Tree.ly: Startup erstellt CO2-Zertifikate aus heimischen Wäldern
Der Wald ist für viele Menschen ein Rückzugsort und eine Oase der Ruhe. Diese sind in Österreich gar nicht so rar. Die letzte Waldinventur des Bundesforschungszentrum für Wald hat ergeben, dass fast 48 Prozent des Landes aus Wald bestehen. Auf die Bundesländer gesehen, verzeichnen dabei die Steiermark und Kärnten mit jeweils mehr als 60 Prozent den größten Waldanteil, während die geringste Fläche in Wien, mit einem Anteil von 23 Prozent der Landesfläche, gemessen wurde.
Mit so einem großen Anteil stellt die Ressource Wald auch einen wichtigen Wirtschaftszweig des Landes dar. Den Erhebungen der letzten österreichischen Waldinventur zufolge, liegt der Produktionswert des Waldes entlang der gesamten Wertschöpfungskette bei 12 Milliarden Euro, während der durchschnittliche Exportüberschuss 3,5 Milliarden Euro überträgt.
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Tree.ly erstellt CO2-Zertifikate aus Vorarlberg
Außerdem stellt der Wald eine wichtige Kohlenstoffsenke des Landes dar. Das allerdings nur solange, wie dieser intakt bleibt. Somit ergibt sich eine Diskrepanz für Waldbesitzer:innen, welche von ihrem Wald leben, aber die CO2-Speicherfähigkeit nicht weiter senken wollen.
An dieser Stelle möchte nun ein frisches Startup einspringen. Hinter Tree.ly versteckt sich ein Jungunternehmen aus Vorarlberg, welches Waldbesitzer:innen ermöglichen möchte, ohne Holzschlag Einnahmen zu generieren. Im Mittelpunkt dabei: Der Verkauf von nationalen Emissionszertifikaten.
„Was will ich als nächstes machen?“ – Das war die Ausgangsfrage, so Jodok Batlogg im Gespräch mit Tech & Nature, bevor er sich dazu entschied, mit Tree.ly ein neues Projekt zu starten. Dieser ist einer der Mitgründer von Crate.io, war zuvor CTO bei dem sozialen Netzwerk StudiVZ und ist jetzt einer der Gründer des Jungunternehmens Tree.ly. Mit ihm komplettieren Eva King, Bereichsleiterin Kommunikation bei der Arbeiterkammer Vorarlberg und Elmar Hartmann, CEO bei Gantner Electronic, das insgesamt sechsköpfige Team.
In Kontakt mit 50 Waldbesitzer:innen
„Für mich war klar, dass ich etwas machen möchte, das eine lokale Komponente, aber gleichzeitig auch eine globale Komponente hat“, so Batlogg. Grundsätzlich ist natürlich der CO2-Zetifikatshandel mit den Kohlenstoffsenken Wälder nicht neu. Insbesondere im globalen Süden ist das über viele Organsazionen möglich. In Europa noch weniger.
Das will das Startup nun ändern. Noch stehen diese aber ganz am Anfang. Im Moment seien sie in Kontakt mit ca. 50 Waldbesitzer:innen und hätten bereits Machbarkeitsstudien für 15.000ha Waldfläche durchgeführt. Aktuell erarbeiten sie mit dem Zertifizierer an acht konkreten Projekten, welche entsprechend ab 2022 verfügbar sein sollen, so Batlogg.
Verpflichtung für 30 Jahre
„Für uns war klar, wir wollen High-Quality Carbon Certificates generieren“, so der Mitgründer. Daher hätten sie sich für die ISO 14064-2 Verifizierung entschieden.
