Trump ist der Tritt in den Hintern, den Europa sowieso braucht
Ein „Weckruf“ ist es für die meisten. Die Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten wird für Europa schwierigere Zeiten bringen, egal ob es um Handel, Ukrainekrieg, Investitionen oder Verteidigung geht. „America First“ bedeutet halt auch „Europe Second“ oder vielleicht sogar „Europe Third“ – weil China die wichtigere Auseinandersetzung ist.
Einige prognostizierte Effekte der erwarteten Trump-Politik auf Europa gefällig?
- Trump will Zölle von 10 bis 20 Prozent für importierte Güter aus Europa einführen
- Laut Goldman Sachs könnte der Euro gegenüber dem Dollar um bis zu 10 Prozent fallen wenn Trump seine Zölle umsetzt
- die Gewinne der größten europäischen Unternehmen könnten laut Goldman Sachs 2025 um mehr als 5 Prozent sinken
- Europäische Industrieproduktion (z.B. Autohersteller) könnte in die USA abwandern, um vor Ort herzustellen und ohne Zölle verkaufen zu können
- Nach dem Motto „Drill, Baby, Drill“ werden die USA Öl- und Gasproduktion hochfahren – ein Rückschlag für die ambitionierten EU-Klimaziele
- NATO-Mitglieder werden ihre Verteidigungsausgaben massiv hochfahren müssen, um zum einen die USA in der NATO zu halten und zum anderen die Ukraine zu unterstützen
- Trump wird manche (nicht alle) US-Tech-Unternehmen begünstigen und sicher erbost reagieren, wenn die EU wieder mit Milliardenstrafen gegen Big Tech um die Ecke kommt (z.B. gegen X seines Lieblings Elon Musk)
- Trump wird Technologien wie Krypto oder AI mit liberalerer Regulierung versehen als in der EU (AI Act, MiCA usw.) – ein weiterer Nachteil von EU-Unternehmen im Wettbewerb mit US-Unternehmen
Nun kommen wieder die alten Forderungen mit neuem Mascherl zurück. Die EU muss endlich souverän werden, sich aus der Abhängigkeit der USA in vielen Gebieten lösen, und zwar durch eine Kapitalmarktunion (Single Capital Market), einer Abkehr von immer neuen Regulierungen, mehr Investitionen in Innovation oder einer Stärkung des Binnenmarktes.
Beispiel Regulierung: In Europa ist es bezeichnend, dass zuerst einmal die KI-Behörden eingerichtet werden, bevor es noch wirkliche Usecases und Erfolgsstorys bei AI-Anwendungen und AI-Unternehmen gibt. Währenddessen marschieren die US-AI-Companies von einem Erfolg zum nächsten. In Europa kann man sich die US-LLMs dann per API anstoppeln und kommt auch nicht mehr an alle Modelle heran.
Das geht so weit, dass es dem Architekten des AI Act, Gabrielle Mazzini, schon hörbar leid tut, die KI-Regulierung so gebaut zu haben wie sie jetzt ist. „What we Have in Place Now is Way More Than Enough“, sagt Mazzini heute zu den vielen Gesetzen, die Unternehmen einhalten müssen (hier im Podcast zu hören).
Diamanten entstehen unter großem Druck
Auf diese vielen Probleme in der EU gerade für wachstumsorientierte, innovative Unternehmen wird seit vielen Jahren hingewiesen, passiert ist wenig. Immerhin hat die neue EU-Kommission nach dem aufrüttelnden Draghi-Report einiges in Planung, unter anderem eine eigene Kommissarin für Startup-Themen. Jetzt muss man auch beweisen, dass nicht nur wieder hohle Phrasen und Bekenntnisse aufeinander getürmt werden.
Was man in diesen Tagen wieder einmal von Gründer:innen lernen kann: Sie sehen trotzdem positiv in die Zukunft, suchen sich ihre Chance. „Was wir nicht brauchen ist Gejammer und Gestreite, sondern im Gegenteil einen Fokus auf unsere eigenen Ziele und Stärken“, schrieb einer der Gründer gestern. Schließlich muss man auch sehen, dass Trump auch nicht das Ende der transatlantischen Beziehungen ist. Auch die USA brauchen imWettbewerb mit China und Russland Partner, und Europa ist dieser Partner.
Die Lage ist unverkennbar ernst, aber vielleicht ist der Druck auf Europa, den Trump aufbauen wird, auch gut. Diamanten entstehen schließlich auch nur unter großem Druck.
„Müssen uns warm anziehen“: Founder und Investoren über den Triumph von Donald Trump (Update)