Hintergrund

Terra-Kollaps: Systemkritische Probleme für „Decentralized Finance“

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Der Kollaps der Terra-Blockchain, des Krypto-Tokens LUNA und des Stablecoins UST wird die Branche und die Politik noch lange beschäftigen. Zwar gab es in den vergangenen Monaten einige Angriffe auf DeFi-Projekte (etwa auch den „Stablecoin“ Beanstalk), doch die Dimensionen bei Terra sind um Potenzen größer. LUNA hatte noch im April eine Marktkapitalisierung von 37 Milliarden Euro, UST lag zu Spitzenzeiten bei fast 18 Milliarden Euro. Das sind 55 Milliarden Euro (theoretischem Wert, wohlgemerkt), die innerhalb einer Woche ausradiert wurden.

Es gilt aber auch, den Crash richtig einzuschätzen. So ist festzuhalten, dass der UST-Kollaps bisweilen nicht dafür gesorgt hat, dass andere Stablecoins wie USDT und USDC mitgerissen wurden. Sie schwankten zwar kurz, liegen aber seit Tagen wieder stabil bei 1 Dollar. Terra USD spielte außerhalb seines eigenen Ökosystems (im Wesentlichen das zwielichtige Anchor Protocol) keine große Rolle in der Krypto-Industrie.

US-Zinswende leitete Absturz ein

Und: Die Implosion von Terra als einer der ganz großer Krypto-Aufsteiger von 2021 (und LUNA als Top 10 Token) ist sicher nicht der Auslöser des jüngsten Krypto-Crash, der Bitcoin unter 30.000 Euro und Ethereum unter 2.000 Euro riss. Es gibt seit Monaten klare Zusammenhänge der Krypto-Kurse mit der US-Zinswende. Die Erhöhung des US-Leitzinses am 4. Mai brachte Krypto-Assets (und Tech-Aktien) zum Schwanken, und in diesem Abwärtskurs startete dann am 7. Mai der Absturz von UST und LUNA – nämlich dann, als bei Anchor Protocol (vorher eine echte UST-Maschine) sehr viele UST abgezogen und verkauft wurden. Das sorgte dafür, dass der 1:1-Dollar-Peg von UST zu brechen begann, und der Algorithmus in Folge die Produktion von LUNA hochdrehte.

Während sind die Spirale für Terra, LUNA und UST Richtung Null dreht, fingen sich andere Krypto-Assets auf geringerem Niveau. Der Terra-Kollaps hat den Krypto-Crash also verstärkt, aber nicht ausgelöst – das war die US-Zinswende. Makroökonomische Effekte haben mehr Gewicht als Insider-Trading bei einem zweitrangigen Stablecoin und einem zweitklassigen DeFi-Protokoll.

 

Kein Schutz für Investor:innen

All jene, die in LUNA oder UST investiert haben, können die Token abschreiben. Sie merken wieder einmal sehr schmerzhaft: Wer in einem Hype um einen Token investiert (LUNA erreichte im April 2022 ein Rekordhoch von mehr als 100 Euro), der liefert sich oftmals Kräften im Hintergrund aus, die selbst Profi-Trader nicht durchschauen. So gab es viele, die LUNA hypten, aber einige wenige, die einen Crash vorhersagten – darunter YouTuber und Trader wie Kevin Zhou von Galois Capital. Doch die Warnungen gingen in der Jagd nach immer neuen Höhen unter.

Jetzt steht es fest: Krypto-Unternehmen wie Bitpanda oder Coinpanion haben LUNA aus ihren Indizes bzw. Portfolios geworfen, die Token sind nichts mehr wert. Ersatz gibt es für sie nicht, und es gibt auch keine Zentralbank, die das gescheiterte Terra-Projekt aus dem Schlamassel zieht. Mittlerweile gibt es sogar Gerüchte, dass die hohen Verluste für vereinzelte Anleger:innen gar zu Selbstmorden führten. Bestätigt sind diese Gerüchte aber bisher nicht.

Terra-Kollaps: Bitpanda und Coinpanion müssen LUNA-Token rauswerfen

Hohe Intransparenz trotz Blockchain

Ist das Zusammenspiel von LUNA und UST zur Schaffung eines (gescheiterten) algorithmischen „Stablecoins“ für den Laien schon schwer zu verstehen, so sind es die Vorgänge im Hintergrund um so mehr. So runzelten sogar Krypto-Expert:innen bei den Vorgängen rund um Anchor Protocol (APY bei +20%), wo UST massiv zum Einsatz kam, schon länger die Stirn.

