Uber vs. Taxis: Flexible Tarife wünschen sich viele. Aber sind sie auch realistisch?
2019 haben Taxifirmen gejubelt. Die damalige Regierung beschloss mit dem Gelegenheitsverkehrsgesetz die Zusammenlegung der Regeln für Taxis und Mietwagen. Christian Holzhauser, Geschäftsführer von Taxi 40100, meinte, dass nun endlich wieder “Recht und Ordnung in der Taxi- und Mietwagenbranche Einzug” halte. Das “Lex Uber”, wie es Kritiker nannten, führte währenddessen beim Kontrahenten Uber dazu, mit dem Rückzug aus Österreich zu drohen. Denn dass Mietwagenfahrer, mit denen Uber kooperiert, sich ab September 2020 an Taxitarife, Taxometer und Taxiprüfungen halten müssen, schmeckte dem US-Unternehmen, das seit dem Start 2014 hundertausende Nutzer (auch) mit günstigen Preisen lockte, gar nicht.
Doch schlägt das Pendel jetzt in die andere Richtung? Wird das Gelegenheitsverkehrsgesetz (GelverkG) wieder aufgeschnürt und “verbessert”, wie es im Regierungsprogramm angekündigt wurde? Und wird die Stadt Wien, mit Abstand größter Markt für Gelegenheitsfahrten (a.k.a. Taxifahren und Ubern) die Tarife flexibilisieren?
Darüber herrscht hüben wie drüben, bei Old und New Economy, derzeit Unsicherheit. Und genau deswegen wird hinter den Kulissen derzeit beraten, umgefragt, studiert, lobbyiert, analysiert und positionspapiert, was das Zeug hält. Am Ende geht es schließlich um ein Milliardengeschäft, das Fahrdienstleister jährlich in Österreich machen. Uber alleine macht monatlich 1,5 Millionen Euro Gewinn (und vier- bis fünffachen Umsatz) in Österreich.
Tarifgestaltung obliegt den Ländern
Der Ball liegt derzeit beim Wiener Rathaus. Denn Taxitarife sind in Österreich Ländersache – und auch Wien kann, muss aber nicht jene Fixtarife, die derzeit für Taxis gelten, weiterlaufen lassen. Denn beim genaueren Hinsehen, wie es Trending Topics bereits im Juli 2019 tat, wird klar: Die befürchteten Fixtarife sind gar nicht fix. Möglich ist, das die Landeshauptleute Preisspannen erlauben, mit Ober- und Untergrenzen, zwischen denen der Markt selbst für eine Preisbildung sorgt. Teurere Fahrten mit Limousinen oder bei Nacht, günstigere Preise bei Taxi-Sharing, Paketpreise bei Mobility-as-a-Service, Rabatte, wenn man ein grün geladenes Elektroauto bucht, Festpreise für definierte Strecken (z.B. Flughafen) – warum nicht?
Mobilität im urbanen Raum in Zeiten der Klimakrise muss zum Ziel haben, weniger Autos zu nutzen, Stau und Emissionen zu verringern. Da sind die Öffis natürlich wichtig, doch Individualverkehr braucht es trotzdem. Je bessere Alternativen zum eigenen Auto es gibt, desto mehr Menschen werden umsteigen.
Und überhaupt: Sollten Gesetz und Tarife nicht gleich so gestaltet werden, dass autonome Fahrzeuge auch betrieben werden können? In den USA lässt Waymo sie schon fahren, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie zu uns kommen. Dann sind flexible Tarife keine schlechte Idee, und zwar in zwei Richtungen: So könnten sie ja billiger sein, wenn kein Mensch am Steuer sitzen muss – oder sie könnten verpflichtend teurer sein, weil sie potenziell Taxi- und Mietwagenfahrer arbeitslos machen.
Eine Studie für Wien
Die Stadt Wien hat da derzeit keine einfache Rolle. Zum einen gibt es eine Menge verschiedener Interessen und Meinungen (Taxiinnungen, Arbeiterkammer, Plattform-Betreiber, Taxifunkzentralen, Taxiunternehmen, Taxifahrer, Mietwagenfahrer, Mietwagenunternehmer, Verkehrsexperten), die man unter einen Hut bringen muss. Und zum anderen wird die Zeit knapp. Im September startet das GelverkG, im Oktober wird in Wien gewählt.
