Trends und Entwicklungen der nächsten Jahre im Impact-Bereich
Die Weltklimakonferenz in Glasgow, die Veröffentlichung des sechsten IPCC-Sachstandsberichts, die Bekanntgabe der ökosozialen Steuerreform in Österreich – rund um die Klima-Thematik ist 2021 einiges passiert. Das wird sich 2022 fortsetzen. Dabei gibt es einige Trends, die die Debatte rund um die Nachhaltigkeit dominieren.
Mit dem Eintritt in die zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts hat ein Countdown begonnen, dessen Voranschreiten immer lauter tönt. 2015 wurde mit dem Pariser Klimaabkommen festgehalten, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius beschränkt werden soll. Dieses Ziel ist dem 2021 veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zufolge noch erreichbar, aber die Zeit wird knapp.
Lösungen gesucht
Noch ist der Kampf aber nicht verloren. Auf der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow wurde der Schlachtplan 2021 neu besprochen. Die im Vorhinein gestellten hohen Erwartungen an die Konferenz konnte das Klimapaket von Glasgow am Ende allerdings nicht halten. 2022 geht es in die nächste Runde, diesmal in Ägypten. Die Erwartungen an diese Weltklimakonferenz sind dabei nicht geringer. Aber nur der entsprechende politische Rahmen wird die Klimakrise nicht abwenden können. Dafür braucht es die Zusammenarbeit von verschiedenen Ebenen. Oder auch einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl an die politischen Entscheidungsträger:innen. Dieser Zaunpfahl könnte in Form von bereits ausgefertigten Lösungen kommen. Die, die ihn zum Winken bringt, müsste die Wirtschaft sein.
Macht der ökonomischen Dimension
So zumindest die Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers Michael Ambros. Ambros ist im Bereich Sustainable Entrepreneurship Education am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der BOKU Wien tätig und sieht in der Wirtschaft das Potenzial, der Politik den nötigen Anstoß zu geben. „Sobald es Lösungen am Markt für bestehende Probleme gibt, ist es für die politischen Entscheidungsträger:innen leichter, die nötigen Rahmenbedingungen zu setzen. Die Wirtschaft kann da in Vorleistung gehen. Startups und Entrepreneurs können das nochmal verstärken“, ist der Wirtschaftswissenschaftler überzeugt.
Bisher ist dieses Potenzial der Wirtschaft kaum genutzt, ist sich Ambros sicher. Das könnte sich aber ändern, die Vorzeichen sind bereits 2021 zu bemerken gewesen. „Meine Hypothese ist, dass die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit immer mehr dafür sorgen wird, dass die Unternehmen ökologisch und sozial nachhaltig handeln müssen.“ Diese ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit sorgte 2021 auch für Aufsehen, denn zumindest ein Werkzeug zur CO2-Reduktion rollt die österreichische Regierung 2022 aus: Ab Juli wird es in Österreich mit der ökosozialen Steuerreform erstmals einen CO2-Preis geben – auch wenn dieser mit einem Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne im europäischen Vergleich sehr niedrig ist. Mehrkosten sind dennoch zu erwarten, vor allem für Unternehmen. Für Ambros ist daher klar: „Unternehmen, die sich heute schon auf nachhaltige Lösungen einstellen oder eingestellt haben, ziehen daraus auch ökonomisch deutliche Vorteile.“
Hilfe für den Wandel
Klar ist auch: Veränderung ist nicht immer leicht. Oft vor allem nicht für Unternehmen, die gegründet wurden, als die Buchstaben ESG eben nur Buchstaben waren und nicht wie heute die soziale Verantwortung eines Unternehmens evaluieren. Helfen kann dabei die Zusammenarbeit mit Startups und Spin-Offs. Im Bereich der Neugründungen kristallisieren sich dabei deutliche Trends heraus, so Ambros, der Teil der BOKU:BASE, der Anlaufstelle für Innovation und Unternehmertum der BOKU, ist: „Immer interessanter werden Geschäftsmodelle, die sich um die großen Themen bemühen. Nachdem lange Zeit Apps zur Reduzierung des persönlichen CO2-Fußabdruckes im Fokus standen, geht es jetzt auch in Richtung Ökologisierung etablierter Branchen wie Versicherungen und Immobilien. Das finde ich sehr vielversprechend.“
Gründen für den Impact
Diese Entwicklungen werden auch in dem 2021 von Austrian Startups gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology und der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) veröffentlichten Austrian Startup Monitor deutlich. Demnach haben sich 27 Prozent der österreichischen Startups das Erreichen von ökologischen Zielen als ein vorrangiges Ziel gesetzt. Davon steht bisher die Umsetzung von Produkten und Dienstleistungen, die einen nachhaltigen Konsum oder eine nachhaltige Produktion forcieren, an erster Stelle, so die Angaben in der Erhebung.
