium wird aktiv

„Einfach, rechtssicher & 0 € Kostenrisiko“ – Taxefy gibt sich in der Eigenvermarktung als Win-Win-Win-Situation. Die Bürger:innen bekommen die ihnen zustehenden Steuerrückzahlungen; das Verfahren wird für Steuerberater:innen, für die sich die ANVs bisher wegen der kleinen Beträge kaum auszahlten, automatisiert; und das Startup von Sinicyn hat ein Business-Modell.

So gut 2022 lief, so schwierig wurde dann 2023. Denn aktuell heißt es aus dem österreichischen Finanzministerium: „Das BMF begrüßt und unterstützt grundsätzlich innovative Startups und eine Verbesserung des Kundenservice durch digitale Prozesse. Dabei geht keinesfalls darum, digitale Lösungen zu verhindern, sondern darum, diese in den Programmen der Finanzverwaltung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst zu integrieren (z.B.: FinanzOnline).“ Aber: „Die Taxefy-App wirbt mit Vereinfachungen, wobei die dort sehr allgemein gehaltenen Fragen oftmals mangels besseren steuerrechtlichen Kenntnissen unwissentlich zu falschen und rechtswidrigen Angaben seitens der Antragsteller führen. Darüber hinaus werden Kontonummern angegeben, die nicht zu den Steuerpflichtigen gehören und damit Probleme bei anderen Hilfsleistungen verursachen.“

Kammer der Steuerberater:innen warnt vor Steuer-Startup Taxefy

Geschäftsmodell im Visier

Einige der Probleme mit der App laut BMF: die automatisierte Guthabensauszahlungen im Rahmen der ANV würden auf Konten landen, die einerseits nicht in Verfügung des/der Steuerpflichtigen stehen oder in FinanzOnline-Kontodaten erfasst sind, die den betroffenen Steuerpflichtigen nicht bekannt sind. „Der IBAN des Nutzers wird im Rahmen des Prozesses auf die Bankverbindung der taxefy GmbH ändert“, heißt es – was letztendlich mindestens zu Irritationen bei Usern gesorgt hatte. Die mehr als 900 Euro, die Taxefy als Rückzahlung in Aussicht stellt, würde zu dem nur deswegen zustande kommen, weil Daten ungenau erhoben würden – etwa, weil bei der Abgabenerklärung bei Nutzung eines PCs durch die App keine weitere Frage nach einem Privatanteil gestellt würde, und weil bei der Pendlerpauschale keine genauen Angaben eingefordert werden würden.

Und schließlich stößt sich das BMF am Geschäftsmodell selbst: Denn Taxefy dockt nicht direkt an FinanzOnline an, sondern über kooperierende Steuerberater:innen. „Bei diesem Geschäftsmodell wird die taxefy GmbH von einzelnen Bilanzbuchhaltern und Steuerberatern unterstützt. Gegenüber der Finanzverwaltung treten diese dann als steuerliche Vertreter auf, berufen sich auf eine Vollmacht und erhalten vollen Zugang zu FinanzOnline“, heißt es seitens BMF. „Für die Finanzverwaltung ist nicht erkennbar, ob ein Vollmachtverhältnis zum Einbringen der Erklärung vorliegt und ob eine Geldvollmacht, die rechtlich erst die Kontoänderung zulässt, gegeben ist. Seitens Finanzverwaltung werden hier bereits Schritte gesetzt, wie einer Einschränkung dieser Vollmachten.“

Dass die angestrebten Partnerschaften mit Steuerberater:innen nicht überall gut ankommen, ist bekannt. Wie Trending Topics berichtete, warnte die Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen (KSW) ihre Mitglieder vor Taxefy. Kooperationen mit dem Startup würden das „geltende Berufsrecht der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen außer Acht lassen“, heißt es in einem Schreiben. „Die KSW hält daher mit der gebotenen Deutlichkeit fest, dass das Zurverfügungstellen eines FinanzOnline-Subaccounts an Berufsfremde gegen das Berufsrecht der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen verstößt und somit unzulässig ist.“

Deutsches Steuer-Startup Taxfix erlangt den Unicorn-Status

Mittlerweile ist das BMF „in dieser Causa laufend mit der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Verbindung“, heißt es gegenüber Trending Topics. Für Taxefy und seine Nutzer:innen ist die Gemengelage ein Problem. Ohne KSW keine notwendige Kooperationen mit Steuerberater:innen, ohne Steuerberater:innen beim Andocken An FinanzOnline. Deswegen steht die App halb still. Zwar können User nach wie vor ihre ANVs einreichen, nur – bei FinanzOnline können diese derzeit nicht eingereicht werden.

