Precious Plastik: Wiener Verein verwandelt Plastik in kleine Schätze
Den leicht verschmorten Geruch, den das Verarbeiten von Plastik mit sich bringt, kennen auch bereits die Nachbar:innen der Karl-Farkas-Gasse 16. So beschreiben sie den Weg in die Werkstatt als: “In den ersten Stock und dann der Nase nach.“ Und tatsächlich, kaum im ersten Stock angekommen, zieht einen der Geruch von verschmorten Plastik zur ersten Tür links. Hinter der Tür, zwischen einer bunten Ansammlung aus alten Blumentöpfen, vielen Flaschendeckeln und allerhand Apparaten steht Florian Schäfer. Schäfer verdient sein Geld werktags Vollzeit in einer Bank. Als Ausgleich zu seinem Schreibtischjob ist er jedoch seit eineinhalb Jahren in seiner Freizeit Teil des 12-köpfigen Teams von Precious Plastic Vienna. Dieser Verein geht seit 2018 aktiv gegen die Verschwendung von Plastik vor. Dazu recyclen Ehrenamtliche Teile des Plastikmüll Wiens und geben Workshops, um das Bewusstsein um den Wert von Plastik zu fördern.
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Ehrenamtlicher Verein recycelte bereits 3 Tonnen Plastik
Gegründet wurde Precious Plastic Vienna von den vier Studierenden Raphael Volkmer, Florian Amon, Sebastian Gräftner und Alon Mekinulov – wobei nur noch die beiden ersteren aktiv dabei sind. Die Grundlage ihres Projektes ist die globale Initiative „Precious Plastic“, die 2013 von dem Niederländer Dave Hakkens ins Leben gerufen wurde. Ziel von Hakkens war eine Open-Source Plattform, auf der Interessierte ihre Forschungsergebnisse und Erfahrungen rund um das Thema Kunststoff-Recycling zur Verfügung stellen. Neben Foren zum Austausch findet man dort auch Bauanleitungen für Plastik-Schredder und Spritzgussmaschinen, mit denen im kleinen Stil auch Hobbyhandwerker:innen zuhause ihren Plastikmüll recyclen können.
Diese Open-Source-Bauanleitungen nutzte auch Precious Plastic Vienna für ihre Maschinen. Um für ihre Projekte auch genug Rohstoffe zu haben, sammelt der Verein ca. 25 Kilogramm Plastik in der Woche von Laboren ein. Außerdem bekommen sie ca. 20 Kilogramm Plastikreste im Monat von Lush Cosmetics, so Schäfer. Auch private Haushalt können ihre gesammelten Kunststoffabfälle abgeben, welche nochmal ca. zehn Kilogramm Plastik im Monat ausmachen. So wurden seit 2018 schon insgesamt etwa drei Tonnen Plastik ein neuer Wert gegeben.
„Wir wollen es schaffen, dass Plastik ein anderes Erscheinungsbild bekommt. Weg von einem Einmalprodukt, das schnell im Müll landet, hinzu: Es ist ein wirklich wertvolles Material, das tolle Eigenschaften hat und nichts in der Umwelt zu suchen hat, weil es super wieder verwendet werden kann.“, so Florian Schäfer.
Vor Kurzem erst sammelte Schäfer mit seinem Kollegen Amon in Seestadt ca. 30 Kilogramm übriggebliebene Blumentöpfe ein. Diese blieben übrig, nachdem dort Hunderte von Pflanzen zur Begrünung des Geländes vergraben wurden.
Sortieren, Reinigen, Schreddern, Schmelzen
Bevor dieser „Müll“ zu neuen Produkten verarbeitet werden kann, muss das Gesammelte erst nach den Kunststoff-Arten und Farben sortiert werden. Precious Plastic Vienna verarbeitet nämlich nur zwei der vielen Kunststoffarten: PP und HDPE. Andere Ableger der Initiative verwenden auch andere Kunststoffe, wie beispielsweise das berühmte PET, das man von Getränkeflaschen kennt. PP und HDPE sind bei der Verarbeitung jedoch sehr einfach und produzieren nur wenige giftige Gase, weshalb das Team in Wien sich auf diese spezialisiert hat.
