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Wie der TikTok-Algorithmus neuen Nutzern Reichweite schenkt

Die TikTok-App am Smartphone. © Olivier Bergeron on Unsplash
Die TikTok-App am Smartphone. © Olivier Bergeron on Unsplash
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Der Aufstieg zu einer App mit einer Milliarde Nutzer, die Verbannung aus den USA und Indien und eine mögliche Übernahme durch Microsoft: Das Jahr 2020 ist entscheidend für die hippste Video-App der Welt, TikTok. Noch-Eigentümer ByteDance aus Peking rund um Gründer Zhang Yiming ist seit 2012 zum wertvollsten Startup der Welt aufgestiegen – mit einem geschätzten Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar ist das Unternehmen deutlich besser bewertet als Airbnb, Uber oder WeWork, deren Bewertungen allesamt im Corona-Jahr bzw. davor nach unten gerasselt sind.

Der politische Druck hat ByteDance zuletzt sogar dazu veranlasst, eines der größten Geheimnisse der TikTok-App preiszugeben: den Algorithmus. Experten dürfen den Code des Algorithmus, der die Videos für die Nutzer aussucht, durchforsten – allerdings nur, wenn sie das TikTok Transparency Center in Los Angeles besuchen. Außerdem erklärt TikTok für die Endnutzer ausführlich, wie dieser Code funktioniert, der letztendlich darüber entscheidet, was User aufs Display bekommen. Und so tickt der Algorithmus nach folgenden Regeln, die teilweise doch überraschend sind:

1. Ausgewählte Kategorien

Da TikTok in kurzer Zeit sehr sehr viele neue Nutzer aufnehmen muss und nicht wie Facebook oder Twitter jahrelang Zeit hat, soziale Netzwerke (Freunde, Follower) ausbilden zu lassen, muss TikTok für Nutzer auch funktionieren, wenn man gar keine Freunde hat und niemandem folgt.

Dazu lässt TikTok den Nutzer am Anfang aus zahlreichen Kategorien von Haustiere bis Reisen auswählen und damit ihre Interessen bekannt geben. Diesen Interessen kann es dann den Videos zu ordnen, die präferiert gezeigt werden.

2. Videos zu Ende schauen

Ein starker Indikator einem Benutzer ein längeres Video gefällt, ist, wenn er es von Anfang bis Ende zu Ende anschaut. Darauf basierend kann TikTok dann ähnliche Videos finden, die dem Nutzer gezeigt werden.

Achtung: Der Videokonsum ist wichtiger als etwa, ob der Zuseher und der Macher des Videos im selben Land sind. Das bedeutet, dass ein deutscher Nutzer, der gerne französische HipHop-Videos sieht, nicht notwendigerweise deutsche HipHop-Videos zu sehen bekommt, sondern eben französische.

3. Interaktionen

Wie man es von anderen Social Networks kennt, rechnet der Algorithmus natürlich ein, welchen anderen Accounts man folgt und welche Hashtags, Sounds, Effekte und Trendthemen Videos haben, die man durchsieht, teilt oder mit Likes versieht. Im Prinzip trägt jede Interaktion dazu bei, den Algorithmus und die daraus resultierenden Videoempfehlungen zu verfeinern.

4. Unterbrechung sich wiederholender Muster

TikTok gibt sich auch bemüht, die Filterblase zu durchbrechen, in die Nutzer zwangsweise fallen, wenn Algorithmen Personalisierungen vornehmen. Damit der Feed von Videos abwechslungsreich bleibt, arbeitet TikTok so:

„Beispielsweise zeigt Ihr For You-Feed in der Regel nicht zwei Videos hintereinander, die mit demselben Sound oder vom selben Ersteller erstellt wurden. Wir empfehlen auch keine duplizierten Inhalte, Inhalte, die Sie schon einmal gesehen haben, oder Inhalte, die als Spam angesehen werden.“

5. Lookalikes

TikTok bedient sich auch den Interessen anderer Nutzer, die der eigenen Person in ihren Interessen und Interaktionen gleichen – so genannte Lookalikes. Wenn diesen Video gefallen, dann ist das ein Indiz dafür, dass der Clip auch im eigenen Feed vorkommt.

6. Abweichende Empfehlungen

TikTok behauptet, das es sich dem Problem der Filterblase annehmen würde. „Durch die Optimierung auf Personalisierung und Relevanz besteht die Gefahr, einen zunehmend homogenen Stream von Videos zu präsentieren“, heißt es. Auch deswegen würde man abweichende Inhalte unter die personalisierten Clips mischen.

„Es kann vorkommen, dass Sie in Ihrem Feed auf ein Video stoßen, das für Ihre Interessen nicht relevant zu sein scheint.“ TikTok ist eigenen Angaben darum bemüht, die Vielfalt zu fördern, und mischt deswegen Videos in den Feed, die nicht zu den bisherigen Interessen und Sehgewohnheiten der Nutzer passen. So soll man neue Inhalte und Creators entdecken können.

Gerade dieser Punkt ist essenziell für die Viralität von Videos. Man muss nicht erst ein großes Netzwerk wie bei Instagram oder Twitter aufbauen, um viel Reichweite für die Clips zu bekommen, sondern hat die Chance, mit Inhalten auf die Displays von Nutzern zu kommen, die man gar nicht kennt. Das wiederum sorgt dafür, dass neue Nutzer oder Hidden Champions viele Views und Publikum bekommen – was wiederum dazu animiert, neue Clips zu produzieren.

7. Geprüfte und unerwünschte Inhalte

Videos, die Gewalt beinhalten oder auch den Konsum von Drogen zeigen, habe wenig Chance darauf, anderen Nutzern empfohlen zu werden, genauso wenig wie Spam-Inhalte. Zuerst müssen Videos, denen TikTOk viel Reichweite gibt, durch die Prüfung durch. „So können Videos, die gerade erst hochgeladen wurden oder gerade überprüft werden, und Spam-Inhalte, wie z.B. Videos, die versuchen, den Verkehr künstlich zu erhöhen, ebenfalls nicht für eine Empfehlung in einem For You-Feed geeignet sein“, heißt es seitens TikTok.

TikTok wird allerdings immer wieder vorgeworfen, nicht einfach nur unerwünschte Inhalte zum Schutz der jungen Nutzer zu filtern, sondern im Sinne der chinesischen Regierung politische Inhalte zu zensieren (mehr dazu hier).

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