Techwomen: Wie Gloria Katharina Wagner weibliche Power in der Tech-Welt entfesseln will
Frauen in männerdominierten Berufsfeldern stehen noch immer vor zahlreichen Herausforderungen, darunter mangelnde Vorbilder, Stereotype und daraus resultierende unzureichende Unterstützung, die ihre Selbstwahrnehmung und ihr Engagement in technischen Berufen beeinträchtigen können. Techwomen möchte Hindernisse wie diese überwinden. „Unser Ziel ist es, alte Muster aufzubrechen und neue Chancen zu schaffen, damit Frauen die Zukunft und die Welt, in der sie leben, genauso mitgestalten können“, so CEO und Co-Gründerin Gloria Katharina Wagner.
Im Interview mit Trending Topics spricht sie ausführlich über die Entstehung von Techwomen. Dabei geht es sowohl um die Anfänge während ihres Studiums an der Wirtschaftsuniversität Wien als auch um die Herausforderungen, die sie auf ihrem Weg gemeistert hat. Im Interview erklärt sie außerdem, wie die Plattform genau funktioniert und was sie von anderen unterscheidet.
Trending Topics: Kannst du mir Details zur Gründungsgeschichte von Techwomen verraten?
Gloria Katharina Wagner: Im Sommer 2019 war ich in Mexiko-Stadt, wo ich ein Praktikum bei einem Healthtech-Startup gemacht und das Business Development aufgebaut habe. Während dieser Zeit habe ich bemerkt, dass Frauen in dieser Firma nur in Marketing-Positionen anzutreffen waren. Als ich nach Wien zurückgekehrt war, begann ich mit meiner Masterarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Mein Forschungsfokus lag dabei auf der Unterrepräsentation von Frauen in der Technik und der Suche nach Lösungen für dieses Problem. Während dieses Prozesses kam mir die Idee zu Techwomen.
Während eines „Coffee Talks“, der vom Talent Garden organisiert wurde, bei der die damalige Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Margarete Schramböck, und ich teilnahmen, wurde mir klar, welches immense Potenzial in der Idee von Techwomen steckt. Während ich die Idee weiter ausarbeitete und an der Entrepreneurship Avenue teilnahm, stieß ich auf wertvolle Unterstützung von Sophie Seiwald-Højer, IT Director bei Mercedes Benz. Ich habe sie auf der „WeAreDevelopers“-Konferenz kennengelernt, wo sie über die Unterpräsenz von Frauen in der Technik gesprochen hat. Sie war sehr an meiner Vision interessiert und trug maßgeblich dazu bei, die Idee zu fördern. Im Anschluss schafften wir es bis in die finale Runde des „Coca Cola Social Business Awards“ in Stegersbach. Anschließend verbrachte ich zwei Jahre bei einem österreichischen Venture Builder/Angel Investor mit Fokus auf KI-Startups, danach ein weiteres Jahr in einem auf KI-Automatisierung spezialisierte Startup.
In letzterem Fall war ich die einzige Frau unter 25 Mitarbeitern. Hier wurde mir klar, wie dringend notwendig es ist, dass Frauen eine aktive Rolle in der technologischen Entwicklung spielen. Trotz zahlreicher Initiativen, die bereits existieren, sind diese oft auf Offline-Veranstaltungen beschränkt und bleiben für viele im Verborgenen. Es ist mir ein Herzensanliegen, Menschen, insbesondere solche, die an sich selbst zweifeln, zu stärken. Ich selbst hatte lange Zeit mit Selbstzweifeln zu kämpfen, und ich weiß, dass viele Frauen sich nicht zutrauen, in MINT-Fächer zu studieren oder zu arbeiten. Dies geschieht aufgrund fehlender sichtbarer Vorbilder, festgefahrener alter Stereotypen und mangelnder Unterstützung, die dazu führen, die eben zu einem verminderten Selbsteinschätzung der Frauen in technischen Berufen führt. Das alles soll mit Techwomen aus der Welt geschaffen werden.
Warum genau dieser Fokus?
Einerseits sehen wir einen wachsenden Fachkräftemangel in technischen Berufen, der Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Andererseits gibt es eine zunehmende Forderung nach Geschlechtervielfalt in diesen Teams. Wie man weiß, bekommen Unternehmen deutlich weniger bis gar keine Bewerbungen von weiblichen Bewerberinnen, wenn es um Tech-Positionen geht. Hinzu kommt, dass Technologie und Digitalisierung bereits jetzt in alle Aspekte unseres Lebens eindringt, wobei die COVID-19-Pandemie diesen Prozess weiter beschleunigt hat. Künstliche Intelligenz wird zweifellos viele Lebensbereiche maßgeblich gestalten. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Entwicklung in einer ausgewogenen Art und Weise erfolgt. Wir sollten nicht in einer Welt leben, die ausschließlich von einem Geschlecht geprägt wird, sondern eine inklusive und vielfältige Gestaltung unserer Zukunft anstreben. Zusätzlich zeigen etliche Studien das genderdiverse Teams effizienter sind und so einen größeren Mehrwert zu Unternehmen beitragen können.
Wer war im Gründungsprozess involviert?