Nach dem Sortieren ist das Prozedere jedes Mal das gleiche: Die gesammelten Teile müssen aufwendig mit der Hand gewaschen werden, bevor sie im selbstgebauten Zerkleinerungsautomat zu Granulat geschreddert werden. Aus dem dann gewonnen Granulat stellen sie entweder in einem Backofen Kunststoffplatten her, die dann beispielsweise für Küchen verwendet werden oder mit der Spritzgussmaschine Kleinprodukte wie Kreisel, Untersetzer und Blumentöpfe. Schäfer dazu: „Von Trash zu Treasure quasi“.
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Bau einer Recycling-Maschinen sehr zeitaufwendig
Als Teil des Globalen Precious Plastic Initiative setzen die Wiener:innen viel auf den offen Austausch mit anderen Recycling Teams. Deshalb veröffentlichen sie alle Fortschritte und Erkenntnisse, die sie bei ihrer Arbeit erzielen.
„Doch nur weil das Wissen da ist, heißt es nicht, dass jede:r sich eine eigenen Spritzgussmaschine in die Küche stellen kann“, so Schäfer. Da die Baupläne Open-Source sind und somit kein Geld kosten, sei es zwar grundsätzlich möglich alle Maschinen selbst zu bauen, jedoch bräuchte man dafür auch sehr viel Zeit. Deshalb hat auch der Wiener Verein sich vor ein paar Jahren dazu entschieden, neben dem selbstgebauten Schredder in eine bereits hergestellte Spritzgussmaschine zu investieren.
Jedoch haben nicht nur Vereine wie Precious Plastic Bedarf an solchen Maschinen. Auch das allgemeine Interesse an diesen Maschinen wächst stetig – spätestens seit im Rahmen der europäischen Kunststoffstrategie bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte der in der EU generierten Kunststoffabfälle recycelt werden soll. Dass das auch dringend notwendig ist, zeigte bereits 2017 eine vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie: Nur 28 Prozent des gesammelten Plastikmülls in Österreich wird tatsächlich auch stofflich verwertet.
Dieses gesteigerte Interesse an einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft schlägt sich schon jetzt in den Preisen der Recycling-Maschinen nieder, so Schäfer: „Die Preise sind erheblich gestiegen in den letzten Jahren. Wir haben damals etwas unter 2.000 Euro bezahlt, heute kosten die schon über 5.000 Euro.“
Aufklärungsarbeit in Vereinen und Schulen
Obwohl das Know-How da wäre, hat sich jedoch Precious Plastic Vienna bewusste dagegen entschieden, solche Maschinen selbst zu bauen und zu verkaufen. Falls jemand Hilfe bei dem Bau seiner eigenen Recycling-Anlage bräuchte, würde der Verein laut Florian Schäfer gerne dabei unterstützen. Die Hauptaufgabe sähe der Verein jedoch neben dem eigentlich Wiederverwerten der Kunststoffe in der Aufklärungsarbeit. Dazu bietet Precious Plastic Vienna für ehrenamtliche Organisationen und Schulen kostenlose Workshops an, in denen die Teilnehmenden ihre eigenen Plastikreste recyclen können und so den Wert von Plastik schätzen lernen. Auch für Unternehmen werden diese Workshops gegen eine Vergütung angeboten.
Finanzieren kann sich der Verein jedoch von diesen Workshops und seinen Produkten noch nicht. Aufträge für die Kunststoffplatten sind bisher noch Einzelfälle und verkauft werden die Kleinprodukte nicht. Um sich weiterhin am Leben zu halten und in neue Maschinen investieren zu können, ist der Verein auf Förderungen angewiesen. Dabei werden sie unter anderen von der Stadt Wien mit 12.000 Euro und 12.000 Euro (personengebunden ) von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft unterstützt, so die Angaben des Vereines. Außerdem ist das Herstellen von wiederverwendbaren Blumentöpfen Teil eines Forschungsprojektes, für das sie bis Mitte nächsten Jahres finanziert werden.
In den kommenden Jahre will der Verein weitere Mitglieder anwerben. „Bisher waren wir da sehr passiv, weil uns schlichtweg die Zeit und die Ressourcen für so etwas fehlen“, so Schäfer, „Das ist aber total schade, weil was wir machen ist wirklich sehr spannend. Ich glaube das würde vielen Leuten viel Spaß machen.“ Neben dem Team wollen sie auch ihre Produktion ausbauen. Dazu versuchen sie eine Spülmaschine umzubauen, sodass der Reinigungsprozess zukünftig nicht mehr per Hand geschehen muss.