Von der WU Wien war der Direktor des Gründungszentrums, Rudolf Dömötör, an der Ausarbeitung der Erhebung beteiligt. Dieser bestätigt einen positiven Trend in Richtung Impact Startup-Gründungen. „2021 hat sich eine positive Entwicklung fortgesetzt. Bei den Gründungsideen der Studierenden ist der Anteil der Ideen mit einem SDG-Schwerpunkt oder einem Impact-Hintergrund in den letzten zwei, drei Jahren wahnsinnig angestiegen“, so Dömötör. Er bemerkt aber auch einen deutlichen Wandel innerhalb der Schwerpunkte der Impact-Startups. „Ich finde es sehr interessant, dass Themen wie ‚grüne Finanzen‘ und Versicherungen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Viele beschäftigen die Leitfragen: Wie übersetze ich nachhaltige Themen in diese Branchen, wie kann die Transparenz verstärkt, und damit nachhaltige Investitionen ermöglicht werden?“
Finanzen vor der Krise sichern
Auch auf Europäischer Ebene werden diese Leitfragen immer gewichtiger. So wird es ab 2022 erstmals mit der „EU Taxonomie for sustainable activities“ eine innerhalb des Staatenverbundes gültige Definition von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten und Investitionen geben. Dadurch soll auch in der Finanzwelt mehr Transparenz ermöglicht werden.
Die Nachfrage nach mehr Nachhaltigkeit und Transparenz in den verschiedenen Branchen können daher auch etablierte Unternehmen kaum mehr ignorieren. Darauf warten, dass die zukünftigen Arbeitnehmer:innen das Wissen ohne weiteres Zutun zu den Firmen bringen, sollen diese allerdings nicht, so die Ansicht von Dömötör: „Für etablierte Unternehmen wird es zunehmend wichtiger, sich am Bewerbungsmarkt zu positionieren. Insgesamt steigt die Verhandlungsmacht für gute Bewerber:innen im Moment. Diese haben vor allem oft den Wunsch nach einer individuellen, sinnstiftenden Tätigkeit. Das erfordert eine Nachschärfung auf Seiten der Corporates.“
Verschmelzen für die Lösung
Diesen Bedarf bestätigt auch Birgit Hofreiter. Als Direktorin des Innovation Incubation Centers der Technischen Universität Wien (TUW) ist Hofreiter bereits seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Studierenden, Spin-Offs und Corporates tätig. Durch ihre Arbeit identifiziert sie einige Zukunftsbranchen der nächsten Jahre: „Biotech und Life Science werden immer stärker. Auch der 3D-Printing-Bereich wächst mit Fokus auf innovative Materialien und Baustoffe. In der Informatik ist die Künstliche Intelligenz ein großes Thema.“ Geht es um Klimatechnologien, hat Hofreiter einen klaren Standpunkt: „Erforscht sind bereits viele Technologien. Jetzt müssen wir daran arbeiten, wie diese angeboten und umgesetzt werden. Dabei ist insbesondere die Umsetzung von Energiespeichermodulen, wie z.B. mittels Wasserstoff, ein dringendes und wichtiges Thema.“
Ob nun das Pariser Klimaabkommen oder das Klimapaket von Glasgow – die verschiedenen Übereinkünfte eint, dass diese immer auf eine Zusammenarbeit der Länder aufbauen. Kein Land wird alleine die Klimakrise besiegen können. Das gilt auch für die verschiedenen Forschungsbereiche und Branchen. So wie die Probleme komplex sind, bedürfen sie auch komplexe Lösungen. Die Entwicklung zu mehr Interdisziplinarität sieht Hofreiter bereits verstärkt in den letzten Jahren: „Das Verschmelzen von Spezialgebieten, um gemeinsam an einer Lösung von Problemen zu arbeiten, sehe ich immer öfter.“
Somit werden die Entwicklungen rund um die interdisziplinären Maßnahmen gegen die Klimakrise einige der spannendsten der kommenden Jahre. Ob der Zeiger am Ende des Countdowns auf fünf vor oder fünf nach zwölf steht, wird sich zeigen. Zu hören ist das Ticken des finalen Countdowns jedenfalls. Das auch schon im Jahr 2022.
