The Ocean Cleanup will den größten Plastikstrudel der Welt beseitigen
Eine Plastikflasche, die an der Küste Kaliforniens ins Meer geworfen wird, könnte früher oder später im Great Pacific Garbage Patch (zu Deutsch: Großer Pazifischer Müllteppich) landen. Große Mengen von Kunststoffabfällen, die von den Strömungen hergetragen wurden, treiben in dem Strudel, dessen Größe von Forschenden bis dato kaum auszumachen ist. Diesen Plastikstrudel zu beseitigen, das hat sich die Organisation The Ocean Cleanup zum Ziel gesetzt. Seit Oktober 2019 führte die Organisation hier, zwischen Kalifornien und Hawaii, eine Testkampagne durch, die laut einer aktuellen Pressemitteilung nun erfolgreich abgeschlossen wurde.
Mehr als 28.000 Kilogramm Plastik gesammelt
Im Rahmen der Testkampagne hat die Organisation dabei laut den eigenen Angaben insgesamt 28.659 Kilogramm Plastik aus dem Meer gesammelt, von denen 9.014 Kilogramm in einem einzigen Schwung entnommen wurden. The Ocean Cleanup setzt dafür ein 600 Meter langer Filtersystem ein, das am Meeresboden verankert wird. Die Strömung treibt den Müll, von großen Fischernetzen bis hin zu Mikroplastik, in seine Fänge und Schiffe transportieren die Teile schließlich ab. Boyan Slat, Gründer und Geschäftsführer von The Ocean Cleanup ist überzeugt von dem Konzept. „Es ist zwar nur die Spitze des Eisbergs, aber diese Kilos sind die wichtigsten, die wir je sammeln werden, denn sie sind der Beweis dafür, dass eine Säuberung möglich ist. Wir haben noch viele Dinge zu klären, aber eines wissen wir jetzt: Mit einer kleinen Flotte dieser Systeme können wir das Problem lösen“ so Slat.
Beflügelt von den erfolgreichen Tests verfolgt Slat mit seiner Organisation ambitionierte Ziele: Innerhalb von fünf Jahren will er laut eigenen Angaben die Hälfte des Plastikmülls aus dem Müllstrudel herauszuholen. Parallel dazu soll die Flotte an Filtersystemen weiter ausgebaut werden. Laut den eigenen Angaben arbeitet die Organisation an einem neuen Auffangsystem, das eine Länge von 2,5 Kilometern haben und damit das größte der bisher eingesetzten Ozeanfilter sein soll. Die Organisation geht davon aus, künftig eine Flotte von zehn Systemen einsetzen zu können, um den Great Pacific Garbage Patch von der Plastikflut zu befreien.
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Klimabelastung und Sinnhaftigkeit in der Kritik
Die bisher gesammelten knapp 30.000 Kilogramm sind durchaus eine große Menge und jedes Kunststoffteil weniger im Meer ist ein Grund zur Freude. Laut Kritiker:innen verursacht The Ocean Cleanup jedoch mehr Probleme, als es löst. So steht es etwa in puncto Umweltverträglichkeit in der Kritik. Die Versorgungsschiffe, die die Auffangsysteme begleiten, emittieren große Mengen CO2. Laut eigenen Angaben überwacht die Organisation die Umweltauswirkungen ihrer Systeme, entstehende CO2-Emissionen würden sie kompensieren. Zudem heißt es in der Pressemitteilung, dass die Organisationen gemeinsam mit dem dänischen Transport- und Logistikunternehmen Maersk mit kohlenstoffarmen Kraftstoffen für die Schiffe experimentiere. Doch auch abseits der Auswirkungen auf das Klima warnen Expert:innen laut der Deutschen Stiftung für Meeresschutz davor, dass die Organisation dem Ozean mehr schadet als nutzt, da der Lebensraum für viele Kleinstlebewesen gefährdet werde, die auf den Kunststoffteilen neue Lebensräume gefunden haben. Auch für sensible Meeresökosystem wie lebende Inseln, auch Neuston genannt, ist das Säuberungsprojekt laut The Atlantic eine Gefahr.
Nicht zuletzt wird die Sinnhaftigkeit der Säuberungsaktionen oft angezweifelt. Laut National Geographic sinken rund 70 Prozent der im Meer befindlichen Plastikabfälle zum Meeresgrund, wo sie von den Ozean-Filter nicht erfasst werden können. Und auch wenn sich viele Menschen unter dem Müllstrudel eine große Plastikinsel vorstellen, die im Ozean treibt, ist dieser in der Realität nicht einmal auf Satellitenbildern erkennbar. Denn einen Großteil der Kunststoffabfälle hat die Strömung schon so zersetzt, dass nur noch Mikroplastik übrig bleibt, das mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist. Ob die Systeme all diese Plastikpartikel erwischen, wie die Organisation laut Guardian selbst verspricht, bleibt fraglich.
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Biologe: Nicht auf Projekte verlassen
Der Bremer Biologe Sönke Hohn vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung gab im Deutschlandfunk etwa zu bedenken, dass Projekte wie das „Ocean Cleanup“ der breiten Allgemeinheit das Gefühl vermitteln, an ihrem Verhalten nichts ändern zu müssen. Nach dem Motto: Eine Firma schafft den Abfall jetzt weg. Solche Projekte seien zwar nicht sinnlos, doch auf sie verlassen solle man sich nicht. „Wir müssen auch weiterhin an unserem Verhalten etwas ändern“, sagt der Biologe. Zusammen mit Kolleg:innen hat Hohn laut einem Fachartikel im Vorjahr errechnet, dass die Bemühungen des Ocean Cleanup in den geschätzten 20 Jahren keine spürbaren Auswirkungen auf die Plastikmenge im Meer haben würden. Laut dem Autor gebe es keinen Schlüssel dafür, den Ozean zu säubern. Die unglückliche Realität sei, dass der Plastikeintrag ins Meer reduziert werden müsse. Auch wenn The Ocean Cleanup erfolgreich ist, werden Plastikflaschen und anderer Kunststoffmüll weiter ihren Weg ins Meer und in den großen Müllstrudel im Pazifik finden. In den kommenden Jahrzehnten wird der Organisationen die Arbeit also nicht ausgehen, reduziert die Weltgemeinschaft ihren Plastikmüll nicht nachhaltig und wirksam.