Nicht das erste Startup des Gründers

Dass Problem, dass IBAN der Nutzer:innen auf die Bankverbindung der taxefy GmbH ändert wurde, sei längst behoben. Bei dem ersten Design der App und des Abwicklungsprozesses wurde eine Kontoänderung durchgeführt, da dies die Abrechnung mit unseren Kund:innen deutlich erleichtert hat. Seit Ende 2022 wurde dies jedoch geändert. Mittlerweile wird der gesamte Betrag direkt an die Taxefy-User:innen ausgezahlt und von Taxefy eine Rechnung nach erfolgreicher Abwicklung gestellt. Personen, die keine Rückerstattung erhalten haben, erhalten selbstredend auch keine Rechnung von uns“, so Sinicyn. Auch, dass man Daten unrichtig abfragen würde, weist der Gründer von sich. Sowohl unser Live-Berechnungs-Service als auch die Kennzahlenzuordnung der getätigten Angaben unserer User:innen wurden bereits in der Entwicklungsphase von Taxefy von mehreren Steuerkanzleien und anerkannten Steuerberechnungsprogrammen erfolgreich quer geprüft. In der Taxefy App wird zusätzlich verlangt, dass UserInnen die Richtigkeit ihrer Angaben mit ihrer Unterschrift bestätigen.“

Mit Geschäftsmodellen, die anecken, hat Gründer Sinicyn seine Erfahrungen. Mit dem Online-Portal „günstiger wohnen“ hat er 2016 bereits einen Service für die Prozessfinanzierung zur Durchsetzung von Ansprüchen von Mieter:innen gestartet. Da war Sinicyn bereits einmal groß in den Medien – unter anderem, weil er dabei half, für einen Altmieter in Wien Favoriten den stattlichen Betrag von 42.000 Euro zurückzuholen. Sein Startup prüfte damals, ob der Mieter mehr zahlte als das Gesetz erlaubte – und gewann. 

Doch mit dem günstiger wohnen-Service ist Sinicyn mittlerweile nicht mehr alleine. miet-bremse.at, right4u.at, mietfuchs.at und einige andere bieten ähnliche Services an, die Differenzierung am Markt ist schwer. Für den Deutschen Sinicyn war also die Zeit gekommen, ein neues digitales Geschäftsmodell zu entwickeln. Im LegalTech-Bereich wollte er bleiben, und sah eine Marktlücke. In Berlin taten sich 2016 Mathis Büchi und Lino Teuteberg zusammen, um Taxfix zu gründen. Das Startup für die digitale Abgabe einer Steuererklärung expandierte seither nach Italien und Spanien, erreichte 2022 Unicorn-Status – aber ließ den vergleichsweise kleinen Markt in Österreich außen vor. Ein Betätigungsfeld also, das Raum für einen lokalen Player wie Taxefy frei ließ.

50.000 Steuererklärungen in der Pipeline

Und das funktionierte gut – bis zuletzt. Denn mittlerweile hängen, bildlich besprochen, zehntausende Steuererklärungen in der digitalen Leitung und warten darauf, dass der Hahn für Taxefy wieder aufgedreht wird. „Derzeit bearbeiten wir über 50.000 ausgefüllte Steuererklärungen, die großteils auf die finale Abwicklung warten. Man ist im Austausch mit dem BMF, um diese Erklärungen schnellstmöglich abzuwickeln“, heißt es seitens Taxefy-Gründer Sinicyn. Ein grobes Problem ist das noch nicht, denn „auch bei privat eingereichten ANVs kann die Bearbeitungszeit bei der Finanz bis zu sechs Monate betragen“. Trotzdem ist Taxefy letztlich darauf angewiesen, dass die Leitung zu FinanzOnline bald wieder frei ist, ansonsten handelt man sich den Ärger von zehntausenden Usern ein, die eigentlich eine simple Rückzahlung erwarten (und in Zeiten der Teuerung oft jeden Euro zusätzlich gut gebrauchen könnten).

Taxefy: Wiener Startup verspricht Steuerrückerstattung in acht Minuten

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