Eine Studie, die noch im Februar präsentiert werden wird, soll mehr Licht in die Sache bringen. “Aufgrund der rechtlich sehr komplexen Lage, der mäßig guten Datenlage und aufgrund der insgesamt sehr umfangreichen Branche und der Vielzahl an rechtlichen Bestimmungen wird die Studie noch etwas Zeit in Anspruch nehmen”, heißt es dazu aus aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Peter Hanke. Aber auch: “Wir als Stadt Wien möchten aufgrund der Änderung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes nun das Momentum nutzen, die bestehenden Bestimmungen neu und breit zu denken, um eventuell ein Optimum für alle Beteiligten herauszuholen.”
Ein neues Szenario wäre also, dass Wien und andere Bundesländer sich an flexible Tarife heranwagen, die nach unten das Grundeinkommen der Fahrer sichern (und Dumpingpreise verhindern) und nach oben den Konsumenten schützen (überteuerte Fahrten z.B. bei Surge Pricing). Dazwischen könnte sich der Markt in einem Preiskorridor dem Wettbewerb mit Differenzierung der Dienste und Marketing widmen.
Der aktuelle Wiener Taxitarif setzt sich wie folgt zusammen:
Fixpreis von 3,80 Euro pro Fahrt unter tags
Fixpreis von € 4,80 Euro pro Fahrt nachts
Bestellpauschale von 2,80 Euro
jeweils plus Kilometergeld, je nach Tageszeit und Distanz zwischen 1,05 Euro bis 1,42 Euro
Preiskorridore oder starre Tarife?
Ein solcher Preiskorridor, wie ihn die Taxi-App Free Now in einem Positionspapier, das Trending Topics vorliegt, fordert, ist auch eine komplexe Angelegenheit. Denn dem Gesetzgeber entsteht die Möglichkeit, verschiedene Szenarien zu unterscheiden:
- Differenzierung zwischen „Street Hail“ (Heranwinken) und (vor-)bestellten Fahrten
- Eigene Tarifkorridore für “Pooling” oder “Sharing”, also wenn Personen mit flexiblen Ein- und Ausstiegspunkten und flexiblen Abfahrts- und Ankunftszeiten befördert werden
- Dynamische Preisgestaltung an speziellen Tagen mit besonders hoher Nachfrage (z.B. zu Silvester)
- Flexibilisierung bei geographischer Reichweite (z.B. Fahrten zwischen Wien und Flughafen Schwechat)
Um diese (und andere Szenarien) in flexiblen Tarifen abzubilden, müssten sie ziemlich komplex werden – und da stellt sich die Frage: Wie transparent und nachvollziehbar wären sie dann noch für den Konsumenten?
Das banalere Szenario wäre: Die Landeshauptleute tun nichts, belassen die Taxitarife so, wie sie sind – und die gelten dann ab September für Taxis wie Mietwagen gleichermaßen (also auch für Uber).
“Grundsätzlich muss es in der Tarif-Verordnung keine Änderungen – außer die textliche Anpassung auf Personenbeförderungsgewerbe mit PKW – aufgrund den Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrsgesetzes geben”, heißt es aus dem Rathaus. “Der derzeit gültige Tarif würde mit 1. September ganz einfach für das (neue) Personenbeförderungsgewerbe mit PKW gelten. Wenn es aber Möglichkeiten wie z.B. Taxi-Sharing geben soll, dann müssen – sofern ein Tarif weiterhin verordnet wird – rechtliche Änderungen in der Verordnung vorgenommen werden, die natürlich zuerst sorgfältig durchdacht und geprüft werden müssen.”
Ministerium für Klimaschutz auch am Zug
Eine wichtige Rolle wird auch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) spielen, an dessen Spitze die Grüne Leonore Gewessler steht. Ihr ist es laut Regierungsprogramm ein Anliegen, ab 2025 den emissionsfreien Betrieb von neu zugelassenen Taxis, Mietwagen und Carsharing-Autos durchzusetzen. Richtig vermutet: Das verlangt auch eine entsprechende Änderung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes.