Uber: „In Zusammenarbeit mit der Stadt Wien könnten wir uns vorstellen, mit Ridesharing aktiv zu werden“
Seit 1. Dezember 2015 ist Andreas Weinberger Österreich-Chef des Fahrtenvermittlungs-Dienstes Uber – jenem Erfolgs-Start-up von Gründer Travis Kalanick, das von Investoren geliebt (die Bewertung liegt bei 62,5 Mrd. US-Dollar) und von Taxiunternehmen auf der ganzen Welt gehasst wird (erst vergangene Woche brannten wieder die Barrikaden von Pariser Taxifahrern, die gegen Uber protestierten). In Wien – auch hier haben Taxiinnungen Uber aufs Korn genommen – steht Weinberger vor der Herausforderung, sich mit der Stadtregierung zu arrangieren. Denn nur so kann der ehemalige Uber-Hamburg-Chef, der zuvor für Mercedes-Benz und die Boston Consulting Group arbeitete, neue Dienste wie UberPop oder UberPool nach Österreich bringen.
Uber ist seit fast zwei Jahren in Österreich – wie sieht der Status Quo aus?
Andreas Weinberger: Wir sind aktuell in Wien mit drei Produkten vertreten, UberX, Uber Black und Uber Van. Unser Fokus liegt eindeutig auf UberX, dem günstigsten Service. Wir sind da etwa 30 Prozent günstiger als vergleichbare Optionen und auf einem ganz guten Weg, sowohl auf Konsumenten- als auch auf Partnerseite. Wir arbeiten mit lizensierten Mietwagenfirmen zusammen, für die wir die Auslastung erhöhen können. Und das Interesse von der Stadt Wien ist auch da, wir sind da auf allen Ebenen in guten Gesprächen. Wien ist auf dem Weg, ein führender Innovationsstandort in Europa zu werden, da passt das gut zusammen.
Uber hat sich ordentlich mit den Wiener Taxiinnungen gestritten. Wie sieht das Verhältnis jetzt aus?
Wir sehen uns als Erweiterung des urbanen Mobilitätsmix, als Ergänzung zu Taxis, öffentlichen Verkehrsmitteln, Carsharing. Wir sehen uns nirgendwo als Konkurrenten, sondern wollen uns eingliedern. Wenn überhaupt, dann ist der private PKW unser Gegner. Wenn viel mehr Menschen sich auf ein dichtes Netz an Alternativen verlassen und auf das eigene Auto verzichten, dann profitieren alle – das beinhaltet Uber genauso wie Taxi. Wir wollen, dass vorhandene Ressourcen besser genutzt werden und nicht eine Person in einem Auto sitzt und dieses Auto 95 Prozent der Zeit leer herum steht.
Die Taxibranche sieht Uber sehr wohl als Konkurrenten, und Sie sagten ja selbst, dass sie 30 Prozent günstiger sind.
Nein, wir sind keine Konkurrenz, weil wir für jeden den Kuchen größer machen. Wenn Leute wissen, dass sie in einer Stadt per Knopfdruck von A nach B kommen können, dann verzichten sie viel eher auf den eigenen PKW. Leute, die früher mit dem Auto gefahren sind, fahren jetzt Taxi, mit den Öffis, mit Uber. Wir nehmen mehr Nutzer vom PKW weg als von irgendjemand anderen. Schon jetzt erzählen uns viele unserer Nutzer, dass sie morgens das Haus verlassen und je nach Gepäck, Wetter und Motivation entscheiden, wie sie an ihr Ziel kommen möchten.
Sie waren viele Jahre bei Mercedes-Benz tätig – ist Uber der Feind der Automobilindustrie?
Eigentlich auch nicht. PKW werden immer noch gebraucht. Wenn viele Autos öfter genutzt werden, ist der Lebenszyklus ein ganz anderer. Wir gehen davon aus, dass die gefahrenen Kilometer ungefähr gleich bleiben, nur dass die Kilometer für die lästige Parkplatzsuche wegfallen. Es verändert sich, aber Autos werden nach wie vor gebraucht. Aber klar, die Digitalisierung erfasst alle Bereiche, und jeder muss sich an die sich verändernden Nutzungsweisen anpassen, auch Fahrzeughersteller werden sich verändern, aber nicht verschwinden.
Uber-Chef Travis Kalanick hat vor einem Jahr versprochen, 50.000 Jobs in Europa zu schaffen. Warum ist das noch nicht passiert?
Diese Aussage war verknüpft mit einem Reformgedanken von bestimmten Regularien in Westeuropa, um den Zugang zum Gewerbe von Fahrtenanbietern zu vereinfachen. Das ist in vielen Städten und Ländern in Diskussion, aber eben noch nicht umgesetzt. Diese Umsetzung wäre die Voraussetzung für die Schaffung dieser Jobs. Aktuell ist der Zugang zu dem Markt schwierig, deswegen ist es für uns schwierig, dieses Ziel zu erreichen.
In Österreich sind Dienste wie UberPop, wo Privatpersonen als Fahrer auftreten, und UberPool, wo sich Fahrgäste einen Wagen für einen Teil der Strecke teilen, nicht verfügbar. Wann werden die kommen?
Auch in den USA ist Ridesharing in einem gesetzlichen Rahmen reguliert. Dort haben einige Staaten und Städte Gesetze angepasst, um die Sicherheit von Fahrer und Mitfahrer zu gewährleisten. So eine Struktur kann man sich auch hier vorstellen, allerdings nur in einer Zusammenarbeit mit der Stadt Wien. Den Rahmen für ein solches Pilotprojekt müsste Wien oder der Staat Österreich stecken. Im Zuge einer solchen Zusammenarbeit könnten wir uns vorstellen, mit einem Ridesharing-Angebot aktiv zu werden.
Was ist da der Status Quo der Verhandlungen mit der Stadt Wien?
Wir sind da auf allen Ebenen in guten Gesprächen, aber mehr Details kann ich zum aktuellen Stand nicht sagen.
Kommen wir zum angeschnittenen Thema Preis. Uber wirbt damit, 30 Prozent günstiger als Taxis zu sein, doch zu Spitzenzeiten setzt das berühmte Price Surging ein: Die Fahrten werden bei hoher Nachfrage plötzlich um ein Vielfaches teurer. Wie passt das zusammen?
Unser Ziel ist es, auf der einen Seite günstig zu sein, und auf der anderen Seite einen verlässlichen Service anzubieten. In Zeiten extremer Nachfrage, wie beispielsweise an Silvester stehen wir vor einer Herausforderung: Die Nachfrage übersteigt das Angebot kurzzeitig um ein Vielfaches. Wenn aber die Preise dynamisch steigen, treten folgende zwei Effekte ein: Menschen, die nicht unbedingt fahren müssen, können jetzt warten bis die App sie benachrichtigt, dass der Preis wieder auf Normalniveau ist, oder ein anderes Verkehrsmittel nehmen. Dadurch sinkt die Nachfrage. Gleichzeitig steigt das Angebot, weil unsere Partner einen größeren Anreiz haben, zu fahren. Der Großteil des Umsatz kommt ja den professionellen Unternehmern aus Wien und Umgebung zu Gute. Gerade an Silvester würden sich viele Unternehmer dagegen entscheiden zu fahren, wenn es keine spürbaren Vorteile gäbe. Durch die sinkende Nachfrage und das steigende Angebot gleicht sich der Markt an und der Preis pendelt sich wieder auf Normalniveau ein.
Zu Silvester gab es allerdings einige Aufregung wegen des Price Surging in Wien.
Ja, zu Silvester sind die Preise aufgrund der immens hohen Nachfrage nach oben geklettert. Wir haben unsere Nutzer im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, indem wir E-Mails mit Tipps an die ganze Nutzerbasis rausgeschickt haben, wie sie die hohen Preise am besten vermeiden können. Außerdem haben wir in der App einen Schritt vor dem Bestellen eingebaut, bei dem der Nutzer den zum Beispiel dreifachen Preis durch die Eingabe einer “3” und einer “0” bestätigen muss. Dadurch dass der Kunde den Multiplikator händisch eintippen muss, ist sichergestellt, dass keiner die Hinweise ungesehen wegklicken kann.
Uber setzt auf bargeldloses Zahlen, Fahrten werden direkt von der Kreditkarte oder via PayPal abgebucht. Der Nachteil für die Fahrer: Sie bekommen kein Trinkgeld mehr.
Das Trinkgeld ist im Prinzip im Fahrpreis schon enthalten. Unsere Philosophie ist, die Auslastung eines Fahrzeugs zu erhöhen. Durch den günstigeren Preis ist die Nachfrage hoch, in Folge steigt die Zahl der Fahrten pro Stunde, und der Umsatz ist höher.
Uber ist aus Marketing-Sicht interessant, es gibt keine TV- oder Print-Kampagnen. Wie kann man da wachsen?
Wir wachsen hauptsächlich durch Weiterempfehlungen. Da sind wir stolz drauf, weil das bedeutet, dass die Kunden uns zuerst einmal gut finden. Das ist quer durch die Welt so, wir kommen ohne große TV-, Radio- oder Billboard-Kampagnen aus.
Der Schmäh der Weiterempfehlungen ist dabei, dass beide Seiten, sowohl der Empfehlende als auch der Neukunde, mit einer Gutschrift von zehn Euro belohnt werden.
Genau, das ist das Zuckerl oben drauf, klar. Ist ja auch Gang und Gebe in der Wirtschaft. Die Weiterempfehlung ist bei uns aber besonders effektiv. Beide Seiten bekommen die 10 Euro ja als Gutschrift, deshalb hilft sie nur Usern, die überzeugt sind und den Dienst auch wirklich nutzen.
Bei Uber geht es nicht nur um den Transport von Personen, sondern immer mehr auch um Warenlogistik. Welche Strategie verfolgt man da?