Fünf Climate Tech-Trends
Direct-Air-Capture-Technologie
Mittels der Direct-Air-Capture-Technologie wird Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre abgeschieden. 2021 starteten die Unternehmen Climeworks und Carbfix auf Island mit „Orca“ die bisher größte Anlage der Welt, mit der jedes Jahr 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft abgeschieden werden sollen. Prognose: Auch wenn negative Emissionen notwendig für das Erreichen der Klimaziele sind, ist die Direct-Air-Capture-Technologie bisher noch sehr preisintensiv. Damit sich die DAC-Technologie durchsetzen könnte, braucht es eine Skalierung der Technologie und genug erneuerbare Energien für den klimafreundlichen Betrieb der Anlagen. Die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit wird voraussichtlich noch Jahre bis Jahrzehnte benötigen.
Wasserstoff-Ausbau
Mit dem 2021 verabschiedeten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurde beschlossen, dass die österreichische Regierung bis 2030 500 Millionen Euro für grünen Wasserstoff für die Industrie bereitstellen will. Mit der Summe sollen die heimische Industriezweige in ihrer Umrüstung unterstützt werden. Neben der Dekarbonisierung der Industrie wird das Gas außerdem für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors eingesetzt. Dabei wird dieses insbesondere in Flugzeugen, Schiffen und LKWs als Antrieb fungieren. Als „grün“ gilt der Wasserstoff jedoch nur, wenn er durch erneuerbare Energien produziert wurde. Um den enormen Bedarf nach grünem Wasserstoff zu decken, braucht es daher entsprechende Mengen. Daher schreitet auch die Entwicklung von Energiespeichern-Modulen, beispielsweise mittels Wasserstoff, deutlich voran.
Small Modular Reactors (SMR)
Auch wenn Österreich sich bisher klar gegen die Atomkraft positioniert, ist diese als Energiequelle in anderen Ländern 2021 wieder mehr in den Fokus gerückt. Länder wie Frankreich und Großbritannien verkündeten 2021 auch die Entwicklung sogenannter „Small Modular Reactors“, eine Art Mini-Atomkraftwerk, zu fördern. Die Atomkraft soll so sicherer und flexibler werden, während die Bauzeiten neuer Werke kürzer ausfällt. Die Energiegewinnung durch Atomkraft ist prinzipiell klimaneutral und unterstützt so die Klimaziele der Länder. Risiken gibt es aber trotzdem. So wird die Effizienz der SMR-Anlagen kritisiert und Fragen zu Transport, Rückbau, Sicherheit und Zwischen- und Endlagerung sind weiterhin offen. Bisher sind die SMRs global größtenteils noch in der Entwicklungsphase.
Energiegemeinschaften in Österreich
Durch das 2021 beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) sind in Österreich nun die Bildung von „Erneuerbaren Energiegemeinschaften“ und „Bürger:innen-Energiegemeinschaften“ möglich. Bei ersterem wird regional produzierte Energie gemeinsam von mehreren Haushalten in einer Siedlung oder einem Haus finanziert und genutzt. Bei zweiterem ist das auch überregional möglich. Nachdem die Umsetzung der Gemeinschaften 2021 schleppend angelaufen ist, wird die Anzahl von diesen 2022 deutlich steigen.
In-Vitro-Forschung
Durch die Stammzellentechnologie könnten die Emissionen der Landwirtschaft und andere Kennzahlen, wie Boden- und Wasserverbrauch, deutlich gesenkt werden. Außerdem würde die Zahl von industriell gehaltenem Vieh deutlich sinken. Vorrangig konzentrieren sich die meisten Unternehmen bisher auf Fleischprodukte aus dem Labor. Ein Problem sind bei den In-Vitro-Lebensmitteln bisher die hohen Kosten. Wie sich der Wasser- und Energieverbrauch im Vergleich zu der konventionellen Landwirtschaft verhält, wird sich mit Sicherheit erst sagen lassen, wenn diese in einem ähnlichen Maßstab produziert werden. Für 2022 haben einige Unternehmen global Pilotprodukte angekündigt.
Diese Story stammt aus unserem neuen Magazin „Trending Topics 2022“. Es steht seit dem 29.12. zum kostenlosen Download bereit.