Oder die Luna Foundation Guard (LFG) mit Sitz in Singapur und (wenig überraschend) auch unter der Leitung von Do Kwon, der wiederum CEO der Terraform Labs und damit Schaffer der Terra-Blockchain ist. Sie hat eine Reserve eingerichtet, in der zum Peak Krypto-Assets im Gegenwert von 3,5 Milliarden Dollar gesammelt waren, um UST zu stützen. Diese Coins sollten dazu dienen, um jene, die UST loswerden wollen, einen Gegenwert in BTC oder AVAX zu bieten.

Doch die Reserve ist leer, die insgesamt etwa 80.000 BTC sind aus der Reserve verschwunden, angeblich wurden sie an Trader „verliehen“. Wie der Analyse-Dienst Elliptic aufzeigt, wurden diese BTC über verschiedene Wallets zu den Börsen Binance und Gemini verschoben. „Auch hier ist es nicht möglich festzustellen, ob diese Vermögenswerte verkauft oder später in andere Wallets verschoben wurden. Diejenigen, die ihre durch UST erlittenen Verluste ausgleichen wollen, könnten daran interessiert sein, festzustellen, ob diese Bitcoins weiterhin auf diesen Börsen gehalten werden.“

Nicht einmal Terraform Labs-Gründer und LFG-Chef Do Kwon scheint zu wissen, was nun mit den BTC im Milliardenwert passiert ist. „Wir arbeiten derzeit daran, die Verwendung der LFG-BTC-Reserven während des Depegging-Events zu dokumentieren. Bitte haben Sie Geduld mit uns, da unsere Teams mit mehreren Aufgaben gleichzeitig jonglieren“, schreibt Kwon auf Twitter.

Dezentralität als Märchen

Der interessierten Öffentlichkeit wurde Terra als dezentralisiertes DeFi-Projekt mit mehr als 130 Validatoren verkauft, die die Transaktionen im Netzwerk rechnen. Am Ende ist es dann aber eine Person bzw. seine Familie, die um Polizeischutz ansuchen müssen, weil sie sich von Anleger:innen, die sich geprellt sehen, bedroht fühlen: Terraform Labs-Gründer Do Kwon, der sich auf Twitter „Stablekwon“ nennt. Bei Bitcoin wäre das nicht möglich – vor der Haustüre von Satoshi Nakamoto können sich keine zornigen Anleger:innen versammeln und sich über den BTC-Sturz unter 30.000 Euro beschweren.

Auch die Rolle der undurchsichtigen Luna Foundation Guard (LFG) mit Do Kwon an der Spitze ist fragwürdig. Sie sitzt in Singapur – aber woher kommen eigentlich die angeblichen Milliarden von Dollar, um die BTC und AVAX zum Schutz von UST eingekauft wurden? Auch hier zeigt sich, dass einige wenige am Drücker sitzen.

„Weder ich noch andere Institutionen, mit denen ich verbunden bin, haben in irgendeiner Weise von diesem Vorfall profitiert. Ich habe während der Krise weder LUNA noch UST verkauft“, dementiert Do Kwon, Teil eines Rug Pulls gewesen zu sein. „Ich bin immer noch der Meinung, dass dezentralisierte Volkswirtschaften dezentralisiertes Geld verdienen – aber es ist klar, dass UST in seiner jetzigen Form nicht dieses Geld sein wird.“

Wer im Web3 wirklich am Drücker sitzt

Stablecoins als systemkritische Fragezeichen

Zwar haben Tether (USDT) und USD Coin (USDC) den Sturm vorerst überlebt. Aber die Zeichen sind kalr zu lesen: Für Stablecoins wird es in absehbarer Zeit strenge Regeln geben – immer mehr US-Politiker:innen fordern das, und MiCA in der EU sieht genau das vor. Am Ende wird das bedeuten, dass Stablecoin-Macher genau ausweisen und sich prüfen lassen müssen, wie und durch was die Coins gedeckt sind. In der EU wäre ein algorithmischer Stablecoin wie UST undenkbar, und auch Unternehmen wie Circle (will an die Börse und eine Bank werden) werden ihre Finger von solchen Experimenten lassen.

Terra USD war für die Krypto-Industrie nicht systemkritisch, weil der Coin eine untergeordnete Rolle im Trading spielte. Systemkritisch wird es, wenn USDT oder USDC einen Absturz wie UST hinlegen, weil ohne sie große Teile des Handel von Krypto-Assets stillstehen würde.

Krypto-Krise erschüttert nach UST nun auch weitere „Stablecoins“

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