Wir machen öfter solche “Stunts”, also Ein-Tages-Aktionen, wo wir mit Partnern zusammenarbeiten. In Deutschland etwa haben wir gemeinsam mit der Caritas Spenden eingesammelt, in Österreich haben wir Christbäume ausgeliefert. Einmal pro Jahr liefern wir an allen unseren Standorten Speiseeis aus, 2015 lief die Aktion in 300 Städten weltweit. Unser Ansatz ist relativ einfach: Wir wollen die vorhandenen Ressourcen bestmöglich nutzen und unseren Nutzern damit einen Vorteil verschaffen: Wenn ohnehin jemand einen Passagier von A nach B fährt, könnte er theoretisch noch ein Paket im Kofferraum mitnehmen. Dadurch zahlen Fahrgast und derjenige, der auf das Paket wartet, weniger für die jeweilige Leistung und der Fahrer verdient gleichzeitig mehr. Im Idealfall kommt das Paket auch noch wesentlich schneller an. Also eine Win-Win-Win-Situation, wenn Sie so wollen.
In den USA man mit UberEATS mittlerweile ins Geschäft mit Essenslieferungen eingestiegen. Ist Uber eigentlich gar keine Taxi-App, sondern vielmehr eine Tech-Plattform für Logistik und Transport?
Wir sind eine Technologie-Plattform, über die Personentransport läuft, die aber offen ist für vieles andere. Deswegen haben wir immer Testballons wie eben UberEATS, um zu erfahren, wie solche Dienste angenommen werden. UberEATS ist da eine Sache, die wir wahrscheinlich weiter ausrollen werden. Das funktioniert wunderbar und wird ja von anderen Firmen auch schon erfolgreich gemacht. Dahinter steckt eine einfache Logik: Über Dienste wie UberEATS schaffen wir es, die Auslastung der Fahrer über den Tag konstant hoch zu halten. Dadurch machen sie am Ende des Tages mehr Umsatz, oder einfach früher Feierabend. Es gibt bisher noch keine Pläne, aber es ist vorstellbar, dass UberEATS auch nach Österreich kommt.
Mit UberRUSH will man außerdem Paketlieferanten Konkurrenz machen.
Konkurrenz ist das falsche Wort. Für Paketdienste ist die letzte Meile bis zur Tür die teuerste. Mit uns könnten sie auf bereits vorhandene Strukturen zurückgreifen. UberRUSH läuft bereits erfolgreich in einigen US-Städten. Damit geben wir kleinen Geschäften die Möglichkeit, ihre Waren online in ihrer Stadt zu vertreiben. Innerhalb von einer Stunde hat der Kunde seine Bestellung, ohne dass der Shop eine eigene Logistik aufbauen muss, die Geschäftsbetreiber, müssen sich nur auf unserer Plattform anmelden. Das ist die Anbindung von lokalen Geschäften ans Internet und E-Commerce. Aus unserer Sicht eine große Chance.
Uber behauptet von sich, stark Daten-getrieben zu operieren. Welche Daten werden da alle ausgewertet?
Wir sind anders aufgestellt als etwa Google oder Facebook. Wir sind mit lokalen Partnern verankert, an die das Gros des Umsatzes geht. Außerdem betrieben wir in jeder Stadt, in der wir sind, Büros und beschäftigen dort feste Mitarbeiter. Der Umsatz und die Steuern bleiben in Österreich. Wir sind natürlich Daten-getrieben, speichern diese in anonymisierter und aggregierter Form und werten sie aus, um unseren Service besser zu machen. Wir schauen uns beispielsweise an, wo die Nachfrage am stärksten ist, welche Wege am öftesten gemacht werden. Wir können so eine Stadt noch smarter machen und etwa analysieren, wie die Verkehrsströme sind und welche Stationen der Öffentlichen Verkehrsmittel besonders oft angefahren werden. Mit diesen Daten können wir mit Städten zusammenarbeiten.
Die Stadt Wien arbeitet ja an einer ultimativen Mobilitäts-App, die vom Citybike bis zum Carsharing sämtliche Transportmittel abbilden soll. Will Uber in diese App hinein?
Wir sind weltweit schon in diversen solcher Apps, und das ist auch genau der Gedanke, den wir verfolgen. Der Nutzer soll von A nach B gelangen mit genau dem Verkehrsmittel, das gerade für ihn passt. Für solche Apps wie jene der Stadt Wien sind wir natürlich offen und würden mitmachen.
Werfen wir einen Blick auf das große Ganze: Uber wird von Privatinvestoren mit 62,5 Mrd. US-Dollar bewertet. Wie kommt Ihrer Meinung nach eine solche Riesenbewertung zustande?
Meine persönliche Meinung: Uber ist das Realitäts-Level des Internet. Alles, was man im Internet tut, muss irgendwann seinen Ausdruck in der Realität haben. Man möchte zum Lokal gelangen, in dem man einen Tisch reserviert hat, man will jemanden in der Stadt treffen oder man bestellt Blumen oder Essen. Alles das kann über die Uber-Plattform abgedeckt werden.