Nachdem sich die Waldbesitzer:innen angemeldet haben, rechnet das Startup zwei Kennzahlen aus. Zum einen beziffern sie die ideale Vorratshaltung im entsprechenden Wald und zum anderen das zusätzliche CO2-Speicherpotenzial. Dabei orientieren sich die digitalen Berechnungen an Höhenstufenkarten, Bestandsaufnahmen und, wenn vorhandenen, Waldinventuren. In Zukunft werden diese Berechnungen über ein digitales Tool laufen, welches anhand von Satellitenbildern und Machine Learning den Holzvorrat erhebt. Die Waldbesitzer:innen verpflichten sich bei der Zusammenarbeit für den Erhalt der festgehaltenen Kohlenstoffsenke über 30 Jahre und zu einer entsprechenden guten forstwirtschaftlichen Praxis.
Jedes Jahr werden die Wälder gemonitort, der Fortschritt überwacht. Bei Verstoß gegen den Erhalt des festgesetzten Kohlenstoffgehaltes kann die Generierung von Zertifikaten ausgesetzt oder Schadenersatzforderungen gestellt werden, so Batlogg.
Das Startup will sich dafür um die komplette Zertifizierung, die Projektdurchführung, das Auditing, die Schaffung eines Risikopools für Schadereignisse, das Führen des Zertifikatregisters und die Vermarktung der Zertifikate auf Basis eines Revenue-Share Modells ohne Upfront Kosten kümmern. „Die Mittel, die über den CO2-Handel generiert werden, müssen dafür aber zwingend in die Waldbewirtschaftung fließen“, so Batlogg.
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Nachfrage nach Teilnahme hoch
Auch wenn das bisher noch eher Zukunftsmusik ist, sei das Interesse nach den lokalen CO2-Zertifikaten bereits sehr hoch so Batlogg. Der Verkauf selber läuft, zumindest jetzt am Anfang des Startups, über Zwischenhändler:innen, welche sich auf CO2-Offsetting spezialisiert haben, so das Startup. Der Preis hängt von dem aktuellen CO2-Preis und der Nachfrage ab. „Ein Forstbetrieb mit einer produktiven Waldfläche von z.B. 1.700ha (verteilt über typische Höhenstufen von 900 – 1500m Seehöhe) kann mit Tree.ly über den Zeitraum von 30 Jahren 135.000tCO2 binden. Das sind jährlich ca. 4.500 tCO2. Für die Waldbesitzer:innen bleiben dann unterm Strich – mit aktuellen CO2 Preisen gerechnet – ca € 100.000,- / Jahr“, so Batlogg. Später könnte sich Tree.ly auch vorstellen, in den Direktvertrieb der Zertifikate einzusteigen.
Nächstes Jahr will das Startup, sobald die aktuellen Pilotprojekte abgeschlossen sind, auch außerhalb Vorarlbergs die regionalen CO2-Zertifikate aus lokalen Wäldern erstellen.
Darüber hinaus will das Startup sich dafür einsetzen, dass Waldbesitzer:innen selber von der CO2-Speicherfähigkeit ihres Waldes profitieren können. Bisher ist es möglich, das Staaten die Kohlenstoffsenken Wälder in ihre CO2-Bilanz miteinrechnen können. Auf der zuletzt stattgefunden Weltklimakonferenz in Glasgow hat die österreichische Klimaministerin Leonore Gewessler ( Grüne) im Namen der Europäischen Union ausgehandelt, dass am internationalen CO2-Markt Treibhausgasminderungen nur einmal angerechnet werden dürfen, entweder im Käuferland oder im Land, in dem die Klimaschutzmaßnahme erfolgt.
Das würde bedeuten, ein Wald, welcher bereits in der nationalen CO2-Bilanz einberechnet ist, kann zumindest am internationalen CO2-Markt nicht noch einmal gehandelt werden. Entsprechend könnten die Waldbesitzer:innen zumindest auf internationale Ebene nicht von ihren Wäldern durch CO2-Zertifikate profitieren, sollten diese bereits in die nationale Treibhausgasbilanz mit eingerechnet worden sein.
Es bleibt aber die Möglichkeit der nationalen Nutzung. Und das Wissen, dass heimische Wälder erhalten bleiben und trotzdem auch eine wirtschaftliche Wertschöpfung erfüllen.