Tonio: Warum das Wiener Start-up versteckte Töne über TV und Radio an Smartphone-Apps sendet
Mittelgroße Aufregung Anfang der Woche in US-amerikanischen IT-Medien. Die US-Datenschutzorganisation Center for Democracy and Technology (CDT) warnt vor Firmen, die in Werbespots im TV oder im Netz für Menschen unhörbare Töne mitsendet, die aber von Smartphones erfasst werden können. Der Zweck: Diese so genannten Sound-Beacons dienen dazu, um verschiedene Geräte einem Nutzerprofil zuordnen zu können und auszuwerten, welche Werbung ein Mensch gehört oder gesehen hat. Damit das Smartphone die Töne verarbeiten kann, muss eine Tracking-Technologie in Apps verbaut werden. Neben Unternehmen wie Adobe, Drawbridge und Flurry wird vor allem vor SilverPush gewarnt. SilverPush hätte seine unhörbare Tracking-Technologie in 67 Apps verbaut und könne so 18 Millionen Smartphones überwachen.
„Aus unserer Sicht ist das sehr besorgniserregend“, sagt Florian Novak, CEO des Wiener Start-ups Tonio, das er gemeinsam mit Dominik Meisner und Tim Kahle betreibt. Novak ist auch Geschäftsführer des kleinen Radiosenders LoungeFM mit Sitz in Wien, und Tonio ist als Spin-off des Radiosenders mittlerweile eine eigenständige Firma. Bei Tonio geht es ebenfalls darum, für Menschen unhörbare Töne in TV- und Radiospots mitzusenden. „Die Information wird im Ton versteckt, und zwar so, dass sie ein Mensch nicht hören kann, ein Smartphone aber schon“, sagt Novak. In Bezug auf die genannten US-Firmen meint er aber: „Wir haben einen anderen Ansatz und setzen auf eine andere Technologie.“
Second Screen für Zusatzinfos und Gewinnspiele
Wie Tonio Informationen über unhörbare Töne in TV-Werbung mitsendet, ist Geschäftsgeheimnis. Man kann sich die Technologie aber wohl in etwa so vorstellen: Im hochfrequenten Bereich („Senioren und Hunde kommen nicht zu Schaden“, so Novak) wird ähnlich einem Morsecode ein Binärsignal mitgeschickt, das von einem Smartphone mit passender App empfangen und weiterverarbeitet werden kann. In der Praxis bedeutet das etwa folgendes: Firma X zeigt einen Werbespot, und am Smartphone des Rezipienten zu Hause poppt ein dazu passendes Gewinnspiel auf. Voraussetzung: Eine App, in die Tonio integriert ist, muss aktiv sein und die Erlaubnis erteilt bekommen haben, auf das Mikrofon zugreifen zu dürfen.
Wie Tonio in der Praxis funktioniert, kann man mit Hilfe der Gratis-App (Android und iPhone) und dem Video unten erproben. Einfach die App öffnen, ihr den Zugriff auf das Mikrofon erlauben, das Video abspielen und warten, was passiert:
https://www.youtube.com/watch?v=ijPxenrPMY0
Novak geht es anders als den US-Firmen nicht um Nutzer-Tracking, sondern ums B2B-Geschäft. Tonio soll TV- und Radiosendern ermöglichen, einfach Mehrwert auf den Second Screen zu bekommen. Während Nachrichtensendungen im Radio sei es etwa möglich, dem Hörer Zusatzinfos in der App des Radios zukommen zu lassen. Damit der Hörer die App auch aktiviert, könnte der Moderator etwa sagen: „Wenn Sie mehr Infos zu unseren Themen wollen, öffnen Sie bitte unsere App, wir senden ihnen in den nächsten zehn Minuten die Daten.“ Dreht man die App auf, dann könnte sich dort eine Webseite mit den versprochenen Zuatzinfos öffnen.
Im Unterschied zu Apps wie Shazam muss Tonio die Geräusche in der Umgebung des Smartphones nicht an Server schicken, dort auswerten und das Ergebnis an das Smartphone zurückschicken. Bis dato war Tonio bei radioeins in Berlin, bei Kronehit und bei LoungeFM in Österreich im Einsatz. Dem Wirtschaftsmagazin „trend“ zufolge soll auch der ORF, der einen eigenen Start-up-Accelerator plant, an einer Kooperation mit Tonio interessiert sein.
Ausbau Richtung Kino und Live-Events
Die große Hürde für die Anwender: Apps, in denen Tonio verbaut ist, müssen vom Nutzer selbst aktiviert werden, sie können nicht im Hintergrund laufen und permanent mitlaufen. Deswegen ist es immer notwendig, dass im TV, im Radio oder während Werbespots darauf hingewiesen wird, dass die App jetzt aktiviert werden muss. Bekommt die Software vom Nutzer nicht die Berechtigung, aufs Mikrofon des Smartphones zuzugreifen, funktioniert es nicht.
Laut Novak wurde die Technologie zwar zum Start für TV- und Radiosender sowie für Werbekunden angeboten, kann aber darüber hinaus auch anderswo eingesetzt werden – etwa im Kino während der Werbung vor dem Film. Ein weiteres spannendes Einsatzgebiet: Bei Musikkonzerten und anderen großen Live-Events könnte man mit Tonio auf einfachem Weg die gleiche Information an alle Smartphones der Besucher gleichzeitig schicken – etwa, um Licht-Choreografien mit Hilfe der Displays zu erzeugen.