„Tickende Zeitbombe“: Solaranlagen können zum Müllproblem werden
Die Zeit drängt. Für die Erreichung der Klimaziele ist der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen essenziell. Neben Wasserkraft sind dabei Wind- und Sonnenenergie ganz wichtig – in Österreich etwa hat die Regierung das Ziel ausgerufen, bis 2030 Photovoltaikanlagen auf einer Million Dächer haben zu wollen. Ähnliche Ziele gibt es in vielen anderen Regionen der Welt wie etwa in Kalifornien oder sogar beim Internet-Riesen Google.
Doch die Solaranlagen, die da installiert werden müssen, sind nicht unproblematisch. Denn in vielen Fällen ist unklar, was mit ihnen nach Ende ihrer Lebenszeit passieren wird. Polymer, Glas, Silizium, Silber, Blei, Aluminium, Kupfer – Panele bestehen aus unterschiedlichsten Materialien, die auf unterschiedliche Art und Weise recycelt werden können. Das ist nicht nur aufwendig, sondern auch kostspielig. Nicht zu vergessen sind die Stromspeicher, die oft gepaart mit PV-Anlagen in Häusern installiert werden und die die bei Sonnenlicht erzeugte Energie zwischen speichern, damit sie etwa auch in der Nacht verfügbar ist. Diese Großbatterien enthalten viel Lithium und Kobalt.
Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren
„Die größte Herausforderung für die Wiederverwendung von Modulen besteht darin, einen großen und nachhaltigen Markt für Hunderte von Gigawatt Peak stillgelegter Module pro Jahr zu finden, und die größte Herausforderung für die Komponentengewinnung sind die vielen verschiedenen Modul- und Zellstrukturen auf dem Markt und die Variabilität der Zelleffizienz“, lautet das Conclusio der Analyse einer Forschergruppe der Arizona State University rund um Wissenschaftler Meng Tao.
Noch ist das Problem von Solaranlagen, die ans Ende ihrer Lebensdauer geraten sind, noch nicht wirklich sichtbar. Immerhin geben Hersteller ihnen eine Lebensdauer von 20, 25 Jahren, und in vielen Ländern wurde erst in den frühen 2000ern damit begonnen, größere Flächen mit Photovoltaik auszustatten. Erst in vielen Jahren wird Solar-Schrott wirklich ein Thema werden – und seine Entsorgung bzw. seine Wiederverwendung.
Millionen Tonnen Schrott erwartet
Die International Renewable Energy Agency (IRENA) hat in einer Studie errechnet, was durch den Ausbau von Solarstrom auf der ganzen Welt passieren könnte. 2050, so die Studie, könnten bereits 60 bis schlimmstenfalls 78 Millionen Tonnen ausrangierter Solaranlagen anfallen. Zum Vergleich: Im Studienjahr 2016 waren es „nur“ 250.000 Tonnen Solar-Schrott, 2030 werden es voraussichtlich zwischen 1,7 und 8 Millionen Tonnen sein.
In der EU ist bereits durch die WEEE-Richtlinie vorgeschrieben, dass Hersteller dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Solar-Panele ordnungsgemäß gesammelt und wiederverwendet werden können. Doch laut PV Cycle, einem Mitgliederverbund für das Recycling von Photovoltaikanlagen, ist nicht wirklich klar definiert, was als Abfall gilt und was als gebrauchtes Modul noch weiter verwendet werden kann. Und so kam es Anfang 2020 etwa in Italien dazu, dass alte PV-Anlagen nicht recycelt wurden, sondern unter gefälschtem Label nach Senegal, Burkina Faso, Nigeria, Marokko, Mauretanien, in die Türkei und sogar nach Syrien geschmuggelt (mehr dazu hier).
Boom begann erst in den 2000ern
In anderen Regionen der Welt werden Solaranlagen nicht so streng reguliert wie in der EU. In den USA wird nur wenig recycelt, und in Asien werden Solaranlagen bereits als „tickende Zeitbombe“ wahrgenommen. Südkorea und Australien haben deswegen damit begonnen, stärker auf Recycling zu setzen.
In Südkorea soll die Menge an ausrangierten Solaranlagen von 198 Tonnen im Jahr 2019 auf satte 16.000 Tonnen im Jahr 2028 anwachsen. „PV-Systeme begannen in Korea ab Mitte der 2000er Jahre rasch zu wachsen, und angesichts ihrer durchschnittlichen Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren erwarten wir, dass sich die verbrauchten PV-Paneele ab 2023 ernsthaft anhäufen werden“, heißt es seitens Park Moon-soo, einem Vertreter der Korea Photovoltaic Industry Association (KOPIA).
Neue Gesetze und Recycling-Anlagen sollen das wachsende Problem in den Griff bekommen. Das Positive an der Geschichte: Die steigende Nachfrage nach Solaranlagen kann dazu führen, dass viel intensiver recycelt wird, um günstig und schnell an die benötigten Rohstoffe für neue Anlagen zu gelangen.