„Um zum Gründerland zu werden, ist die FlexCo kein Allheilmittel“
Seit 01.01.24 gibt es die neue Gesellschaftsform flexible Kapitalgesellschaft. Philipp Kinsky gibt Insights in die „FlexCo” und erzählt gemeinsam mit den beiden anderen Rechtsanwälten Johannes Reich-Rohrwig und Alexander Reich-Rohrwig von Vor- und Nachteilen sowie gesammelten Erfahrungen. Verraten wird auch, warum der „Big Bang” für Österreich, das sich mit der FlexCo als Startup-freundliches Land präsentieren wollte, bis dato ausgeblieben ist.
„Die FlexCo hat alles und mehr”
Das Fazit der Anwälte zur FlexCo, die seit 01.01.2024 in Österreich aktiv ist, fällt grundsätzlich positiv aus. Der erste GmbH-Gesetzesentwurf stammt aus dem Jahr 1903, weiß Johannes Reich-Rohrwig. Seit dem hat sich einiges getan und die neue Gesellschaftsform, fällt, wie der Name schon verrät, deutlich flexibler aus. Trending Topics hat die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen GmbH und FlexCo zusammengefasst. Das Anwälte-Trio ist sich einig, die FlexCo bietet alles, was die GmbH auch kann und sogar mehr. Für 80 Prozent aller Neugründungen wird die FlexCo-Form gewählt werden, denkt Philipp Kinsky. Bei den Startups sollen es sogar neun von zehn sein. „Der einzige Grund, noch eine GmbH zu gründen, ist eigentlich, wenn man ein mittelgroßes Unternehmen ist, das keinen Aufsichtsrat haben will”, so Reich-Rohrwig Senior.
Die FlexCo sei geradezu darauf ausgerichtet, Kapitalinvestor:innen und strategische Investor:innen mit an Bord zu holen. Als Nachteil wird das frühere Einsetzen des Aufsichtsrates genannt, der im Fall korrigierend eingreifen und auch beraten kann. Im neuen Buch „Flexible Kapitalgesellschaft”, das die drei gemeinsam verfasst haben, werden die 29 Paragraphen heruntergebrochen und der Lebenszyklus der FlexCo abgebildet. Man möchte Gründer:innen ein Gesamtbild vermitteln und auch Problemfälle aufzeigen. Infos zu Finanzierungen, zu Gesellschaftsverträgen und Mitarbeiterbeteiligungen inklusive Stolperfallen sind auch enthalten.
Die Vorteile der neuen Gesellschaftsform
Die Einführung von Unternehmenswertanteilen ist wohl die größte Neuerung, die die FlexCo mit sich bringt. Dadurch können nicht nur Mitarbeiter:innen am Unternehmen beteiligt werden, sondern auch neue (internationale) Kapitalgeber, die nicht „mitreden” wollen oder müssen, denn ein Stimmrecht ist nicht mehr für alle Gesellschafter:innen notwendig. Wenn sich bei der ursprünglichen Form der GmbH ein Gesellschafter quer gestellt hat, kam es zu Problemen bei der Beschlussfassung. Bei der FlexCo reicht es, wenn 51 Prozent der Gesellschafter schriftlich für oder gegen etwas abstimmen. Für Mitarbeitende eröffnen sich neue Incentive-Chancen und gleichzeitig können CEOs Anreize setzen, um „gute Leute in Unternehmen zu holen”. CEOs bekommen die Flexibilität, um auf Marktbedingungen einzugehen, indem sie Anteile ausgeben können. Darüber hinaus gibt es steuerliche Begünstigungen für Mitarbeitende: Ihr Ertrag wird erst beim Exit des Startups und zu einem Zeitpunkt, wo die liquiden Mittel auch verfügbar sind, mit 25 Prozent versteuert. Die Konzepte der Mitarbeiterbeteiligung werden explizit für Startups als großer Vorteil genannt, ebenso die wesentlich unkompliziertere Abwicklung der Beteiligungsverträge.
„Scaleups werden weiterhin auswandern”
Es gibt aber auch Nachteile. Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Aufsichtsrat, der bei der FlexCo früher einsetzt, was aber nicht weiter tragisch zu bewerten sei. Dass bei der Gründung immer noch Notariatsbeschlüsse notwendig sind, sehen die Anwälte als weiteren Defizit. Englisch wird bei der Gründung nach wie vor nicht als Amtssprache akzeptiert, das heißt, der Gesellschaftsvertrag muss in deutscher Sprache aufgesetzt werden, was die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene erschweren könnte. Die Mitarbeiter:innenbeteiligungen werfen dahingehend ein Problem auf, da diese nur für maximal 100 Arbeit:nehmerinnen ausgelegt sind. „Da hätten das Finanzministerium mutiger sein können, denn Scalups könnten aus formalen und steuerlichen Gründen weiterhin aus Österreich abwandern”, so Reich-Rohrwig Senior. Alleine aus volkswirtschaftlichen Gründen müsse man sich deshalb etwas überlegen, damit Startups und Scaleups im Land bleiben.
Dann ergibt ein Umstieg Sinn
Generell lässt sich von einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH auf FlexCo umsteigen, was Sinn macht, wenn man neue Möglichkeit nutzen möchte. „So attraktiv die FlexCo bei Neugründungen auch sein mag, für bereits bestehende GmbHs braucht es für den Wechsel vermutlich einen Anlass, zum Beispiel eine:n neu an Land gezogenen Investor:in bei einer Finanzierungsrunde oder die Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung”, sagt Reich-Rohrwig. Auf längere Sicht könnten aber auch sie von einer GmbH auf eine FlexCo wechseln.
Mit ihrem Buch „Flexible Kapitalgesellschaft” aus dem MANZ Verlag richten sich die drei Rechtsanwälte vor allem an Unternehmer:innen, Startups aber auch an KMUs, Industrie-und Handelsunternehmen sowie an Jurist:innen. Man möchte einen Gesamtüberblick geben und weist auch daraufhin, dass trotz auf 10.000 Euro herabgesetzten Stammkapital ausreichend Kapital notwendig ist, um nicht direkt in die Insolvenz zu schlittern. Das Fazit: Um zum Gründerland zu werden, ist die FlexCo kein Allheilmittel – da müssten noch mehr Gesetze entrümpelt werden.
FlexCo vs GmbH: Was die neue Gesellschaftsform kann – und was noch fehlt