Tech-Unicorns und VCs wettern gegen AI Act – für manche „unbegründet“
Hermann Hauser, Niklas Zennström von Atomico, Jeannette zu Fürstenberg von La Famiglia, Julian Teicke von wefox, Bastian Nominacher von Celonis, die Mistral-AI-Gründer, Johannes Reck von Getyourguide, Hanno Renner von Personio, Daniel Krauss von FlixBus, Nicolas Julia von Sorare, Antoine Hubert von Ynsect, Nicolas d’Audiffret von Ankorstore, Rodolphe Ardant von Spendesk sowie die CEOs von Airbus, Deutscher Telekom, InstaDeep, Siemens, Peugeot, Renault, Burda, Merck, Schibsted oder TUI: Eine Koalition von weit mehr als 100 Führungskräften aus Tech-Unicorns, VCs und Corporates hat sich in einem offenen Brief an die hohe EU-Politik gewandt – mit dem Ziel, den im Eu-Parlament beschlossenen AI Act doch noch einmal abzuschwächen.
Wie berichtet soll die EU-Verordnung zu Künstlicher Intelligenz strenge Regeln zu KI anlegen – und AI-Systeme komplett verbieten oder als Hochrisiko einstufen. Aktuell, so eine Stanford-Studie gibt es kein einziges Foundation Model (dazu zählen GPT-4, PaLM, LLaMA oder Luminous), das die Anfordernisse des AI Acts erfüllen würde – und demnach als Hochrisiko eingestuft werden würden oder Gefahr laufen, gar nicht in der EU zugelassen zu werden. Google etwa hat seinen KI-Chatbot Bard, der auf PaLM läuft, in EU-Staaten aus Angst vor rechtlichen Problemen gar nicht erst freigegeben.
In den strengen Regeln des AI Act sehen die Wirtschaftsvertreter:innen einen Standortnachteil. „Unserer Einschätzung nach würde der Gesetzesentwurf die Wettbewerbsfähigkeit und die technologische Souveränität Europas gefährden, ohne dass den Herausforderungen wirksam begegnet wird, die sich uns jetzt und in Zukunft stellen“, heißt es in dem offenen Brief. „Dies gilt insbesondere für generative KI. Nach der kürzlich vom Europäischen Parlament verabschiedeten Version würden Foundation-Modelle unabhängig von ihren Anwendungsfällen stark reguliert werden. Unternehmen, die solche Systeme entwickeln und implementieren, wären mit unverhältnismäßigen Compliance-Kosten und unverhältnismäßigen Haftungsrisiken konfrontiert.“
AI Act: Das ist die erste Regulierung für künstliche Intelligenz in der EU
KI-Gesetz soll noch einmal überarbeitet werden
Es bestünde deswegen die Gefahr, dass innovative Unternehmen, die Foundation Models entwicklen, ihre Standorte aus der Eu anderswohin verlegen würden – und Investor:innen würden möglicherweise Kapital abziehen. Dafür sei die Technologie aber zu bedeutend: „Staaten mit den leistungsfähigsten Large Language Modellen werden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil haben. Der Einfluss dieser Modelle ist aber noch viel bedeutender: Indem sie beispielsweise Suchmaschinen ersetzen und sich als Assistenten unseres täglichen privaten und beruflichen Lebens etablieren, werden sie zudem mächtige Werkzeuge sein, die nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch unsere Kultur prägen. Europa kann es sich nicht leisten, hier ins Hintertreffen zu geraten“, heißt es in dem Schreiben weiter.
Die Unterschreiber:innen des Briefs plädieren dafür, den Entwurf des EU-KI-Gesetzes noch einmal zu überarbeiten. Man solle lediglich allgemeine Grundsätze festlegen, die dann von einer Regulierungsinstanz umgesetzt werden, anstatt zu versuchen, alles im Detail festlegen zu wollen. Mit der Forderung kommen die Wirtschaftsvertreter:innen überraschend spät – immerhin hat sich wie berichtet das EU-Parlament bereits auf den AI Act geeinigt; abgestimmt wurde am 14. Juni, also bereits vor zwei Wochen, und das auch nicht sonderlich überraschend.
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Offener Brief als „unbegründete Kritik“
Interessant an dem offenen Brief ist, dass zwar Vertreter:innen der German AI Association, des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und der German Startups Association unterschrieben haben, sonst aber (EU-weite) Branchenverbände außerhalb Deutschlands fehlen. Auch sind außer deutschen und französischen Unternehmen kaum andere Firmen – z.B. aus Österreich, Spanien, Italien, Skandinavien usw. – vertreten.
Zum Beispiel fehlt etwa das European AI Forum, das 2.000 KI-Unternehmen aus neun EU-Ländern vertritt. Aus gutem Grund. „Warum können wir in Europa nicht die Tatsache akzeptieren, dass wir in der Pole-Position sind, um globale Standards für den Einsatz und die Steuerung von #AI zu setzen?“, so etwa Jeanette Gorzala, Vizepräsidentin des European AI Forum. „Da wir stets auf die USA als wichtigen internationalen Partner blicken – auch die USA haben einen „Blue Print for an AI Bill of Rights“ festgelegt und suchen derzeit nach einem umfassenden Ansatz für die nationale KI-Regulierung.“ Der vorliegende AI Act sei bereits ein guter Kompromiss zwischen Schutz von EU-Bürger:innen und Raum für Innovation und Unternehmen. Und: die im offenen Brief geforderten Grundsätze gebe es auf EU-Ebene bereits seit 2018, hätten sich aber als zahnlos erwiesen – weswegen es eben die Verordnung brauche.
„Ich stimme zu, dass es von entscheidender Bedeutung ist, das KI-Gesetz „richtig“ zu machen, und dass es zwei wichtige Themen gibt, die verbessert werden müssen: die KI-Definition und eine maßgeschneiderte und separate Regelung für kommerzielle und #Open-Source-Gründungsmodelle. Unbegründete Kritik und Weltuntergangsszenarien bringen uns jedoch nicht weiter“, so Gorzala weiter. Nun wird spannend, ob Firmen-Lobbying in Brüssel noch einmal dafür sorgen kann, dass der AI Act neu aufgerollt wird.
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