Im Jahr 2018 nahm ich an der Winquadrat Konferenz teil, wo ich Valerie Busse kennenlernte. Sie ist heute als Management Consultant bei Deloitte Deutschland tätig und hat die Idee von Techwomen von Anfang an maßgeblich geprägt. Kürzlich konnten wir auch Tanja Weidinger in unser Team aufnehmen. Sie hat bereits erfolgreich das Team bei Runtastic aufgebaut und skaliert.
Wie funktioniert die Plattform genau und was unterscheidet sie von anderen?
Mit Techwomen verfolgen wir die Vision, einen Raum und eine Plattform zu schaffen, die allen jungen Frauen zugänglich ist. Sie sollen Teil eines Netzwerks werden können, in dem sie sich mit ihren Vorbildern austauschen können. Auf der Plattform, die in Form einer App verfügbar sein wird, sollen weibliche Rollenmodelle, die schon in der Technik arbeiten mit jungen Studentinnen und weiblichen Tech-Talents connected werden, damit sie sich austauschen können, um so die „shrinking pipeline“ zu bekämpfen. Die Plattform bietet Unternehmen außerdem die Möglichkeit, ihr Arbeitgeberimage zu stärken und zu zeigen, dass sie sich aktiv für die Einstellung von Frauen in technischen Positionen engagieren. Gleichzeitig können potenzielle Bewerberinnen bereits vor ihrer Bewerbung wertvolle Einblicke in die Unternehmenskultur gewinnen, um herauszufinden, ob sie gut ins Team passen würden. Dies schafft eine Win-Win-Situation, in der Unternehmen weniger Fehlentscheidungen bei der Personalauswahl treffen, Mitarbeiterinnen Mentorinnen werden und junge Frauen sich mit erfolgreichen Vorbildern austauschen können, wodurch sie sich weniger isoliert fühlen. Techwomen soll dazu beitragen, diese Barrieren zu überwinden und Frauen dazu ermutigen, sich in technischen Berufen zu entfalten.
Durch die Schaffung eines Netzwerks soll Techwomen dazu beitragen, dass weibliche Studentinnen ihre technischen Studiengänge erfolgreich abschließen und Unternehmen Zugang zu einem breiten Talentpool weiblicher Fachkräfte erhalten. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass Bildungseinrichtungen wie Universitäten, Fachhochschulen und Weiterbildungseinrichtungen die Plattform kostenfrei für ihre Studentinnen nutzen können. Auch weibliches Tech-Talent, das auf Jobsuche ist soll die Plattform kostenlos nutzen können, während Unternehmen eine monatliche Gebühr zahlen müssen, um von den Vorteilen der Plattform zu profitieren, um auf der einen Seite ihren Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, ein Profil zu erstellen, um so in die Mentorinnen-Rolle zu treten und auf der anderen Seite um Stellenausschreibungen zu schalten.
Es gibt eine Plattform als solche jedoch noch nicht. In den USA gibt es ähnliche Ideen, aber es gibt sonst auf keiner anderen Plattform die Möglichkeit, sich mit Rollenmodellen die schon in den Unternehmen tätig sind auszutauschen. Wir sehen aber darin ein Zeichen dafür, dass der Markt für eine solche Plattform bereit ist. Wir freuen uns auf die Möglichkeit, Techwomen auf dem österreichischen Markt zu etablieren und hoffentlich in Europa zu expandieren um so einen positiven Beitrag zur Förderung von Frauen in der Technik zu leisten.
Wann wird es die Plattform geben und was sind die nächsten Schritte?
Wie gesagt, die Plattform ist derzeit in dieser Form noch nicht verfügbar. Unser Plan sieht vor, Anfang 2024 mit unserem ersten MVP auf den Markt zu kommen. Wir sind Teil des Founders Lab der Wirtschaftsagentur Wien und blicken voller Vorfreude auf den Start, der jetzt für Anfang Oktober geplant ist. Wir können es kaum erwarten!
Welche Herausforderungen gab/gibt es bei dem Prozess, eine Plattform wie diese aufzubauen?
Die Schaffung eines ansprechenden und benutzerfreundlichen Designs, die Sicherstellung von Datenschutz und Sicherheit für die Nutzer:innen. Zudem müssen wir sicherstellen, dass die Plattform kontinuierlich auf die sich ändernden Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer:innen reagiert und dass die Vernetzung von Frauen in der Technik erfolgreich gefördert wird. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen und die Überwindung möglicher rechtlicher oder regulatorischer Hürden sind ebenfalls Herausforderungen, die wir aktiv angehen.
Wie geht es weiter? Was sind diesbezüglich deine Ziele, Hoffnungen Wünsche?
Die Ziele von Techwomen sind es, die Zahl der Frauen in technischen Berufen von heute nur 15 % zu erhöhen und das Bild der Tech-Branche für Frauen zu verbessern. Wir hoffen, dass in Zukunft 50 % der Mitarbeiterinnen in MINT-Berufen weiblich sind und dass viele Unternehmen die Plattform nutzen, um offene technische Stellen mit Frauen zu besetzen. Wir möchten das Bild der Tech-Branche für junge Frauen neu gestalten und zeigen, wie aufregend und spannend es ist, in der Technologiebranche zu arbeiten und die Zukunft mitzugestalten. Wir möchten eine Welt schaffen, in der Frauen in MINT-Fächern nicht nur sichtbar sind, sondern auch die Anerkennung und Unterstützung erhalten, die sie verdienen.
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