Überleben von Pottwalen soll mit Künstlicher Intelligenz gesichert werden
Auch wenn vielleicht einige Menschen sich diese Krone gerne aufsetzen würden – das größte Gehirn auf dem Planeten hat der Pottwal. Außerdem sind sie die größten Räuber der Welt, tauchen in Tiefen von bis zu 3.000 Meter und sind ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Ozean. Doch genauso wie auch andere Walarten ist ihre Population bedroht. Den Schätzungen der Meeresbiologin Lisa Steiner zufolge, gibt es weltweit nur noch 350.000 bis 450.000 Tiere. Steiner war jetzt Teil eines Projektes mit dem diese Riesen der Meere geschützt werden sollen. Dafür haben Amazon Web Services (AWS) und Capgemini eine Künstliche Intelligenz entwickelt, durch welche die Wanderbewegungen der Tiere besser verstanden und so in weiterer Folge beachtet werden können. So sollen Unfälle zwischen Pottwalen und Schiffen zukünftig besser vermieden werden können.
Nahrungsquelle und CO2-Speicher
Auch wenn sie selber große Räuber sind, sind die Pottwale laut Steiner die Grundlage von fast allen Nahrungsketten im Ozean. Das hat zwei Ursachen: Zum einen jagen sie zwar in der Tiefe, aber koten an die Meeresoberfläche. „So machen sie Nährstoffe, wie Ammoniak oder Stickstoff, die sonst nicht so reichlich vorhanden wären, für Plankton und andere kleine Organismen verfügbar“, so die Meeresbiologin. Plankton wandelt hingegen wieder Kohlendioxid aus der Atomsphäre in Sauerstoff um. Zum anderen bilden die massigen Körper von toten Tieren auf dem Meeresboden eine konzentrierte Nahrungsquelle für bodenlebende Organismen und Pottwale speichern viel CO2 in ihren Muskel- und Fettzellen ab. Daher haben die Tiere nicht nur für das Ökosystem Ozean, sondern auch im Kampf gegen den Klimawandel ein tragende Rolle inne.
Schwanzflosse so einzigartig wie Fingerabdrücke
Die Faszination von Lisa Steiner für die Pottwale begann bereits 1989. Zum diesem Zeitpunkt war sie an dem Forschungsprojekt des International Fund for Animal Welfare auf den Azoren beteiligt. Dabei kategorisierten sie einzelne Pottwale anhand Fotos, um so die Entwicklungen der Tiere beurteilen zu können. Steiner: „Bevor ich auf die Azoren kam, um an dem Forschungsprojekt des International Fund for Animal Welfare mitzuarbeiten, wusste ich eigentlich gar nichts über Pottwale. Aber nachdem ich mehrere Übereinstimmungen von Flossen gemacht hatte, war ich süchtig nach Pottwalen!“
Als Hauptindikator für die einzelnen Wale dient die Schwanzflosse, Fluke genannt, welche immer individuell ist. Trotzdem sind die teils sehr feinen Unterschiede für den Menschen kaum zu erkennen. Für die nun entwickelte Künstliche Intelligenz aber schon. Diese wurde laut den Angaben von Julien Simon, KI-Spezialist bei Amazon Web Services, mit tausenden Bildern von den Schwanzflossen der Tiere trainiert und sei jetzt in der Lage, die Flossen mit einer Genauigkeit von 97,5 Prozent den einzelnen Pottwalen zuordnen zu können. Inzwischen seien in der Datenbank bereits mehr als 8.000 Bilder gespeichert. Dabei soll es aber den Vorstellungen von Steiner und Simon nach nicht bleiben. Als Teil eines Open Research Projektes können Privatpersonen Bilder von Pottwalen und den Fluken auf der dafür eingerichteten Website teilen. Diese landen dann in der Projektdatenbank, auf welcher die Fotos durch die Künstliche Intelligenz den einzelnen Walen zugeordnet werden. So sollen sich die Wanderbewegungen und Entwicklungen der Pottwale weltweit besser bestimmen lassen.
Schutzgebiete für Wale anhand neuer Daten einführen
Dieses Wissen ist dann aber nicht nur für Meeresbiologen interessant, sondern soll zukünftig auch dazu dienen, die Unfälle mit Pottwalen zu reduzieren. „Pottwale werden nicht mehr gejagt, aber sie können durch Öl- und Gasförderung sowie durch den Schiffsverkehr unter Druck geraten. Wenn wir wissen, wo sich diese Tiere aufhalten, können vielleicht Aktivitäten eingeschränkt werden, die Geräusche erzeugen, die sie beim Nahrungserwerb oder bei der Kommunikation mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe stören. Eine weitere Bedrohung am Horizont für Pottwale ist der Tiefseebergbau. Wenn also nachgewiesen werden kann, dass bestimmte Gebiete für Pottwale wichtig sind, können vielleicht einige Beschränkungen zum Schutz dieser Gebiete eingeführt werden“, so Lisa Steiner. Der Schutz der Tiere mithilfe der Künstlichen Intelligenz steht somit erst am Anfang. Für die Zukunft soll die Nutzung der KI aber dazu führen, dass die Walart nicht mehr als „bedroht“ gilt.